Landbrücken-Hypothese

Landbrücken-Hypothese

Die Landbrücken-Hypothese war eine wissenschaftliche Theorie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus der Paläogeographie. Sie versuchte die geographische Verteilung von nahe verwandten Pflanzen- und Tierarten auf unterschiedlichen Kontinenten durch hypothetische Landverbindungen zu erklären. Sie gehört zu den vielen Versuchen, die Diskrepanz zu erklären, die aus der heute als Fixismus bezeichneten Annahme, dass die Kontinente der Erde unbeweglich sind, und der Verteilung von Lebewesen auf den verschiedenen Landmassen hervorging. Die Landbrücken-Hypothese und der Fixismus als ganzer sind seit den Erkenntnissen der Plattentektonik als überholt anzusehen.

Inhaltsverzeichnis

Biogeographie

Die Hypothese, dass mehrere Landbrücken etwa zur Kreidezeit vor 130 bis 70 Millionen Jahren heutige Ozeane überspannt haben könnten, entstand im 19. Jahrhundert bei der Untersuchung der geografischen Verteilung von Pflanzen und Tieren. 1847 schlug der Britische Botaniker Joseph Dalton Hooker eine Landbrücke zwischen Australien und Südamerika vor, um die Verbreitung ähnlicher Blütenpflanzen zu erklären. 1867 folgte der Schweizer Zoologe Ludwig Rütimeyer mit einer Untersuchung über die Südhalbkugel, in der er zum Verständnis der rezenten Faunen und verschiedener Fossilien Südamerikas, Südafrikas und Australiens eine großflächige Verbindung unter Einschluss der Antarktis vorschlug. Thomas Henry Huxley forderte 1870 eine Landbrücke über den Nordatlantik, um damit die Verbreitung verwandter Säugetiere zu erklären. Ihm folgte Philip Lutley Sclater, der aus der heutigen Verbreitung der Lemuren auf einen ehemaligen Kontinent Lemuria schloss, der Madagaskar und Indien verbinden sollte.

Hermann von Ihering legte 1890 eine Studie vor, die eine Landbrücke namens Archhelenis zwischen Südafrika und Südamerika forderte, 1927 erweiterte er sein System um eine zusätzliche Verbindung zwischen Nordafrika und Florida sowie den Antillen namens Archatlantis unter Einschluss der Azoren, Kanaren und Kap Verde. Theodor Arldt legte 1922 ein Handbuch der Palaeogeographie vor, in dem er alle vorgeschlagenen Landbrücken zusammenfasste, 1939 wurde die These wohl letztmals vertreten im Atlas de paléobiogéographie von Léonce Joleaud.

Ein früher Gegner der Hypothese war Alfred Russel Wallace, der nach seinen Forschungen in Südostasien 1876 auf die Beständigkeit der Ozeane verwies und die Verbreitung der Arten durch Ausbreitung an Land auch über weite Entfernungen, sowie durch Verfrachtung auf Treibgut über See erklärte.

Geologie

Auch Geologen vertraten ähnliche Thesen. Funde ähnlicher Gesteinsschichten aus dem Übergang zwischen Karbon und Perm in Indien, Australien und Südafrika führten zum Vorschlag eines ehemaligen Kontinents, der den Indischen Ozean ausgefüllt haben sollte. Diese Theorie wurde mit der Kontraktionstheorie in Verbindung gebracht, nach der die Erde schrumpft, Gebirge als Falten aufwirft und Kontinente versinken. Eduard Suess präsentierte diese Thesen 1885 als geschlossenes Lehrgebäude.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die diesbezüglichen Hypothesen von der Geologie zunehmend abgelehnt.

Plattentektonik und Evolutionsbiologie

Der Urkontinent Gondwana und die Verteilung von Fossilien.

Die Erkenntnisse der Plattentektonik, vorgelegt von Alfred Wegener erstmals 1912, haben die Landbrücken-Hypothese endgültig widerlegen können. Weitere Erklärungen bietet die Evolutionsbiologie. Die geologischen Übereinstimmungen erklären sich durch das Aufbrechen der Urkontinente Gondwana und Laurasia sowie die Kontinentaldrift, die Bewegung von ehemals zusammenhängenden tektonischen Platten. Die biologischen Übereinstimmungen sind teilweise durch Konvergente Evolution statt durch Verwandtschaft zu erklären.

Literatur

  • P. J. Darlington, Jr., Was there an Archatlantis? in: The American Naturalist, Vol. 72, No. 743 (Nov. - Dec., 1938), pp. 521-533
  • Joachim Illies, Die Wegenersche Kontinentalverschiebungstheorie im Lichte der modernen Biogeographie, in: Naturwissenschaften, Jahrgang 52, Ausgabe 18 / Januar 1965, S. 505-511, doi:10.1007/BF00638342

Einzelnachweise


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