Landtagswahl in Hessen 1999

Landtagswahl in Hessen 1999
Landtagswahl 1999
(in %) [1]
 %
50
40
30
20
10
0
43,4
39,4
7,2
5,1
2,7
2,2
Sonst.
Gewinne und Verluste
Im Vergleich zu 1995
 %p
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
+4,2
+1,4
-4,0
-2,3
+0,7
± 0,0
Sonst.
Coat of arms of Hesse.svg

Die Wahlen zum 15. Hessischen Landtag fanden am 7. Februar 1999 statt. Obwohl die Forschungsinstitute einen Wahlsieg der rot-grünen Landesregierung sowie ein Hervorgehen der SPD als stärkste Partei vorhergesagt hatten, konnte die CDU mit 43,4 % deutlich zulegen und gegenüber 1995 den Vorsprung vor der SPD ausbauen. Während letztere leichte Stimmengewinne verbuchen konnte, führten die großen Stimmenverluste der GRÜNEN dazu, dass die bisherige Landesregierung ihre Mehrheit verlor. Der FDP gelang mit 5,1 % knapp der Sprung über die 5%-Hürde. Während SPD und FDP bei dieser Wahl jeweils ihr - bei der SPD bis dahin - zweitschlechtestes Landtagswahlergebnis in Hessen erzielten, bedeutete es für die CDU das beste seit 1982.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangssituation

Bei der vorhergehenden Landtagswahl im Jahr 1995 erreichten SPD und Grüne trotz Verlusten des Rot-Grünen Lagers eine Mehrheit der Mandate. Obwohl die SPD bei der Wahl die Mehrheit verlor, konnte die bisherige rot-grüne Koalition mit Ministerpräsident Hans Eichel fortgesetzt werden. Damit hatte sich der Amtsinhaber gegen seinen Herausforderer, den CDU-Spitzenkandidaten und Bundesinnenminister Manfred Kanther, durchgesetzt.

Die Landtagswahl am 19. Februar 1995 brachte folgendes Ergebnis:

Endergebnis 1995
Partei Stimmanteil Sitze
CDU 39,2 % 45
SPD 38,0 % 44
GRÜNE 11,2 % 13
FDP 7,4 % 8

Die Meinungsumfragen vor der Wahl sagten eine klare Bestätigung der Rot-Grünen-Koalition voraus. Prognostiziert wurden Gewinne der SPD und leichte Verluste der CDU.[2]

Partei Polis (30.01.) Forschungsgruppe Wahlen (29.01.) Infratest dimap (28.01.) Forsa (20.01.)
CDU 36 % 39 % 37,5 % 36 %
SPD 41 % 42 % 42 % 40 %
GRÜNE 10 % 8,5 % 10 % 11 %
FDP 8 % 5,5 % 7 % 7 %

Spitzenkandidaten

Die SPD trat mit Ministerpräsident Hans Eichel als Spitzenkandidat an. Gegenkandidat der CDU war Fraktionschef Roland Koch.

Die PDS hatte sich entschieden, zur Wahl nicht anzutreten und rief zur Wahl von Rot-Grün auf. Die Grünen gingen traditionell mit einer Doppelspitze in den Wahlkampf. Priska Hinz und Rupert von Plottnitz führten die Grünen-Liste an. Für die FDP fungierte Ruth Wagner als Spitzenkandidatin.

Antretende Parteien

Folgende Parteien standen landesweit zur Wahl:

In einigen Kreisen traten darüber hinaus an:

  • Arbeitslos
  • Pescheck
  • Schülbe, Hans-Jürgen
  • SAV - Sozialistische Alternative
  • UFFBASSE - Unabhängige Fraktion Freier Bürger - Aufrecht, Spontan, Subkulturell, Eigensinnig
  • W. Ruppert -direkt- - Wolf-Reiner Ruppert

Wahlkampf

Der Wahlkampf wurde insbesondere durch die Debatte um die CDU/CSU-Unterschriftenaktion gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts geprägt. Der Wahlkampf wurde durch dieses Thema durch bundespolitische Einflüsse überlagert (siehe hierzu: Wahlanalyse).

An landespolitischen Themen prangerte die CDU den Unterrichtsausfall an hessischen Schulen an und versprach die Einstellung von 3.000 neuen Lehren und eine Unterrichtsgarantie. Ein zweiter Themenschwerpunkt war die innere Sicherheit. Hier stand die von der Opposition als zu hoch bewertete Zahl der Gefängnisausbrüche im Mittelpunkt.

Amtliches Endergebnis

Seit 1999 Ministerpräsident: Roland Koch

Die Landtagswahl am 7. Februar 1999 brachte folgendes Ergebnis:

Ergebnis der Landtagswahl vom 7. Februar 1999
Partei Stimmanteil Sitze
CDU 43,4 % 50
SPD 39,4 % 46
GRÜNE 7,2 % 8
FDP 5,1 % 6

*) An 100 fehlende Prozent = nicht im Landtag vertretene Parteien

Den nur leichten Gewinnen der SPD standen Zugewinne von 4,2 % durch die CDU gegenüber. Damit erhielten CDU und FDP eine sehr knappe Mehrheit. Neuer Ministerpräsident wurde Roland Koch (CDU).

Wahlprüfung

Das Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag entschied mit Urteil vom 1. Juli 1999 gegen die Einsprüche zur Wahl und erklärte die Wahl für gültig. Am 3. März 2000 beschloss das Wahlprüfungsgericht, das Wahlprüfungsverfahren wieder aufzunehmen (Hinweis: Das Wahlprüfungsgericht ist nicht wie der Name vermuten lässt ein unabhängiges Gericht sondern ein politisches Gremium). Anlass war die CDU-Spendenaffäre. Aus den nicht deklarierten Geldern der CDU waren auch kleine Teile des Wahlkampfes des CDU finanziert worden. Basis der Wiederaufnahme war die Regelung in Artikel 78 Absatz 2 der Hessischen Verfassung, der regelte, dass erhebliche gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, die Wahl ungültig machen. Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Urteil vom 8. Februar 2001[3] die Interpretation klar, worauf das Wahlprüfungsgericht das Verfahren einstellen musste. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Einstellung mit Urteil vom 13. Februar 2002.[4]

Wahlanalyse

Das Ergebnis der Wahlen war nach Analysen von Infratest dimap primär auf bundespolitische Themen zurückzuführen. Infratest schreibt "Die Bevölkerung war mit der wirtschaftlichen Lage und ihrer eigenen finanziellen Situation überwiegend zufrieden, sie gab der SPD in der Regierung gute Noten und schrieb ihr in wichtigen Politikbereichen die größte Kompetenz zu."[5]

Gemäß der Wahltagsbefragung von Infratest war das Thema doppelte Staatsbürgerschaft wahlentscheidend: Fast jeder zweite CDU-Wähler und über 60 Prozent derjenigen, die von einer anderen Partei zur CDU gewechselt sind, gaben an, die Union aus diesem Grund gewählt zu haben.

Infratest stellte fest, dass die Wahl von dem bekannten Muster geprägt sei, dass die Regierungsparteien im Bund bei Landtagswahlen Niederlagen erlitten. Ungewöhnlich in Hessen war, dass es die jeweils kleinen Parteien Grüne und FDP gewesen seien, die Verluste hinnehmen mussten.

Auch wenn die Ausländerpolitik wahlentscheidend war, konnten die Rechtsextremisten nicht von dieser Stimmung profitieren. Mit dazu hat beigetragen, dass die Union in ihrer Unterschriftenaktion "Gegen Doppelstaatsangehörigkeit - Für Integration" bewusst deutlich gemacht hat, dass die Wahlkampagne nicht gegen Ausländer gerichtet sei.

Konsequenzen

Hessen

Die neugebildete CDU-FDP-Regierung setzte insbesondere in der Schulpolitik (Einstellung von 3000 Lehrern im Rahmen der Unterrichtsgarantie), Verkehrspolitik (Staufreies Hessen) und Innenpolitik (verschärfter Strafvollzug, Verstärkung der Polizei) neue Akzente in der hessischen Innenpolitik.[6]

Über Hessen hinaus

Das Wahlergebnis wurde allgemein als Denkzettel für die Bundesregierung Schröder interpretiert. Vor allem der Versuch der Bundesregierung, die Doppelte Staatsangehörigkeit einzuführen, wurde als Ursache für den Wechsel in Hessen bewertet. Die rot-grüne Bundesregierung musste auf die Durchsetzung ihres Vorhaben verzichten und verabschiedete eine deutlich abgeschwächte Version (das sogenannte Optionsmodell).

Als direkte Folge der Wahlergebnisse in Hessen trat Hans Eichel am 12. April die Nachfolge des im März zurückgetretenen Oskar Lafontaine als Finanzminister in der Bundesregierung mit Gerhard Schröder als Kanzler an.

Mit der Wahl in Hessen änderten sich die Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat. Im Bundesrat haben die Länder 69 Stimmen. Vor der Wahl hatte die Länder mit SPD-Alleinregierung (13 Stimmen) und Rot-Grün (18 Stimmen) zwar keine Mehrheit im Bundesrat. Gemeinsam mit den Rot-Rot-regierten Bundesländern (7 Stimmen) verfügte das linke Lager jedoch über eine Mehrheit. Dieser standen 21 Stimmen der von der CDU bzw. von CDU und FDP regierten Länder gegenüber. 12 Stimmen entfielen auf Koalitionen zwischen FDP bzw. CDU und SPD. Nach der Wahl wechselten Hessens fünf Stimmen das Lager. Selbst mit Zustimmung der PDS verfügte Rot-Grün über keine Mehrheit mehr. Ohne die Zustimmung mindestens eines Bundeslandes mit FDP- oder CDU-Regierungsbeteiligung war keine Mehrheit im Bundesrat mehr möglich.


Siehe auch

Literatur

  • Forschungsgruppe Wahlen: Landtagswahl in Hessen. Eine Analyse der Wahl vom 7. Februar 1999, Mannheim 1999.
  • Wolfgang Hecker: Neuwahlen in Hessen? Zur Frage einer erneuten Prüfung der Landtagswahl von 1999 durch das hessische Wahlprüfungsgericht, Darmstadt 2000.
  • Rüdiger Schmitt-Beck: Die hessische Landtagswahl vom 7. Februar 1999. Der Wechsel nach dem Wechsel, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1/2000, S. 3–17.
  • Hans-Joachim Veen: Analyse der Landtagswahl vom 7. Februar 1999 in Hessen, Sankt Augustin 1999, ISBN 3-933714-05-2. (Interne Studien / Konrad-Adenauer-Stiftung, 178)

Einzelnachweise

  1. Landtagswahlen in Hessen 1946 — 2009 Hessisches Statistisches Landesamt
  2. Wahlumfragen, zitiert nach Wahlrecht.de
  3. Urteil Bundesverfassungsgericht vom 8. Februar 2001, 2 BvF 1/00 - (BVerfGE 103, 111 ff.)
  4. Urteil des Staatsgerichtshofes vom 13. Februar 2002
  5. Kurzanalyse von Infratest
  6. Koalitionsvereinbarung 1999

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