- Künstliche Ruine
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Künstliche Ruinen wurden zunächst als Staffagebauten im englischen Landschaftsgarten, so genannte Follies, später auch als Aussichtstürme in der offenen Landschaft errichtet. Sie sind stimmungssteigernde Elemente, die Gefühle der Erhabenheit und Einsamkeit erzeugen sollen, vor allem jedoch an die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke erinnern.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wandte man sich auch im deutschsprachigen Raum ab vom nun als langweilig erachteten, rationalen Barockpark hin zum emotionalen Landschaftspark. Mit der Einführung freier Gartengestaltung wurden nicht nur „dramatische“ Elemente wie künstliche Grotten, Wasserfälle und Teufelsbrücken errichtet, sondern auch altertümliche Bauwerke (Burgen, Türme, Tempel, auch Aquädukte) in unterschiedlichen Stadien des Verfalls nachgebaut.
Mit dem Einfluss des erstarkenden Bürgertums hielten die künstlichen Ruinen im Zeitalter der Romantik Einzug in die Landschaft, häufig als neugotische Nachbildungen verfallender mittelalterlicher Burgen. Im Zuge der Naturbegeisterung wurden diese Bauwerke nun nicht mehr als vorwiegend private, zweckfreie ästhetische Elemente, sondern als Aussichtstürme an landschaftlich herausragenden Stellen dem Volk gestiftet - anfangs von einzelnen Mäzenen, später von Bürgervereinen und ähnlichen Körperschaften. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden an nahezu jeder sich anbietenden örtlichen Gegebenheit Türme und Türmchen, einige in der Anmutung künstlicher Ruinen.
Beispiele für künstliche Ruinen
Vorgängerbauten
Name des Bauwerkes Ort Baubeginn Nymphaeum von Donato Bramante Genazzano,
ItalienAnfang 16. Jahrhundert; quasi der „Prototyp“ der künstlichen Ruine Magdalenenklause Schlosspark Nymphenburg,
München1725; ebenfalls „Vorläufer“ 18. Jahrhundert
19. Jahrhundert
Name des Bauwerkes Ort Baubeginn Ruine im Schlosspark (heute zum Teil Stadtpark) Schlosspark Teublitz,
TeublitzAlter umstritten; um 1800 erfolgte aber wohl zumindest ein Umbau von möglicherweise bereits vorhandenen Überresten einer Burg oder eines Schlosses aus dem 13. Jahrhundert Künstliche Ruinen Heidecksburg 1800 Ruine Hanselburg Loosdorf (Gemeinde Fallbach) 1800 Grabpyramide des Prinzen Heinrich Schlosspark Rheinsberg,
Rheinsberg1800-1801 Burg Janův Hrad (Hansenburg) Lednice,
Tschechien1801 Ruineninsel Bagno,
Burgsteinfurt1805 Mosburg Schlosspark Biebrich,
Wiesbaden-Biebrich1806 Schwarzer Turm Mödling,
Niederösterreich1810 Amphitheater,
Ruine RauchkogelMaria Enzersdorf,
Niederösterreich1810 Burgruine Salon Březina u Rokycan,
Tschechien1810 Husarentempel Anninger,
Mödling,
Niederösterreich1811 Köhlerhausruine Naturpark Sparbach,
Niederösterreichca. 1812 Sporn des Weinbergs Bad Freienwalde 1821 Türkensturz Seebenstein,
Niederösterreich1824 Haldimand-Turm Lausanne,
Schweiz1825 Mäuseturm Radebeul 1837/1840 Kippenburg Aschaffenburg 1839/1840 Ruine Jägerberg Jägerberg,
Radebeul1852 Burg Schwarzenbach bei Goßdorf-Kohlmühle 1858 Burg Schwarzenstein Geisenheim 1873 Theresienstein Bürgerpark,
Hof (Saale)1877 ff. Bilsteinturm Marsberg,
Westfalen1880 Banter Ruine Banter See,
Wilhelmshaven1889 als künstliche Ruine verkleidete Wirtschaftsgebäude des Schlosses, welche außerdem ein Wasser- und später ein kleines E-Werk beherbergte (Bildmitte) Schloss Reichartshausen, Oestrich-Winkel 1889-1902 Portikus Bürgerpark,
Braunschweig1896 Schloss Břeclav,
Tschechien19. Jahrhundert 20. Jahrhundert
Name des Bauwerkes Ort Baubeginn Aussichtsturm Derschlag 1904 Reppiner Burg Schwerin 1907 Meerhardtturm Gummersbach-Dieringhausen 1908 Siehe auch
Literatur
- Andrea M. Kluxen: Die Ruinen-'Theater' der Wilhelmine von Bayreuth, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, Bd. 67, 1987, S. 187-255
- Reinhold Zimmermann: Künstliche Ruinen, Reichert-Verlag 1989, ISBN 978-3-88226-435-7
Weblinks
Commons: Künstliche Ruine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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