Anlagebuch

Anlagebuch

Im Anlagebuch (Bankbuch) werden sämtliche Bankgeschäfte eines Kreditinstituts verbucht, die nicht dem Handelsbuch zuzurechnen sind. Anlage- und Handelsbuch sind bankaufsichtsrechtliche Begriffe mit komplementärer Abgrenzung.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgrundlage

Diese Ausschlussdefinition des §§ 1a Abs. 2 KWG verlangt eine negative Abgrenzung und verweist auf die Definition des Begriffs Handelsbuch in § 1a Abs. 1 KWG, um die dort nicht aufgezählten Geschäftsarten dann zum Bestandteil des Anlagebuchs zu erheben. Handelsbuchpositionen werden jedenfalls allgemein zum Zwecke des kurzfristigen Wiederverkaufs unter Ausnutzung von Preis- und Zinsschwankungen gehalten, wenn sie handelbar sind und entweder mit Handelsabsicht oder zur Absicherung anderer Bestandteile des Handelsbuchs gehalten werden.

Inhalt des Anlagebuchs

Das Anlagebuch ist gemäß § 1a Abs. 2 KWG eine Residualgröße. Ihm sind alle Geschäfte und Bestände zuzuordnen, die nicht zum Handelsbuch gehören. Das Handelsbuch und das Anlagebuch müssen sich jederzeit zweifelsfrei identifizieren lassen. Deshalb muss auch im Rechnungswesen die Kennzeichnung oder zumindest die jederzeitige Ermittelbarkeit der bilanziellen und außerbilanziellen Handelsbuchpositionen gewährleistet sein. Dem Anlagebuch sind deshalb jene Positionen zuzuordnen, bei denen keine kurzfristigen Preis- oder Zinsschwankungen ausgenutzt werden und die von ihrer Konstruktion und Marktfähigkeit her nicht handelbar sind. Zu nennen sind hier insbesondere[1]:

  • Kredite des traditionellen Kreditgeschäfts,
  • sonstige, nicht üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelte Forderungen,
  • (längerfristige) Schuldscheingeschäfte, die nicht zwecks Ausnutzung kurzfristiger Preisunterschiede abgeschlossen und nicht kurzfristig im Wege der Abtretung weiter übertragen werden,
  • Wertpapiere der Liquiditätsreserve nach § 340f Abs. 1 Satz 1 HGB und
  • Wertpapiere, die wie Anlagevermögen behandelt werden nach § 340c Abs. 2 HGB.
  • Sach- und Finanzanlagen[2]

Kundengeschäfte, bei denen der Dienstleistungsaspekt im Vordergrund steht, sind im Regelfall dem Anlagebuch zuzurechnen. Kundengeschäfte sind jedoch dann in das Handelsbuch umzuwidmen, wenn sie nicht spätestens zum Geschäftsschluss glattgestellt worden sind. Wird die so entstandene Marktrisikoposition durch ein Absicherungsgeschäft partiell oder vollständig geschlossen, so wird dies bankaufsichtsrechtlich einem Wiederverkauf gleichgestellt und wie eine Glattstellung gewertet[3]. Die Umwidmung von Kundengeschäften ins Handelsbuch ist insbesondere dann vorzunehmen, wenn mit diesen Kundengeschäften spekulative Zwecke zumindest mitverfolgt werden.

Abgrenzung zum Handelsbuch

Für bilanzierende Nichtbanken gelten handelsrechtliche Regelungen, die eine Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen vorschreiben. Interessanterweise geht das HGB dabei von einem genau umgekehrten Ausschlussprinzip aus. Im Umkehrschluss zur Definition des Anlagevermögens in § 247 HGB sind demnach im Umlaufvermögen die Vermögensgegenstände auszuweisen, die nicht dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb als Anlagevermögen zu dienen. Nach dem Gliederungsschema in § 266 HGB gehören zum Umlaufvermögen folgende vier Posten:

  • Vorräte
  • Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
  • Wertpapiere (soweit keine Finanzanlagen)
  • Zahlungsmittelbestand.

Danach gehören die Vermögensgegenstände mit einem dauernden Nutzungszweck (§ 247 HGB) zum Anlagevermögen, während bei Kreditinstituten die handelsrechtlichen Kriterien, die für die Abgrenzung der Wertpapiere, handelbaren Forderungen und Anteile des Handelsbestandes gelten, den Kriterien für die Abgrenzung des Handelsbuches nach § 1a Abs. 1 KWG ähnlich sind; die objektive Interessenlage ist bei beiden Regelungskreisen weitgehend identisch. Damit wird vermieden, die Kreditinstitute bankaufsichtrechtlich mit einer zusätzlichen „Schattenbilanzierung“ zu belasten, soweit nicht folgende Ausnahmen vorliegen:

  • das Kreditinstitut kann nach Ermessen - auch für die Wertpapiere der Liquiditätsreserve - eine von dem handelsrechtlichen Ansatz abweichende Zuordnung vornehmen, wenn es hierfür plausible, objektiv nachweisbare Gründe gibt;
  • eine von dem handelsrechtlichen Ansatz abweichende Zuordnung nach dem KWG ist - ohne Ermessen des Instituts - geboten, wenn bankaufsichtliche Gründe im Einzelfall eine abweichende Wertung verlangen. Die von dem Institut getroffene Zuordnung ist jedoch solange maßgeblich, bis das BAFin sie im Einzelfall beanstandet oder eine anderweitige Entscheidung allgemein verlautbart.

Im Übrigen ist von einem Gleichlauf zwischen dem Anlagevermögen im Sinne des HGB und dem Anlagebuch im Sinne des KWG auszugehen, auch wenn die Absicht der kurzfristigen Weiterveräußerung keine gesetzliche Voraussetzung für die Zuordnung zum Handelsbestand nach § 340c Abs. 1 HGB ist.

Im Bankbuch, aber auch im Handelsbuch, bestehen Abwicklungsrisiken. Hierunter versteht das Gesetz (§ 4 Abs. 2 Satz 4 SolvV) die nach Ablauf eines Erfüllungszeitpunktes beiderseitig nicht erfüllten Geschäfte, aus denen Wertveränderungen der gehandelten Finanzinstrumente resultieren können. Anders als bei Vorleistungsrisiken, die nur im Handelsbuch zu berücksichtigen sind, wurden bei Abwicklungsrisiken die Geschäfte von beiden Vertragspartnern zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht erfüllt. Daraus können Wertveränderungen der gehandelten Finanzinstrumente resultieren, aus denen ein Verlustpotenzial auch im Anlagebuch entstehen kann.

Trennung von Anlage- und Handelsbuch

Das Handelsbuch und das Anlagebuch müssen sich jederzeit zweifelsfrei identifizieren lassen und sind deshalb getrennt voneinander zu führen. Aus diesem Grund muss auch im Rechnungswesen die Kennzeichnung oder zumindest die jederzeitige Ermittelbarkeit der bilanziellen und außerbilanziellen Handelsbuchpositionen gewährleistet sein. Ein Nichthandelsinstitut hat trotzdem ein Handelsbuch zu führen, das aber keinen Bestand ausweisen darf.

Nichthandelsbuchinstitut

Ein Nichthandelsbuchinstitut im Sinne von § 1a in Verbindung mit § 2 Abs. 11 KWG strebt keine Erzielung von kurzfristigen Eigenhandelserfolgen im Sinne des § 340 c Abs. 1 HGB an. Bei diesen Instituten sind alle Bestände ausnahmslos dem Anlagebuch zugeordnet, und ein Handelsbuch wird ohne Bestand geführt. Die Anforderungen zur Unterlegung von Marktpreisrisikopositionen des Handelsbuchs nach §§ 294 ff. SolvV treffen somit für diese Institutsgruppe nicht zu.

Umwidmungen

Umwidmungen sind die Übertragung von Positionen des Handelsbuches in das Anlagebuch oder umgekehrt. Eine Umwidmung von Positionen des Handelsbuchs in das Anlagebuch oder von Positionen des Anlagebuchs in das Handelsbuch ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Zurechnung der entsprechenden Position zum Handelsbuch oder zum Anlagebuch entfallen sind. Ansonsten darf eine Umwidmung von Positionen des Handelsbuchs in das Anlagebuch oder umgekehrt nur dann erfolgen, wenn für die Umwidmung ein schlüssiger Grund vorliegt (§ 1a Abs. 4 KWG). Die restriktive aufsichtsrechtliche Behandlung von Umwidmungen soll verhindern, dass Kreditinstitute willkürlich zwecks Ausnutzung von Gestaltungsspielräumen hiervon Gebrauch machen.

Ausnahmeregelung

Nach IAS 39.50 dürfen seit Oktober 2008 auch Wertpapiere – allerdings nur unter außergewöhnlichen Umständen - vom Handelsbestand in das Anlagebuch übertragen (ungewidmet) werden. Dabei wird die derzeitige Finanzkrise als Ausnahmezustand definiert. Entscheidend ist, zu welchem Wert Banken Wertpapiere aus dem Handelsbestand umwidmen dürfen. Handelsrechtlich gilt seit April 2009 die durch § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB eingeführte Zeitwertbilanzierung für zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente. Die neu eingeführte Bestimmung stellt in der handelsrechtlichen Bilanzierung einen Ansatz dar, der erstmals zu einer Durchbrechung des Anschaffungswertprinzips im Einzelabschluss führt. Dies hat zur Folge, dass die international immer stärker an Bedeutung gewinnende Fair Value-Bilanzierung nunmehr auch im Rahmen der Zugangsbewertung des handelsrechtlichen Einzelabschlusses zu berücksichtigen ist. § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB verlangt die Zugangsbewertung von Finanzinstrumenten zu Anschaffungskosten und verpflichtet zu einer Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert. Dadurch verlieren bewährte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (das Vorsichtsprinzip sowie das hieraus ableitbare Imparitätsprinzip) in der handelsrechtlichen Bilanz erheblich an Bedeutung. Das kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass nun auch nicht realisierte Gewinne erfolgswirksam erfasst werden müssen, die noch nicht vereinnahmt wurden. Zudem werden mit dem BilMoG zukünftig auch Derivate zu aktivieren sein, obwohl sie an sich schwebende Geschäfte darstellen und somit im handelsrechtlichen Jahresabschluss bisher nicht berücksichtigt werden durften. Die Umwidmung muss nach § 35 Abs. 1 RechKredV im Anhang angegeben und begründet werden.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Coopers & Lybrand Deutsche Revision 1998, S. 78
  2. Büschgen, Aufsichtsrecht
  3. BaKred-Rundschreiben 17/99 vom 8. Dezember 1999, S. 9


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