Lateinische Patriarchen des Ostens

Lateinische Patriarchen des Ostens

Die Lateinischen Patriarchen des Ostens waren Patriarchen der römisch-katholischen Kirche (Westkirche, Lateinische Kirche) an den vier altkirchlichen Patriarchalsitzen auf dem historischen Gebiet der Ostkirchen: Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem.

Seit 1054 trennte das Große Schisma die chalzedonensisch gesinnten Kirchen in West und Ost, die sich gegenseitig exkommunizierten. Die Patriarchate von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem bildeten die Byzantinisch-Orthodoxe Kirche, das Patriarchat des Abendlandes (Rom) die katholische Kirche.

Im Laufe der Kreuzzüge, die von Anfang an auch die Dimension einer Auseinandersetzung zwischen westlicher (katholischer) und östlicher (orthodoxer) Christenheit in sich trugen, entstanden jeweils mit der Eroberung der Patriarchalsitze durch die Kreuzfahrer Patriarchate der lateinischen Kirche im angestammten Gebiet der Ostkirchen (1098 in Antiochia, 1099 in Jerusalem, 1204 in Konstantinopel und 1219 in Alexandria). Die lateinischen Patriarchen traten an die Stelle der dortigen Patriarchen der östlichen Kirchen und beanspruchten Jurisdiktion über die alten Patriarchatsgebiete, waren faktisch aber nur für die Katholiken zuständig, die an diesen Orten nunmehr die politisch (in der Regel jedoch nicht zahlenmäßig) dominierende christliche Fraktion bildeten. Alle diese lateinischen Patriarchate blieben eng mit dem militärischen Schicksal der Kreuzritter verbunden, die um diese Städte herum Kreuzfahrerstaaten aufbauten.

Nach deren Zerfall bestanden die lateinischen Patriarchate nur noch auf dem Papier und wurden vom Papst als Ehrentitel vergeben, die mit römischen Titularkirchen verbunden waren. Im Einzelnen war der römische Titel des Patriarchen von Jerusalem der Basilika San Lorenzo fuori le mura, der des Patriarchen von Konstantinopel der Petersbasilika im Vatikan, der des Patriarchen von Alexandria der Basilika Sankt Paul vor den Mauern und der des Patriarchen von Antiochia der Basilika Santa Maria Maggiore zugeordnet (die so genannten Patriarchalbasiliken in Rom). So wurde das christliche Rom zu einem fiktiven Abbild der Weltkirche mit ihren fünf altkirchlichen Patriarchaten.

1889 erlaubte das Osmanische Reich der katholischen Kirche, ihre Hierarchie in Palästina wieder neu zu errichten. Der römisch-katholische Erzbischof von Jerusalem ist seitdem wieder das Oberhaupt der lateinischen Katholiken im Heiligen Land (heute Israel, die Palästinensergebiete, Jordanien und Zypern) und führt den Titel eines Lateinischen Patriarchen in Jerusalem.

Anders als das Jerusalemer Patriarchat wurden die übrigen lateinischen Patriarchate des Ostens niemals restauriert, sondern 1964 im Zuge des II. Vatikanischen Konzils und auf der Basis einer zwischen Papst Paul VI. und dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras getroffenen Übereinkunft abgeschafft. Zuvor waren sie bereits über längere Jahre nicht mehr besetzt worden (Vakanz des lateinischen Titularpatriarchats von Konstantinopel seit 1948, von Antiochia seit 1953 und von Alexandria seit 1954).

Der Hintergrund ist der, dass die Errichtung dieser Patriarchate von Anfang an eine kirchenpolitisch aggressive, gegen die Orthodoxie gewandte Stoßrichtung besaß. Ihren verheerenden Höhepunkt erreichte die Feindschaft zwischen der westlichen und der östlichen Kirche mit der Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1204 durch die Kreuzfahrer (die praktisch die Zerschlagung des byzantinisches Reiches bedeutete). Dies rief ein Jahrhunderte andauerndes Trauma hervor und ließ eine Überwindung des Schismas lange Zeit unmöglich erscheinen. Die Abschaffung der mit diesen Vorgängen in Zusammenhang stehenden Titel wurde daher als (notwendiges) Zeichen der Ökumene angesehen.

Siehe auch

Vierter Kreuzzug, Patriarchat von Jerusalem, Patriarchat von Konstantinopel, Patriarchat von Alexandria, Patriarchat von Antiochia

Literatur

  • Wilhelm de Vries; Octavian Bârlea, Josef Gill Michael Lacko (Mitarb.): Rom und die Patriarchate des Ostens. Verlag K. Alber, 1963 (Orbis academicus: Problemgeschichten der Wissenschaft in Dokumenten und Darstellungen. Bd. 3, 4; Biblioteca románica hispánica: Diccionarios Band 4).
  • Georgij Avvakumov: Die Entstehung des Unionsgedankens: Die lateinische Theologie des Hochmittelalters in der Auseinandersetzung mit dem Ritus der Ostkirche. Band 47 von Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der Mittelalterlichen Theologie und Philosophie.. Akademie Verlag, 2002, ISBN 978-305003715-8.

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