Leeres Produkt

Leeres Produkt

Das leere Produkt bezeichnet in der Mathematik den Sonderfall eines Produktes mit null Faktoren.

Ein Produkt über einer endlichen Indexmenge I kann folgendermaßen definiert werden:

 \prod_{i \, \in \, I} a_i \; := \; \begin{cases}
  a_k \cdot \prod_{i \, \in \, I \setminus \{k\}} a_i, & \text{wenn }k \in I,\\
  1, & \text{wenn }I = \varnothing.
\end{cases}

Wenn die Indexmenge leer ist, also das Produkt gar keinen Faktor hat, dann ist das Produkt nach der Definition eins. Das kann damit begründet werden, dass die Eins das neutrale Element der Multiplikation ist; siehe Gruppentheorie. Die Multiplikation mit eins ändert einen Wert nicht. Wenn man ein Produkt a um einen Faktor b erweitert, der seinerseits ein Produkt aus null Faktoren ist, dann sollte dies den Wert des Produkts nicht ändern: a \cdot b = a. Das ergibt sich, wenn b: = 1 definiert wird.

Das leere Produkt ist zu unterscheiden von dem Produkt 0 \cdot 0 oder unsinnigen Formulierungen, wie z. B. mit nur einem Faktor. In kombinatorischen, abzählenden Betrachtungen ist es normalerweise miteinzubeziehen, da es genau eine Möglichkeit gibt, Nichts zu multiplizieren, weshalb es auch gerechtfertigt ist, von dem leeren Produkt zu sprechen.

In anderen Bereichen wie der Gruppen-, Ring- oder Körpertheorie, die die Multiplikation als grundlegende, innere Verknüpfung betrachten, ist jede Definition mit weniger als zwei Faktoren zunächst nicht sinnvoll. Trotzdem taucht das leere Produkt implizit in mehreren Zusammenhängen auf, z. B. bei Potenzen und der Fakultät und ist dort gelegentlich der Grund für Verständnisprobleme. Auch die gängige Wertzuweisung auf Eins ist nicht immer intuitiv klar.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenhang zu Potenzen und der leeren Summe

Analog bezeichnet man die Addition von 0 Summanden als die leere Summe und gibt ihr den Wert null. Dies ist anschaulich begründbar: Beim Addieren von nichts erhält man nichts (nichts = Null ist das neutrale Element der Addition).

Für jedes endliche Produkt mit N Faktoren und den Logarithmus zu einer beliebigen Basis b \in \R, b > 0 gilt nun:

\prod_{k=1}^{N} x_k = b^{\sum_{i=1}^N \log_b x_i}, da log xy = log x + log y.

Wird N = 0 gesetzt, erhält man links das leere Produkt und rechts im Exponenten die leere Summe:

\prod_{\varnothing}=b^{\sum_{\varnothing}} =b^0 =1.

Da die Wertzuweisung der leeren Summe auf 0 sehr plausibel ist, muss das leere Produkt im Sinne der Widerspruchsfreiheit den Wert von b0 erhalten, der zumindest auch für alle b > 0 konstant sein muss. Auch dies widerspricht nicht dem anschaulichen Verständnis, da es bedeutet, etwas vorhandenes null-mal mit einer Zahl b (ungleich null) zu multiplizieren, wobei die ursprüngliche Größe erhalten bleibt.

Problematiken der Wertzuweisung

Es ist allgemein üblich, b0 = 1 für reelles b \neq 0 zu definieren. Damit werden die reellwertigen Exponentialfunktionen stetig und analytisch im Punkt 0 fortgesetzt. In den komplexen Zahlen ist es etwas komplizierter, da 0 dort ein Verzweigungspunkt ist, für reelles b bleibt es auch dort richtig. Somit spricht nichts gegen \prod_{\varnothing} = 1.

Ein Schönheitsfehler wird deutlich, wenn man versucht, dies auch auf b = 0 zu verallgemeinern. Die Potenz 00 = 1 zu setzen, ist immer noch mit den gängigsten Definitionen vereinbar, da aber für alle a > 0 gilt: 0a = 0, sorgt dies bei der reellen Funktion f(a) = 0a für eine Unstetigkeitsstelle bei a = 0. Siehe auch „null hoch null“.

Leeres kartesisches Produkt und leere Funktion

Das kartesische Produkt zweier endlichen Mengen A \times B ist definiert als die Menge aller geordneten Paare: \left\{(a, b)|a \in A, b \in B\right\}. Allgemeiner kann man dies für jede beliebige endliche Indexmenge I wie folgt definieren:

\prod_{i \in I} A_i = \{ f : I \to \textstyle\bigcup\limits_{i \in I} A_i\ |\ \forall i\ f(i) \in A_i \}.

Da die leere Vereinigung (ebenso wie die Vereinigung über endliche Mengen) wiederum die leere Menge ergibt, folgt mit I = \varnothing:

\prod_{\varnothing} = \{ f : \varnothing \to \textstyle\bigcup\limits_{\varnothing} \}= \{ f : \varnothing \to \varnothing \} = \{\varnothing \}.

Damit enthält das leere kartesische Produkt genau ein Element, die leere Funktion, welche die leere Menge wieder auf die leere Menge abbildet. Die analoge Tupel-Schreibweise lautet \{(\ )\}.

Mit Hilfe des kartesischen Produkts erhält man eine zufriedenstellende Deutung in der Wertzuweisung von 00: Interpretiert man die Potenz ab mengentheoretisch, dabei sei also a = | A | ,b = | B | , so gibt ab die Anzahl der Funktionen f: B \to A. Nur die leere Menge hat Kardinalität 0, somit folgt:

0^0 = |\{f : \varnothing \to \varnothing  \}| = 1.

Es gibt genau eine Möglichkeit, nichts auf nichts abzubilden. Andererseits gilt für jedes n \in \N, n\neq 0:

0^n = |\{ f: n \to \varnothing  \}| = 0,

denn es gibt tatsächlich keine entsprechende Funktion: Jedem der n Definitionswerte müsste ein Element des Bildbereichs zugeordnet werden, was aber unmöglich ist, da die leere Menge eben kein Element enthält. Nur wenn der Definitionsbereich auch leer, lässt sich genau eine solche Funktion finden.

Weitere Zusammenhänge

  • Betrachtet man die Eins, die keine Primfaktoren hat, ist es konsistent, ihr die leere Primfaktorzerlegung zuzuordnen, also das leere Produkt.
  • Aus den Definitionen von leerem Produkt und Fakultät folgt: \textstyle 0! = \prod_{i=1}^0 i = \prod_{\varnothing} = 1.
  • Es gibt genau eine Möglichkeit, nichts aus n Stück auszuwählen - entsprechend gilt für die Binomialkoeffizienten \tbinom n 0 = 1, insbesondere \tbinom 0 0 = 1. Sie lassen sich direkt auf die Fakultät von null zurückführen.

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