Lateinische Metrik

Lateinische Metrik

Die lateinische Metrik gründet auf der griechischen Metrik und beruht wie sie auf der geregelten Abfolge kurzer und langer Silben, der Grundeinheit der Metrik. Sie ist also quantitierend. In diesem Artikel werden ausschließlich die Fragen der Silbenmessung im Lateinischen behandelt. Alles weitere ist in den Artikeln Verslehre, Versfuß, Metrik (Antike) und in den Artikeln zu einzelnen Versen aufzusuchen.

Inhaltsverzeichnis

Lange und kurze Vokale

Im Lateinischen ist die Vokallänge (Quantität) (wie im Deutschen) distinktiv (wortunterscheidend). Das heißt, es können Wortpaare vorkommen, deren Glieder sich nur durch die Quantität (lang oder kurz) eines Vokals unterscheiden. Im Deutschen sind das zum Beispiel die Paare Ofen/offen, fahl/Fall, Weg/weg, stählen/stellen, ihnen/innen, rußen/Russen, Röslein/Rösslein, Düne/dünne. Beispiele für das Lateinische sind: cecidi ‚ich fiel’ / cecīdi ‚ich fällte’; os ‚Knochen’ / ōs ‚Mund’. Im Unterschied zum Deutschen, das akzentuierende Verse kennt, beruht aber im Lateinischen (und Griechischen) auf dieser Unterscheidung der Versrhythmus.

Vokalkombinationen

Die Diphthonge ae [ai], oe [oi], au und eu [eu] sind immer lang (und damit die Silbe, die sie enthält). Wie im Deutschen zählen sie nur eine Silbe.

Alle anderen Verbindungen von Vokalen bilden zwei Silben. Beispiel: te- ne- at (3 Silben), mo- nu- it (3 Silben), ma- ri- um (3 Silben), con- stan- ti- a (4 Silben). Das u nach q bezeichnet keinen Vokal, sondern die Rundung des Konsonanten. Das Zeichen qu steht also für einen gerundeten velaren Plosiv (einen Laut, der durch Verschluss und plötzliche Lösung des Gaumens mit dem Zungenrücken und gleichzeitiger Lippenrundung gebildet wird), einen sogenannten Labiovelar [kw]. Steht zwischen zwei Vokalen eine Morphemgrenze, so bilden sie auch dann zwei Silben, wenn sie eigentlich einen Diphthong bilden müssten: cae- ru- le- us (4 Silben, das -e- gehört zur Wurzel, das -u- ist Stammbildungselement).

Vocalis ante vocalem corripitur

In einer zweisilbigen direkten Aufeinanderfolge von Vokalen ohne Konsonant dazwischen ist der erste Vokal kurz.

Beispiele:

  • Bei puella ist das u kurz, da es vor einem Vokal, dem e, steht. (Die anderen Vokale sind hier ebenfalls kurz, es sei denn, puella steht im Ablativ; jedoch ist die zweite Silbe el lang, weil durch das l der darauffolgenden Silbe la Positionslänge erzeugt wird und deswegen auf ihr die Betonung des Wortes liegt.)
  • Das corripitur (wird erfasst, d. h. zusammengerafft) kann z. B. sehr schön durch eine langvokalische Konjugation verdeutlicht werden. Obwohl das lange i, z. B. in audire (hören), der langvokalischen i-Konjugation den Namen gibt, auch im Imperativ audi (höre!) ein langes i hat, verkürzt es sich im Konjunktiv Präsens: audias (mögest du hören) zu einem kurzen i, da es vor einem Vokal steht.

Ausnahmen

  • In den Fällen, wo ein Vokal vor einem Vokal nicht kurz, sondern lang ist, z. B. das i bei totius oder unius (die Betonung dieser Wörter liegt dann auch auf diesem i), wird es aber in der Dichtung oft gekürzt. So misst z. B. Vergil in seinem Werk Aeneis das i bei unius mal kurz und mal lang.
  • Fremdwörter aus anderen Sprachen, besonders aus dem Griechischen, unterliegen nicht dieser spezifisch lateinischen Regel. Beispiel: Ŏdŭsīă (von Ὀδύσσεια).

Lange und kurze Silben

Eine Silbe ist im Lateinischen lang, wenn

  • ihr Vokal lang ist (dann spricht man von Naturlänge)
  • zwischen ihrem Vokal und dem Vokal der nächsten Silbe mehr als ein Konsonant liegen (Positionslänge); dabei zählt ein Doppelkonsonant wie zwei Konsonanten
  • beides vorliegt

Eine Silbe ist kurz, wenn

  • keine der oben genannten Bedingungen zutrifft.

Die letzte Silbe, für die diese Regel nicht geschrieben ist, spielt in der antiken Dichtung hinsichtlich ihrer Länge keine Rolle.

Beispiele: Das Wort ascendere hat vier Silben. Im Schriftbild, wo auch Vorsilben und Wortbestandteile maßgebend sind, wird es so getrennt: a-scen-de-re. Man muss gar nicht die Trennung nach Sprechsilben (diese ist: as-cen-de-re) richtig vollziehen, um unter Anwendung obiger Regel die Länge der Silben richtig bestimmen zu können. Die erste Silbe ist lang, weil zwischen a (Vokal der ersten Silbe) und e (Vokal der zweiten Silbe) zwei Konsonanten stehen (-sc-). Die zweite Silbe ist aus demselben Grund lang (-nd-). Die dritte Silbe ist kurz: erstens ist das -e- ein kurzes -e-, und zweitens liegt zwischen dem Vokal der dritten Silbe und dem Vokal der letzten Silbe nur ein Konsonant: -r-. Die letzte Silbe ist kurz, weil der Vokal kurz ist und kein Konsonant folgt (die letzte Silbe würde ein einziger Schluss-Konsonant bereits längen). In Bezug auf die Dichtung ist die letzte Silbe aber unerheblich, da die letzte Silbe eines Verses stets auch lang gebraucht werden kann.

Im Wort amare ist die erste Silbe kurz, weil der Vokal kurz ist und bis zum Vokal der nächsten Silbe nur ein Konsonant liegt. Die zweite Silbe ist lang, weil der Vokal lang ist. Von den genannten Regeln gibt es folgende Ausnahmen:

1.) Aspiration: Der Buchstabe -h- gilt nicht als Konsonant im Sinne der Positionsregel, sondern als Apirationszeichen. Im Spätlatein begegnen Ausnahmen.

2. Einzelbuchstaben als Doppelkonsonanten: -x- und -z- gelten als Doppelkonsonanten (ks bzw. ts)

3.) Doppelbuchstaben als Einzelkonsonant: -qu- (gesprochen kw) gilt im Allgemeinen als Einzelkonsonant (Ausnahmen bei Lukrez und im Spätlatein).

4.) Muta cum Liquida: Die Verbindung aus einem Plosiv (b, p; c, k, qu, g; d, t) und einer Liquida (l, r; m; n), in den Senkungen der Verse meist auch die Verbindungen sc, sq, st, sp, su (u hier als Halbvokal wie bei suadere) sowie bei griechischen Fremdwörtern sm, x, z, ps, führt in der lateinischen Metrik nicht zur Bildung einer Positionslänge. Auch von dieser Ausnahmeregel gibt es jedoch Ausnahmen. Entscheidend ist neben der genauen Konsonantenkombination auch die Stellung der Muta cum Liquida. Wenn die Liquida ein -l- oder ein -r- ist (in der Griechischen Metrik auch eine der anderen Liquida, -m- oder -n-), kann je nach Bedarf die betroffene Silbe lang oder kurz gemessen werden.

Beispiel: In

„ĕt prīmō sĭmĭlĭs vŏlŭcrī, mŏx vēră vŏlŭcrĭs (Ovid Met XIII, 607) – und zuerst einem Vogel ähnlich, bald ein echter Vogel

tritt sogar beides in einem Vers auf: Im Wort vŏlŭcrī wird keine Positionslänge nach dem -u- gebildet; es wird wie vŏ-lŭ-crī gesprochen, sodass die Silbe kurz ist, da sie mit einem Kurzvokal endet. Beim Wort vŏlŭcrĭs hingegen wird nach Auseinanderreißen der Muta cum liquida cr mittels der Sprechsilbentrennung vŏ-lŭc-rĭs Positionslänge gebildet. Die Silbe lŭc endet mit einem Konsonanten, ist damit geschlossen, also lang. Der genannte Vers metrisiert sich dann wie folgt: ēt prīmō sĭmĭlīs vŏlŭcrī, mōx vēră vŏlūcrīs, wobei aber hier mit den Querbalken und U-Häkchen über den Vokalen nicht – wie üblich – lange und kurze Vokale, sondern lange und kurze Silben markiert sind, eine Schreibweise also, die sehr irreführend sein kann, da sie den Eindruck langer Vokale vermitteln kann.

Bei zusammengesetzten Wörtern bildet auch Muta cum liquida stets Positionslänge, wenn die beiden Konsonanten verschiedenen Silben zugehören, weil dann der erste der beiden die Silbe schließt, z. B. wird in ob-lino, ab-rumpo die Vorsilben jeweils gelängt.

Eine Muta cum liquida über Wortgrenzen hinweg ermöglicht keine Vermeidung der Positionslänge, weil auch hier die Silbe durch Konsonant geschlossen wird. So ist z. B. bei et rege (Vergil, Aeneis I, 553) die Silbe et stets positionslang. Steht dagegen nach vokalisch auslautender kurzer Silbe Muta cum liquida am Beginn des folgenden Wortes, so entsteht in der Regel keine Positionslänge. Bestimmte Konsonantenkombinationen führen aber auch hier zur Längung (gn zwingend, tr, fr, br fallweise).

Wortgrenzen unerheblich

Für die Länge oder Kürze einer Silbe im Vers sind in der Metrik die Wortgrenzen unerheblich. (Eine kleine Ausnahme bildet hier die Muta-cum-Liquida-Regel, die nicht über Wortgrenzen hinweg angewandt wird.) Eine Silbe ist also auch lang, wenn die zwei Konsonanten zwischen ihrem Vokal und dem Vokal der Folgesilbe hier und dort einer Wortgrenze liegen. Beispiel: Im Vers: in nova fert animus mutatas dicere formas sind die fett hervorgehobenen Sprechsilben lang, da – unabhängig von der Wortgrenze – zwei Konsonanten zwischen dem Vokal der einen und dem Vokal der nächsten Silbe liegen. Da in heutigen Sprachen das Rhythmusgefühl der quantifizierenden Metrik abhandengekommen ist, liest man den Hexameter gerne in der Weise, dass man die erste (stets lange) Silbe jedes seiner sechs Metren betont: ín nova fért animús mutátas dícere fórmas

Zum Verständnis langer und kurzer Silben

Ein Martinshorn tönt ta:-tü:-ta:-ta:, wobei hier der Doppelpunkt die Länge des Vokales andeutet. Weil diese Vokale alle lang sind, ist es klar, dass auch alle Silben lang sind. Lassen wir eine Uhr ticken: Sagen wir tik-tak-tik-tak, so geht das auch nicht so besonders schnell. Sagen wir aber ti-ke-ta-ke-ti-ke-ta-ke, so schaffen wir doppelt so viele Silben und brauchen kaum länger. Diese Silben sind eben kurz, weil sie sich schneller sprechen lassen, während die Silben tik und tak lang sind. Im Prinzip besteht eine kurze Silbe aus einem Konsonanten und einem Kurzvokal, mit dem sie endet. Lange Silben enden mit einem Langvokal oder mit einem Konsonanten.

Lange und kurze Sprechsilben nach richtiger Sprechsilbentrennung

Erst wenn die Trennung des ganzen Verses (nicht nur deren Wörter!) nach Sprechsilben richtig erfolgt ist (was man normalerweise gar nicht macht), kann man auch folgende einfache Regel anwenden:

  • Eine Sprechsilbe ist kurz, wenn sie mit einem Kurzvokal endet;
  • ansonsten ist sie lang.

Die vorausgehende Sprechsilbentrennung überschreitet dabei nicht nur Wortteile, sondern ganze Wörter: Und zwar kommt zwischen den Vokalen immer genau ein Konsonant (zwei nur dann, wenn sie eine Muta mit einer Liquida l oder r bilden; selbst dann ist dies nicht erforderlich) zur nächsten Silbe, die mit diesem einen Konsonanten eröffnet. Eventuell noch vorhandene restliche Konsonanten schließen die vorausgehenden Silbe. Das Schließen der Silbe würde deren Längung verursachen.

So ergäbe z. B. der letzte Vers aus Dädalus und Ikarus, welcher heißt: condidit; et tellus a nomine dicta sepulti, im Falle, dass man bei der Zäsur, die nach tellus erfolgt, die Stimme nicht unterbricht, folgende Trennung nach Sprechsilben: con-di-di-tet-tel-lu:-sa:-no:-mi-ne-dic-ta-se-pul-ti:, wobei hier zusätzlich hinter den Langvokalen ein Doppelpunkt gesetzt wurde. Nun sind nur die Silben kurz, die mit einem Kurzvokal, also einem Vokal ohne Doppelpunkt dahinter enden.

Setzt man allerdings nach der Zäsur, also nach tellus die Stimme wieder neu an, dann gelangt das -s- von tellus nicht zur nächsten Silbe -a-: con-di-di-tet-tel-lu:s-a:-no:-mi-ne-dic-ta-se-pul-ti:. Das ändert aber nichts an der Länge der Silben, da Zäsuren gewöhnlich nach langen Silben erfolgen und ein zusätzlicher Konsonant sie nicht kürzer machen kann und Anfangskonsonanten der nächsten Silbe auf deren Silbenlänge keinen Einfluss haben. Bei einer echten Sprechpause wird nach tellus ein spiritus lenis (ein leichter Hauch; im Hebräischen entspricht das dem Konsonanten Aleph) eingefügt, was in der Dichtung eigentlich vermieden wird, elidiert ja schließlich ein Vokal, wenn zwei davon aufeinandertreffen, um einen den Sprechfluss unterbrechenden Hauch zu beseitigen.

"i" als Konsonant im Silbenanlaut

Im Silbenanlaut zählt i als Konsonant („j“). iacere hat also 3 Silben, iunctum 2. Dies gilt auch für Komposita, bei denen das i des Simplex’ nicht mehr im Anlaut steht: coniungere hat demnach 4, nicht 5 Silben. Wenn aber nach dem Silbenanlaut i ein Konsonant folgt, wird i entweder wie ein Vokal, z. B. bei iter, oder wie die Konsonant-Vokal-Kombination ji gesprochen, z. B. bei conicere oder ictus gesprochen.

Betonungsregeln

  • Zweisilbige Wörter werden grundsätzlich auf der ersten Silbe betont.
  • Drei- und mehrsilbige Wörter werden grundsätzlich auf der vorletzten Silbe (der Paenultima) betont, wenn diese lang ist, und auf der vorvorletzten Silbe (der Antepaenultima), wenn die vorletzte Silbe kurz ist.
  • Die Ausnahmen zu diesen Regeln fasst Ralf Schuricht[1] wie folgt zusammen: "Wird ein einsilbiges Enklikum, also ein Wort ohne eigene Betonung wie -que, -ve oder -ne an ein anderes Wort angehängt, wandert dessen Betonung auf die letzte Silbe vor dem Enklitikum, auch wenn diese Silbe kurz ist: z.B. domináque, omniáque. Einige Wörter haben auch nach dem Abschleifen ihrer Endsilbe ihre ursprüngliche Betonung behalten. Auf der Endsilbe betont werden daher z.B. illīc (aus illīce) oder viden (aus vidēsne)."

Beispiele:

  • néfas, obwohl die erste Silbe kurz, die zweite wegen des langen -a- sogar naturlang ist; jedes zweisilbige Wort wird eben auf der ersten Silbe betont;
  • volúbĭlis, da die vorletzte Silbe kurz ist; auf den kurzen Vokal -i- folgt nur der eine Konsonant -l-;
  • oratóre, da die vorletzte Silbe lang ist; sie ist wegen des langen -o- naturlang: oratōre;
  • cupiénda, da die vorletzte Silbe lang, und zwar positionslang ist; auf das kurze -e- folgen nämlich zwei Konsonanten: nd;
  • célĕbro, da br eine Muta-cum-Liquida-Verbindung mit -l- oder -r- als Liquida ist und solche Verbindungen in der Prosodie stets wie ein einziger Konsonant behandelt werden, weswegen die vorletzte Silbe keine Positionslänge bildet und wegen des kurzen -e- auch nicht naturlang ist;
  • regéque (rege ist der Imperativ von regere, falls das erste -e- kurz ist und der Ablativ von rex, falls das erste -e- lang ist); betont wird regéque aber auf der zweiten Silbe mit kurzem -e-, da ein im Sinne von et angehängtes -que die Betonung immer auf die vorletzte Silbe, also die Silbe vor dem que zieht, auch dann, wenn diese, wie hier der Fall, kurz ist.
  • vidén; es gehört zu denjenigen Wörtern, bei denen sich nach der Abschleifung (aus vidésne) der Ton nicht verschoben hat.

Diese Wortbetonungen werden eigentlich auch in der Poesie beibehalten. Da aber modernen Sprachen das Rhythmus-Gefühl für kurze und lange Silben abhanden gekommen ist, wird dies beim Lesen quantitierender Poesie, deren Metrik nicht nach betonten und unbetonten, sondern, wie in der Antike üblich, nach langen und kurzen Silben unterscheidet, gern durch das Betonen bestimmter langer Silben im Vers ersetzt; auf diese Weise spürt man den an sich quantitierenden Rhythmus in der gewohnten akzentuierenden Rhythmik. Dabei setzt man sich aber über die natürliche Betonung hinweg.

Elisionsregeln

Die Elisionsregeln beziehen sich auf das Weglassen von Vokalendungen oder Endungen -am, -em, -im, -om und -um in der Aussprache.

Elisionsregel 1

Treffen zwei Vokale über eine Wortgrenze aufeinander (endet also das erste Wort mit einem Vokal, während das zweite mit einem Vokal anfängt), so wird der auslautende Vokal verschluckt (elidiert) und gilt für die metrische Zählung nicht: primaqu(e) ab origine mundi enthält demnach nur 9 Silben.

Elisionsregel 2

Endet ein Wort in -am, -em, -im, -om, -um, während das nächste Wort mit Vokal anlautet, so wird -am, -em, -im, -om, -um elidiert. Dies hängt mit der Aussprache des Lateinischen zusammen; Folgen aus Vokal und m wurden nasaliert gesprochen, das m hat den Hang, elidiert zu werden. Beispiel (Vergil, Aeneis I, 88–89):

Eripiunt subito nubes caelumque diemque

Teucrorum ex oculis; ponto nox incubat atra.

lies: teúcror’ éx oculís

(„Da nehmen Wolken plötzlich Tag und Himmel fort aus den Blicken der Teukrer; auf dem Meer liegt eine schwarze Nacht.“)

Ein lateinisches Wort kann auch mit -om (statt -um) enden. Beispiel:

Bei divom incedo in Aeneis I, 46 elidiert die Endung -om.

Elisionsregel 3

h ist stumm und zählt nicht als Konsonant. Deswegen treten bei anlautendem h- dieselben Elisionsphänomene auf wie bei vokalisch anlautenden Wörtern. Beispiel (Aeneis I, 97–101): „… Mene Iliacis occumbere campis

non potuisse, tuaque animam hanc effundere dextra,

saevus ubi Aeacidae telo iacet Hector, ubi ingens

Sarpedon, ubi tot Simois correpta sub undis

scuta virum galeasque et fortia corpora volvit?“

lies: nón potuísse tuáqu’ anim’ ánc effúndere déxtra

(„… konnte ich denn nicht auf den Schlachtfeldern Ilions fallen, meine Seele durch deine rechte Hand verströmen, wo der wilde Hector, getötet vom Geschoss des Äakiden, liegt, und der ungeheure Sarpedon, und der Simois die entrissenen Schilde und Helme und die tapferen Körper so vieler Männer unter den Wogen dahinwälzt?“)

Elisionsregel 4 (Aphaerese)

Das e- von est und es wird elidiert, wenn das vorangehende Wort mit Vokal oder -am, -em, -im -um endet. Dies wird als Aphärese bezeichnet und dreht die sonst geltende Elisionsregeln gleichsam um: Es wird nicht der letzte Vokal des ersten, sondern der erste des zweiten Wortes ausgelassen.

laudandum est spricht man demnach wie laudandumst, laudata est wie laudatast und zählt somit nur noch drei statt vier Silben. Beispiel (Aeneis, I, 385–386).

… Nec plura querentem

passa Venus medio sic interfata dolore est

Lies: pás|sa| Ve|nús| me|di|ó| sic| ín|ter||ta| do||rest. (lange Silben dick) … (… Venus ließ ihn nicht weiter klagen und unterbrach ihn mitten in seiner Schmerzensrede folgendermaßen: …)

Elisionsregel 5 (Verzicht auf die Elision)

Auf eine Elision muss verzichtet werden, wenn dadurch der Vokal eines Ausrufes wie z. B. „o“, „vae“ oder „heu“ elidiert würde. Ausrufe behalten ihre Vokale stets bei.

Graphische Darstellung

Verschiedene Möglichkeiten, eine metrische Analyse graphisch online zu erstellen und in einem Textprogramm auszudrucken finden sich auf der Website Römische Metrik - Einführung in die Grundlagen.[2]

Literatur

  • Wilhelm Christ: Metrik der Griechen und Römer. Teubner, Leipzig 1874
  • Friedrich Crusius: Römische Metrik. Eine Einführung. Neu bearbeitet von Hans Rubenbauer. Georg Olms, Hildesheim 1984 ISBN 3-487-07532-6
  • Hans Dexler: Einführung in die römische Metrik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974 ISBN 3-534-04494-0
  • Wolfgang Joseph Emmerig: Anleitung zur lateinischen Verskunst. Vierte viel verbesserte Auflage. J.M. Daisenberger, Regensburg 1825.
  • Johann B. Goßmann: W. J. Emmerig's Anleitung zur lateinischen Versekunst Anleitung zur lateinischen Versekunst. Umgearbeitet und bereichert mit einer deutschen und griechischen Verslehre, nebst einer Auswahl von Gedichten aus klassischen Auctoren. Stein Nürnberg 1844
  • Paul Klopsch: Einführung in die Mittellateinische Verslehre. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972ISBN 3-534-05339-7
  • dtv-Lexikon der Antike. Philosophie, Literatur, Wissenschaft. Deutscher Taschenbuch Verlag München.
  • Landgraf-Leitschuh. 1931. Lateinische Schulgrammatik. Bamberg, C.C. Buchner Verlag.
  • Lehmann, Christian. 2005. "La structure de la syllabe latine." Touratier, Christian (ed.), Essais de phonologie latine. Actes de l'atelier d'Aix-en-Provence 12-13 avril 2002 (avec le soutiens financier du CNRS). Aix-en-Provence: Publications de l'Universite de Provence (Langues et langage, 11); 157-206. online
  • Burkhard Moennighoff: Metrik. Reclam, Stuttgart 2004 (RUB 17649), ISBN 3-15-017649-2.
  • Dag Ludvig Norberg: Introduction à l'étude de la versification latine médiévale. Almqvist & Wiksell, Stockholm 1958
  • Richard Volkmann u. a.: Rhetorik und Metrik der Griechen und Römer (Handbuch der Altertumswissenschaft Bd. 2, 2). Beck, München 3. umgearbeitete Auflage. 1901

Einzelnachweise

  1. Ralf Schuricht: LSP Latein Grammatik, Kapitel 1.2 Betonung
  2. Römische Metrik - Einführung in die Grundlagen
 Wikisource: Lateinische Metrik – Quellen und Volltexte

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