Königreich Tungning

Königreich Tungning

Die Geschichte Taiwans:

Inhaltsverzeichnis

Frühe Geschichte

Die ersten Siedlungsspuren auf Taiwan stammen aus der Jungsteinzeit (etwa um 4000 v. Chr.), eine weitere Siedlungswelle vom chinesischen Festland her zeigte sich ca. um 2500 v. Chr.. Diese Periode war gekennzeichnet durch Ackerbau und eine Megalithkultur, die Steine aufstellte und Gräber aus Steinkisten herstellte. Die darauf folgende so genannte geometrische Periode trat auf dem Festland bereits ab ca. 1500 v. Chr., auf Taiwan hingegen erst ab 500 v. Chr. auf. Die geometrische Kultur wurde auf dem Festland um 700 v. Chr. von den von Osten her eindringenden Chou-Chinesen verdrängt und brachte die Eisenverarbeitung nach Taiwan. In den Jahren von 200 v. Chr. bis ungefähr 200 nach Christus immigrierten in mehreren Wellen von der Han-Dynastie verdrängte Menschen auf die Insel.

Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Taiwan die Urheimat der Polynesier war. Besonders auffällig ist die sprachliche und genetische Verwandtschaft der Polynesier mit den indigenen Völkern Taiwans. Möglicherweise wurde der Exodus der Vorfahren der Polynesier durch die Einwanderungen vom chinesischen Festland ausgelöst - was nicht bewiesen ist, aber chronologisch stimmig wäre.

Noch während der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends boten die Kulturen auf dem chinesischen Festland und auf den diesem vorgelagerten Inseln ein kulturell und linguistisch ähnliches Bild. Nach der Sinisierung durch die Han-Dynastie gab es über längere Zeit keine kulturelle Verbindung mehr zwischen Taiwan und China. Die indigenen Völker Taiwans pflegten jedoch Handelsbeziehungen in Richtung Süden, z. B. mit den Philippinen.

Erste Besiedlung durch China

Während der Sui-Dynastie, im Jahr 608, fand erstmal eine geschichtlich belegte chinesische Handelsexpedition nach Taiwan statt, welches damals Hsiao Liuchiu (chin. 小琉球, Xiǎo Liúqiú „kleine Edelstein Insel“) hieß: Sie drang militärisch in die Westküste der Insel ein, plünderte die dort angetroffenen Dörfer und verschleppte die Einheimischen, welche in die Berge und steinige Westküste flohen. Der Minnan-Dialekt wurde in dieser Zeit stark geprägt, aus dem sich das heutige Taiwanisch entwickelte. Solche Expeditionen fanden in unregelmäßigen Abständen immer wieder statt, bis die Chinesen im 12. Jahrhundert anfingen, sich selbst auf Taiwan niederzulassen und Handelsstationen zu gründen. 1367 wurden die westlich von Taiwan gelegenen Pescadoren von der Ming-Dynastie ins Chinesische Reich integriert und zu einem Teil der Provinz Fujian gemacht. In dieser Zeit kam auch ein kleiner aber beständiger Strom von Hakkas aus der nördlichen Henan Provinz, welche aufgrund ethnischer Verfolgungen durch die Provinzen Guangdong und Fujian flohen, um sich u.a. in Taiwan niederzulassen.

Europäische Mächte in Taiwan

Eine Karte von Formosa, etwa 1640
Fort Zeelandia, etwa 1635

Im Jahr 1517 entdeckten die Portugiesen die Insel, welche sie Ilha Formosa tauften - die schöne Insel. 1624 besetzten dann niederländische Seefahrer und die Niederländische Ostindien-Kompanie den Süden der Insel und machten Tainan zur Hauptstadt. 1626 eroberten Spanier den Norden und gründeten Niederlassungen bei Keelung und Danshui, wurden aber 1641 von den Niederländern wieder verdrängt. Der Einfluss der niederländischen Kolonialverwaltung auf die Kultur der indigenen Völker war verheerend: durch die Einsetzung von Häuptlingen in den mehr oder weniger herrschaftsfreien Kulturen wurden die Stammesstrukturen verändert, durch die christliche Missionierung die mythologischen Vorstellungen und traditionellen Lebensformen umgekehrt. Es entstanden neue Verhaltens- und Denknormen, neue Dorfstrukturen und neue Herrschaftsstrukturen. Zwischen 1624 und 1644 gab es weitere Einwanderungswellen von Han-Chinesen.

Königreich Tungning

Als die Mandschu auf dem chinesischen Festland immer weiter vordrangen und sich das Ende der Ming-Dynastie abzeichnete, floh der Ming-Loyalist Zheng Chenggong mit 35.000 Soldaten in 400 Dschunken nach Taiwan. Dort hoffte er eine neue Ausgangsbasis für die Rückeroberung Chinas aufbauen zu können. Seine Truppen belagerten 9 Monate lang das Holländische Fort, das 1662 kapitulierte und die Kolonialzeit der Niederländer in Taiwan beendete.

Taiwan während der Qing-Dynastie

Die Ming-Loyalisten wurden jedoch 1682 von der Mandschu-Dynastie vertrieben. Diese Herrscher aus der Mandschurei stellten die Insel erstmals unter die Kontrolle Festland-Chinas und gaben ihr 1687 den Status einer Provinz und zu einem wenig beachteten Teil Chinas mit einer Bevölkerung von 2.5 Mio Einwohner.

Die durch die Europäer begonnene Zivilisierung der indigenen Völker wurde durch die Chinesen weitergeführt. 1734 wurden 50 Schulen eingerichtet, in denen die Kinder in chinesischer Sprache und Kultur unterrichtet wurden. 1758 wurde ein Gesetz erlassen, das die Bewohner Taiwans zwang, mandschurische Haartrachten und chinesische Kleidung zu tragen und chinesische Namen anzunehmen. Die Han-Chinesen sinisierten vor allem die Volksstämme in den flachen Gebieten der Insel, die als aggressiv geltenden Bergstämme mit ihrer traditionellen Kopfjäger-Kultur blieben unter Chinesischer Herrschaft mehr oder weniger unberührt. Unter den Chinesen wurde Buddhismus und Konfuzianismus eingeführt und verdrängte wieder das von den Holländern verbreitete Christentum stark.

Nachdem einheimische Paiwan im Jahre 1871 54 schiffbrüchige Händler von Okinawa enthauptet hatten, führte Japan 1874 eine Strafexpedition in Taiwan mit 3.600 Mann durch, dieser Zwischenfall ist auf japanischer Seite als Taiwan-Expedition, auf taiwanischer Seite als Mudan-Zwischenfall bekannt.

Taiwan als japanische Kolonie

Hauptartikel: Taiwan unter japanischer Herrschaft

Flagge der Republik Formosa
Häuptling der Rukai bei einem Besuch in der Anthropologischen Abteilung der kaiserlichen Universität Tokyos

Nach dem Ende des ersten chinesisch-japanischen Krieges 1894/95 musste China die Insel im Vertrag von Shimonoseki an Japan abtreten. Die gegen den Vertrag protestierende Bevölkerung gründete mit der „Demokratischen Nation Taiwan“ eine unabhängige, Qing loyale Republik. Die Japaner schlugen diese erste Republik nach 184 Tagen nieder und begannen eine 50-jährige Kolonialherrschaft (1895-1945). Sie verfolgten eine systematische wirtschaftliche Erschließung Taiwans.

Die japanische Kolonialverwaltung brachte auch die Bergstämme unter ihre Kontrolle und richtete Schulen und eine Art Polizeistationen in ihren Dörfern ein. Obwohl die Japaner ethnologische und anthropologische Untersuchungen bei den Wilden durchführen ließen, griffen sie mit dem Verbot der Kopfjagd und des Schamanismus sowie Umsiedlungen tief in die Kultur dieser Stämme ein und veränderten dadurch natürlich die kulturelle Praxis. Die japanische Kolonialverwaltung versuchte ihrerseits, den Shintō einzuführen. Sie zwangen die eroberten Völker zu einer ordnungsgemäßen Lebensweise. Straßen und Eisenbahnen wurden gebaut, um das Land besser zu erschließen. Trotz all dieser Anstrengungen kam es bis in die 1930er Jahre immer wieder zu blutigen Aufständen der Stämme und als Antwort darauf Massaker durch Japaner oder Chinesen an der einheimischen Bevölkerung. Die Kolonialverwaltung ging schließlich zu einem System mit stacheldrahtumzäunten Reservationen über. Während des Zweiten Weltkrieges wurden Männer der indigenen Stämme Taiwans (insbesondere der Amis) in die japanische Armee eingezogen, zudem diente die Insel als Ziel für alliierte Bombenangriffe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Feier zur Rückerlangung Taiwans

Während des Zweiten Weltkrieges kündigte die Kuomintang alle Verträge mit Japan auf und die Rückeroberung Taiwans wurde ein Kriegsziel. Auf der Konferenz von Kairo 1943 wurde die Rückgabe Taiwans an China auch eine Forderung der Alliierten.

Nach der Kapitulation Japans besetzten Kuomintang-Truppen die Insel. Da Taiwan unter japanischer Herrschaft einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, waren die Lebensbedingungen besser als auf dem Festland. Dies und die Tatsache, dass die Taiwaner in der japanischen Armee gekämpft hatten, sorgte unter der Kuomintang-Verwaltung für Willkür. Japanische Besitztümer wurden beschlagnahmt und aufs Festland geschafft; die Verwaltung war korrupt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechterten sich dramatisch, so dass sich ein reger Schwarzmarkthandel auf der Insel entwickelte, dem die Kuomintang mit der Einrichtung eines Monopolamtes begegnete.

Zwischenfall vom 28. Februar

Hauptartikel: Zwischenfall vom 28. Februar

Aufgebrachte Taiwaner stürmen während des Zwischenfalls vom 28. Februar das Büro des Monopolamtes

Nachdem am Abend des 27. Februars 1947 zwei Beamten des Monopolamtes eine Straßenverkäuferin zusammenschlugen, kam es zu einem Menschenauflauf. Die Beamten schossen in die Menge und töteten einen Taiwaner. Am darauf folgenden Tag kam es zu einem Aufstand in Taiwan. Das Kriegsrecht wurde verhängt und dauerte bis 1987 an. Der taiwanischen Bevölkerung gelang es, die Kontrolle über die Insel zu gewinnen und eine Selbstverwaltung zu organisieren. Truppen der Kuomintang, die vom Festland kamen, schlugen jedoch nach einigen Wochen den Aufstand nieder und es kam zu einer Terrorwelle Weißer Terror gegen die taiwanische Bevölkerung, der nach heutigen Schätzungen um die 30.000 Menschen zum Opfer fielen.

Im April 1947 wurde die Militärregierung durch eine zivile Regierung abgelöst, der auch Einheimische angehörten.

1949 bis 1980er: Rückzug der Republik China nach Taiwan

Eingang zur Chiang Kai Shek Memorial Hall in Taipeh

1949 bildete Taiwan den Rückzugsort für 2 Millionen Anhänger der Kuomintang unter Generalissimo Chiang Kai-shek nach der Niederlage gegen die Kommunisten unter Führung Mao Zedongs, der infolgedessen die Volksrepublik China ausrief. Taiwan wurde somit, neben zahlreichen kleineren Inseln, zum alleinigen Hoheitsgebiet der Republik China. 1950 wurde Hainan von den Kommunisten erobert. Die Kuomintang beherrschte das Land bedingt durch die besondere Konstruktion des Parlaments bis 1992 praktisch wie eine undemokratische Einheitspartei (siehe Kuomintang). 1992 erfolgte nach einer freien Parlamentswahl eine Verfassungsänderung; zugunsten einer Direktwahl durch das Volk verzichtete die Nationalversammlung auf das Recht der Präsidentenwahl. 1996 wurden erstmals direkte Präsidentschaftswahlen durchgeführt.

Die Republik China ist heute jedoch international nur noch von wenigen Staaten anerkannt. Im Jahr 1971 wurde mit Hilfe der Sowjetunion, Indiens und Albaniens in der UNO der Antrag gestellt, dass die Republik China durch die Vertretung der Volksrepublik China ersetzt werden sollte. Bevor der Antrag besprochen wurde, trat die Republik China aus Protest aus der UNO aus. Nach dem Ende des Kalten Krieges sah die damalige KMT-Regierung einen Wechsel in der Weltpolitik und strebte nun wieder einen Sitz der UNO an. Dabei geht es Taiwan heute nicht wie früher der Volksrepublik China darum, einen Sitz zu übernehmen, sondern es möchte als normales Mitglied aufgenommen werden.

1980er bis heute: Liberalisierung

In den letzten fünf Jahrzehnten erlebte das Land einen kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Auf eine politische Liberalisierung mussten die Taiwaner bis 1987 warten, als Chiang Kai-sheks Sohn Chiang Ching-kuo als Präsident das Kriegsrecht aufhob und erstmals eine politische Opposition zuließ. Nach ersten freien Wahlen für die verschiedenen Parlamente und Gremien Taiwans wurde Lee Teng-hui 1996 als erster Präsident Taiwans direkt vom Volk gewählt. Im Jahr 2000 wurde mit Chen Shui-bian von der Demokratischen Fortschrittspartei erstmals ein Politiker zum Präsidenten gewählt, der nicht der Kuomintang angehörte. Spätestens seit diesem Zeitpunkt kann Taiwan als vollständig entwickelte Demokratie bezeichnet werden. Zeitgleich lässt sich eine Entwicklung zu einer immer stärker werdenden taiwanischen Identität feststellen, wobei sich immer weniger Einwohner in erster Linie als Chinesen sehen.

Die Präsidentenwahl 2004

Wahlkampfstand zur Präsidentschaftswahl 2004

Am 28. Februar organisierte der amtierende Präsident Chen Shui-bian gemeinsam mit Lee Teng-hui eine Menschenkette, an der ca. 2 Millionen Taiwaner teilnahmen. Sie erstreckte sich vom Norden bis in den Süden Taiwans und sollte den Protest gegen die Bedrohung durch ca. 500 vom chinesischen Festland auf Taiwan gerichtete Raketen ausdrücken. Am 19. März, dem Vortag der Wahlen, wurde auf Chen Shui-bian und die Vizepräsidentin Lu Hsiu-lien während eines Wahlkampfauftrittes in Tainan ein Anschlag verübt, bei dem beide leicht verletzt wurden. Bei den Wahlen am 20. März 2004 gewann Chen Shui-bian mit einem denkbar knappen Vorsprung von 29.518 Stimmen bei ca. 13 Mio. abgegebenen Stimmen. Herausforderer Lien Chan (Kuomintang) und James Soong, Vorsitzender der verbündeten People First Party, erkannten das Wahlergebnis nicht an. Am 21. März 2004 wurden alle Wahlurnen versiegelt. Chen stimmte der Forderung nach einer Neuauszählung der Stimmen zu, dennoch initiierte die Opposition in der darauffolgenden Woche Proteste vor dem Präsidentenpalast. Sie gipfelten am 26. März in einem Sturm auf das Hauptquartier der zentralen Wahlkommission, kurz bevor das offizielle amtliche Wahlergebnis verkündet und Chen zum Wahlsieger erklärt wurde. Die Kuomintang und die People First Party organisierten weitere Proteste gegen das Wahlergebnis. Am 20. Mai wurde Chen Shui-bian als Präsident Taiwans vereidigt.

Die Präsidentenwahl 2008

Nach zwei Amtszeiten Chen Shui-bians brachte die Präsidentenwahl am 22. März 2008 wieder einen Regierungswechsel. Zum neuen Präsidenten wurde Ma Ying-jeou gewählt, der Kandidat der Kuomintang. Er trat sein Amt am 20. Mai 2008 an.

Siehe auch

Literatur

  • Weggel, Oskar: Die Geschichte Taiwans. Vom 17. Jahrhundert bis heute. Böhlau, Köln, Weimar, Wien 1991, ISBN 978-3-412-02891-6.
  • Storey, Robert: Taiwan. 4. Auflage. Lonely Planet Hong Kong, 1998, ISBN 978-0-86442-634-5.


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