Anna Komnene

Anna Komnene

Anna Komnena (griechisch Anna Komniní Ἄννα Κομνηνή, * 2. Dezember 1083 in Konstantinopel; † ca. 1154) war eine byzantinische Historikerin und das älteste von sieben Kindern des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos und seiner Frau Irene Dukaina, Tochter des Caesars Andronikos.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Anna wurde in der Porphyra des kaiserlichen Palastes geboren und trug daher den Beinamen Porphyrogenneta. Als Kind wurde sie mit dem damals siebenjährigen Mitkaiser und Thronerben Konstantin Dukas Porphyrogennetos verlobt, dem Sohn Michaels VII. (1071–1078), der von Anna als sehr schönes Kind beschrieben wird. Er war davor bereits mit Helena, der Tochter Robert Guiscards von Sizilien, verlobt gewesen. Anna lebte daraufhin bei ihrer künftigen Schwiegermutter, der Kaiserin Maria von Alanien, der von einigen Historikern eine Affäre mit Alexios I. zugeschrieben wird. 1092 ernannte Alexios jedoch Annas Bruder Kaloioannes (der „schöne Johannes“) zum Thronfolger, gegen den sie in der Folge eine lebhafte Abneigung empfand. Konstantin zog sich auf seine Güter bei Serres zurück, wo er 1097 starb. Durch die Verschwörung des Nikephoros Diogenes (1094), in die wohl auch Maria eingeweiht war, hatte Konstantin jede Chance auf den Thron verloren, obwohl Gerüchten zufolge er selbst den Kaiser von den Plänen, ihn zu ermorden, informiert hatte.

Anna heiratete nach seinem Tode, den Wünschen ihrer Eltern entsprechend, 1097 den Caesar Nikephoros Bryennios, Sohn oder Enkel des Thronprätendenten gleichen Namens. Sie selbst hätte es vorgezogen, ledig zu bleiben. Anna interessierte sich sehr für die Naturwissenschaften und hatte außer dem Quadrivium (Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik) auch Medizin studiert. Sie schrieb auch ein Traktat über Gicht und leitete ein Krankenhaus in Konstantinopel. Anna studierte zudem Philosophie und war eine Anhängerin des christlichen Aristotelismus, der neuplatonische Züge trug. So ging „eine bemerkenswerte Blüte des Aristotelismus von einem philosophischen Zirkel aus, den die vom politischen Leben ausgeschlossene Kaisertochter Anna Komnene unterhielt“.

1118 versuchte Anna zusammen mit ihrer Mutter, den Kaiser auf seinem Sterbebett zu überreden, seinen Sohn Kaloioannes (1118–1143) zu enterben und stattdessen die Nachfolge auf Annas Gemahl zu übertragen. Doch Alexios, fest entschlossen, Johannes zum Nachfolger zu machen, ließ dem Sohn seinen Siegelring heimlich zukommen. Nach anderen Quellen drang Johannes mit seinem Bruder Isaak heimlich in den Manganapalast ein und entwendete den Ring. Nach dem Tode von Alexios, vielleicht an einer Lungenentzündung, sicherte sich Johannes jedenfalls den Palast, ließ sich von Heer und Senat zum Kaiser ausrufen und vom Patriarchen von Konstantinopel, Niketas II. Muntanes, bestätigen.

Anna und ihre Mutter Irene verschworen sich danach im selben Jahr mit dem Ziel, Annas Gatten Nikephoros auf den Thron zu bringen. Die Verschwörung wurde jedoch aufgedeckt, möglicherweise sogar durch Nikephoros selbst, der keine Lust verspürte, Kaiser zu werden. Die Beteiligten kamen mit leichten Strafen davon. Ihre Besitzungen wurden eingezogen, Irene und Anna ins Kloster verbannt, wo Irene 1123 starb. Bei dem Kloster könnte es sich um das Konvent von Théotokos Kéchairôtoménè gehandelt haben, das Irene selbst gegründet hatte. Anna widmete sich nun, wie ihr Mann, der Geschichtsschreibung. Sie scheint auf Anordnung ihres Bruders unter Überwachung gestanden zu haben und war allem Anschein nach verbittert über den Fehlschlag ihrer politischen Ambitionen.

Nikephoros starb 1137 in Konstantinopel an einer Verwundung, die er sich auf einem Feldzug nach Syrien und Kilikien zugezogen hatte, ohne das Geschichtswerk zu beenden, das er unterwegs begonnen hatte. Wann Anna starb, ist nicht genau bekannt. Meist werden 1153 oder 1154 genannt.

Werk

Inhalt

In ihrem Geschichtswerk, der nach 1137 und bis mindestens 1148 verfassten Alexiade, schildert die hochgebildete Anna in 15 Büchern den Werdegang ihres Vaters Alexios, genauer gesagt die Jahre von 1069 bis 1118. Es stellt außerdem eine Ergänzung zum Werk ihres Mannes Nikephoros dar (Hyle Historias), der die Zeit von Romanus IV. Diogenes bis Nikephoros Botaniates beschrieben hatte, sein Werk aber wegen seiner Verwundung und Tod nicht fertigstellen konnte. Anna zeichnete Porträts der wichtigsten Teilnehmer des ersten Kreuzzugs, wie etwa Bohemund I. von Tarent und Graf Raimund IV. von Toulouse.

Quellen

Anna selbst gibt an, eine Reihe von Ereignissen selbst miterlebt zu haben und sich auf die Darstellungen von Kriegsteilnehmern, die den Kaiser auf seinen Feldzügen begleitet hatten, stützen zu können. Sie hatte Zugang zu zahlreichen Augenzeugen, etwa dem General Tatikios, ihrem Onkel Georgios Palaeologus, ihrem Vetter Johannes Komnenus, dem Statthalter von Dyrrachium und dem Onkel Johannes Dukas. Auch Konstantin Euphorbenos Katakalon, Marianus Maurokatalon, Manuel Botumides und Konstantin Opos haben vielleicht Berichte beigetragen.

Wertung

Für die Geschichtswissenschaft stellt die Alexiade eine der wichtigsten Quellen der Kreuzzüge aus der Perspektive der Byzantiner dar. Ihre Darstellung ist damit ein wichtiges Korrektiv der fränkischen Quellen. Allerdings ist sie gegenüber den Teilnehmern des Kreuzzugs nicht immer objektiv. Die Darstellung ihres Vaters ist teilweise positiv überzeichnet, die Franken gelten ihr durchgehend als heimtückisch und verräterisch. Sie gibt selten direkte Jahreszahlen an, manchmal ist die Chronologie offensichtlich irrig, und die geographischen Angaben sind vage. Edward Gibbon hielt ihr Werk für gänzlich wertlos, der "bewundernde und mit Vorurteilen behaftete Bericht einer liebenden Tochter", bei dem "jede Seite die Eitelkeit des weiblichen Autors verrät", panegyrisch und voll affektierter Gelehrsamkeit. Man warf ihr Lücken in der Darstellung, etwa bei der Ankunft der Kreuzfahrer in Byzanz und der Belagerung von Antiochia, vor. Andere Autoren behaupten dagegen, eine solche Darstellung könne unmöglich von einer Frau stammen und möchten das gesamte Werk Nikephoros zuweisen. P. Frankopan (2004, 70) kommentiert, dass es weniger die Alexiade, als die Kommentare über den Text seien, die befangen und mit Vorurteilen behaftet seien.

Einflüsse

Anna Komnenas Geschichtswerk ist, ganz ihrer Bildung verpflichtet, stark an antike Vorbilder angelehnt (Zitate von Homer, Herodot, Thukydides, Sophokles, Platon, Aristoteles, Polybios, Johannes von Epiphaneia u.v.a.). Ihr Stil, mit zahlreichen direkten wertenden Kommentaren, ähnelt stark dem von Michael Psellos.

Wie Steven Runciman, einer der bedeutendsten Kreuzzugshistoriker der Neuzeit, es ausdrückt "gibt sie klar zu verstehen, dass sie bei allem tiefreichendem Interesse für militärische Fragen und bei aller Wertschätzung der kriegerischen Erfolge ihres Vaters doch den Krieg für etwas durchaus Schändliches hielt, für ein letztes Auskunftsmittel, wenn alles andere versagte".

Nachkommen

Anna und Nikephoros hatten vier Kinder:

  • Alexios Bryennios Komnenos
  • Johannes Dukas
  • Irene Dukaina
  • weitere Tochter

Literatur

Übersetzungen
  • Anna Komnene: Alexias. Übers., eingel. und mit Anm. vers. von Diether Roderich Reinsch. DuMont, Köln 1996 (2 Aufl.). ISBN 3-7701-3492-3
Sekundärliteratur
  • Peter Frankopan: Perception and projection of prejudice. Anna Comnena, the Alexiad and the First Crusade. In: Susan B. Edgington, Sarah Lambert (Hrsg.): Gendering the crusades. University of Wales Press, Cardiff 2001, S.45-59, Columbia University Press, New York 2002. ISBN 0-231-12598-4

Weblinks


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