Landgang (Biologie)

Landgang (Biologie)
Lebendsbild von Tiktaalik roseae

Als Landgang bezeichnet man die allmähliche Anpassung von aquatischen Lebewesen an eine terrestrische Lebensweise, also den Prozess der Landbesiedelung durch zuvor ausschließlich an ein Leben im Wasser angepasste Organismen. Dieser Vorgang hat sich wiederholt und unabhängig voneinander zugetragen, so zum Beispiel bei Einzellern, Pilzen, Pflanzen, Wirbellosen und Wirbeltieren.

Inhaltsverzeichnis

Pflanzen

Durch fossile Belege relativ gut dokumentiert ist der Landgang der Pflanzen, der von den meisten Forschern heute auf die Zeit vor ca. 480–460 Millionen Jahren (Ordovizium) datiert wird. Als eine der ersten, allerdings bereits gut an das Landleben angepassten Landpflanzen gilt Rhynia gwynne-vaughanii, die vor rund 400 Millionen Jahren im Devon lebte.

Einem Autorenteam der Pennsylvania State University zufolge könnten Grünalgen sowie mit Schlauchpilzen vergesellschaftete Cyanobakterien (also früheste Vorformen der heutigen Flechten) bereits wesentlich früher das Land besiedelt haben: Mit Hilfe molekularbiologischer Schätzungen („molekulare Uhr“) errechneten sie für die Landpflanzen eine Erstbesiedelung vor 700 Millionen Jahren (Cryogenium) und für Grünalgen und Pilze vor einer Milliarde Jahren (Stenium/Tonium).[1] Für diese anhand von Protein-Sequenzen berechneten Schätzungen gibt es allerdings bislang kaum fossile Belege.

Wirbeltiere

Möglicher Formenwandel beim Landgang (von unten nach oben):
Eusthenopteron, Panderichthys, Tiktaalik, Acanthostega, Ichthyostega, Pederpes)

Durch Fossilien gut abgesichert ist hingegen der Landgang der Wirbeltiere (Tetrapoden) während des Devon[2][3][4], also der evolutionäre Übergang von Fischen zu den Vorformen der heutigen Amphibien. Hier kann der Formenwandel (die Phylogenese) u. a. von Tieren ähnlich Gogonasus über Arten, die Eusthenopteron, Panderichthys, Elginerpeton, Metaxygnathus, Tiktaalik und Ventastega ähnelten, zu den frühen Tetrapoden Acanthostega und Ichthyostega anhand gut erhaltener Fundstücke als sehr plausibel gelten.[5] Unklar ist aber bisher, in welchem Abschnitt des Devons dieser Landgang erfolgte; die ältesten Fossilien sind nämlich rund 18 Millionen Jahre jünger als die ältesten, einem tetrapoden Lebewesen zugeschriebenen fossilen Fußspuren, die auf ein Alter von 397 Millionen Jahre datiert wurden.[6] Als Epoche des Landgangs der Tetrapoden wurde im Jahr 2010 in Nature die Zeitspanne vor 416 bis 359 Millionen Jahren benannt.[7] Möglicherweise war die Landbesiedelung durch Wirbeltiere die mittelbare Folge eines Massenaussterbens vor 360 Millionen Jahre: Die überlebenden Arten besiedelten neue Biotope, darunter auch das Festland.[8] Selbstverständlich erfolgte dieser Landgang erst, als es an Land "was zu fressen" gab (Arthropoden - über deren "Landgang" aber noch große Unklarheit herrscht: Merostomata?).

Quellen

  1. Daniel S. Heckmann u. a.: Molecular Evidence of the Early Colonization of Land by Fungi and Plants. In: Science, Band 293, Nr. 5532, 2001, S 1129–1133, doi:10.1126/science.1061457
  2. http://download.till-biskup.de/studium/wirbeltiere1.pdf
  3. http://www.universum-bremen.de/fileadmin/bildung/grips_trips/grips_mythen_08.pdf
  4. http://www.welt.de/print-welt/article639057/Wie_Amphibien_einst_ans_Land_gingen.html
  5. Donald Prothero: What missing link? Reports of huge gaps in the fossil record have been greatly exaggerated. in: New Scientist. London 197.2008, Nr.2645 (1. März), S.35–41. ISSN 0262-4079
  6. Grzegorz Niedźwiedzki et. al.: Tetrapod trackways from the early Middle Devonian period of Poland. In: Nature, Band 463, 2010, S. 43–48, doi:10.1038/nature08623
  7. Philippe Janvier, Gaël Clément: Palaeontology: Muddy tetrapod origins. In: Nature, Band 463, 2010, S. 40–41, doi:10.1038/463040a
  8. Lauren Cole Sallan, Michael I. Coates: End-Devonian extinction and a bottleneck in the early evolution of modern jawed vertebrates. In: PNAS, Band 107, Nr. 22, 2010, S. 10131–10135, doi:10.1073/pnas.0914000107

Siehe auch


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