Lanzenstechen

Lanzenstechen
Darstellung eines Tjosts im Codex Manesse (um 1300)
Ritter im nachgestellten Tjost (Livermore 2006)
Turnierwaffen und -rüstungen (16. bis 17. Jahrhundert)
Turnierrüstungen aus der Dresdener Rüstkammer (16. bis 17. Jahrhundert)

Der Tjost (auch: das Tjosten und Lanzenstechen) ist ein ritterliches Zweikampfspiel mit der Lanze zu Pferd. Dabei reiten zwei Ritter in voller Rüstung und mit stumpfen oder anderweitig präparierten Lanzen jeweils rechts und links einer Beschrankung (Tilt) aufeinander zu, um durch einen gezielten Lanzenstoß den Gegner vom Pferd zu stoßen, oder zumindest einen Treffer an Schild oder Helm des Gegners zu landen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Das Tjosten begann als ritterliches Kampftraining, entwickelte sich aber immer weiter zur Schau für Volk und Adel im Rahmen der mittelalterlichen Ritterturniere. Der Tjost galt dabei als die Königsdisziplin des Turnieres. Der Sieger eines Tjosts erhielt vom Verlierer die Ausrüstung, also Waffen, Rüstung und Pferd. Aus diesem Grund konnten die Teilnehmer der Tjoste hohe Verluste und ebenso hohe Gewinne erzielen. Als Folge davon gab es Ritter, die von Turnier zu Turnier tingelten, sich durch die erfolgreiche Teilnahme an Tjosten ihren Lebensunterhalt verdienten und zu einem gewissen Reichtum kamen.

Aufgrund der Verletzungsgefahr trotz stumpfer Waffen und spezieller Turnierrüstung wurde das Tjosten von verschiedenen Fürsten und sogar dem Papst zeitweise verboten. Stattdessen wurden andere Formen des Lanzenstechens entwickelt, so waren Wettkämpfe im Ringelstechen bis ins Rokoko gebräuchlich.

Heute findet im Rahmen der alle vier Jahre stattfindenden „Landshuter Hochzeit“ ein echter Tjost statt. Formen des Ringelstechens finden sich bei vielen Mittelalterfesten, zum Beispiel die Quintana in Ascoli Piceno, und im Pferdesport in Formen des Ringreitens wieder.

Regeln

Wurde in der Anfangszeit des Tjostens noch mit wenigen Regeln und teils bis zum Tod gekämpft („a l'Outrance“[1][2]), so wurden die Tjoste zunehmend eingeschränkt und unblutiger. In England wurde etwa im Jahre 1292 das Statutum Armorum erlassen, nachdem Schwerter ohne Spitze zu sein hatten, keine weiteren scharfen Waffen erlaubt waren, und die Lanzen stumpf zu sein hatten - ebenso durfte ein gefallener Gegner nicht weiter attackiert werden und ihm musste die Gegelegenheit gegeben werden, dass seine Knappen ihm aufhalfen. Zuwiderhandlungen wurden mit Verlust von Pferd und Waffen, sowie mit 3 Jahren Kerker und Verhandlung vor dem königlichen Ehrengericht bestraft.[3] Obwohl bei manchen Turnieren die Lanzen mit Sollbruchstellen versehen wurden, das Absitzen mit dem Weiterkampf zu Fuß eingestellt wurde, und nur noch der Sieg nach Punkten angestrebt wurde, so gab es dennoch häufige Verletzungen und einige Todesfälle.

In einer beliebten Tjostvariante musste, um einen Sieg beim Tjost zu erzielen, ein Ritter drei Punkte erreichen. Ein Treffer an Schild und Helm gab einen Punkt. Wenn man den Feind vom Pferde stoßen konnte, so gab es dafür zwei Punkte. Der Tod des Feindes gab drei Punkte und somit den Sieg, allerdings wurde der Tod des Gegners bei diesem Wettkampf nach Punkten nicht beabsichtigt. Gab es weder Treffer noch ein Absatteln des Feindes, gab es keine Punkte. Der Tjost wurde so lange wiederholt, bis die Punktezahl erreicht wurde.

Quellen

Der Tjost wird unter anderem ausführlich und in vielen Wiederholungen in Wolfram von Eschenbachs Roman Parzival beschrieben.

In vielen Ritterfilmen werden Tjoste thematisiert und zum Teil historisch recht genau nachgestellt. Bezüglich der Darstellung der Tjoste sei auf den Film Ritter aus Leidenschaft (A Knight’s Tale, 2001) hingewiesen (ein in anderen Belangen bewusst auf modern getrimmter und historisch nicht allzu ernstzunehmender Ritterfilm). Ebenfalls sehr exakt ist Ivanhoe – Der schwarze Ritter (1952).

Literatur

Josef Fleckenstein (Hrsg.): Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Göttingen 1985

Einzelnachweise

  1. „joust a l'outrance“, by Mark Dennis, The heraldry society of scotland, 2004
  2. „Encyclopedia of traditional British rural sports“, Eintrag zu „Jousting“, von Tony Collins, John Martin, Wray Vamplew, Textausschnitt bei Google Books.
  3. Statutum Armorum, Encyclopædia Britannica Online, Zugriff 4. April 2009

Siehe auch

  • Turnier - ursprünglich vom turnieren (wenden, drehen) der Pferde.
  • Buhurt - mittelalterlicher Kampf von Reitergruppen.
  • Heinrich_II._(Frankreich) - der König starb durch den Lanzensplitter eines Tjost.
  • tent pegging - moderner berittener Wettkampf mit Lanze und anderen Waffen.

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