Kärntnertortheater

Kärntnertortheater
Theater am Kärntnertor um 1830

Das Theater am Kärntnertor, auch Kärntnertortheater, war ein Theater in Wien.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Theater wurde 1709 im Auftrag des Wiener Magistrats in der Nähe des ehemaligen Kärntnertores (ungefähr an der Stelle des heutigen Hotels Sacher) nach Entwürfen von Antonio Beduzzi gebaut. Eine italienische Schauspielschule eröffnete es, und in der folgenden Zeit wurden viele deutsch- und italienischsprachige Aufführungen inszeniert. Bis 1752 wurde es unter kaiserlichem Privileg betrieben, das Maria Theresia aufhob, wodurch das Theater wieder dem Magistrat zufiel.

1761 wurde das Theater durch einen Brand zerstört und vom Hofarchitekten Nikolaus Pacassi neu aufgebaut und zwei Jahre später als „Kaiserliches und Königliches Hoftheater zu Wien“ eingeweiht. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden ausschließlich Ballette sowie italienische und deutschsprachige Opern aufgeführt. Von 1811 bis 1814 war Ignaz Franz Castelli dort Hoftheaterdichter. In den darauffolgenden Jahren war das Theater verpachtet. Zu den Höhepunkten in der Geschichte gehört das Konzert, das Beethoven dort am 7. Mai 1824 veranstaltete, denn am Schluss erklang in einer Uraufführung die berühmte 9. Sinfonie mit dem Chorfinale über Schillers Ode an die Freude.

Die Ära Balochino

Aufgrund der revolutionären Ereignisse in Wien, die ihren Höhepunkt im Rücktritt der Regierung Metternich fanden, blieb das K.K. Hof-Operntheater von 13. bis 17. März 1848 geschlossen. Zwar konnte das Theater am 18. März wieder eröffnet werden, die für 1. April geplante und bereits affichierte Eröffnung der italienischen Stagione musste jedoch unterbleiben, da sich die Stimmung der Bevölkerung nach der Kriegserklärung von Piemonts König Carlo Alberto an Österreich (26. März) gegen Italien wandte. Die Ankündigungen der Italiener wurden von den Wänden herabgerissen, der Pächter Balochino erhielt Drohbriefe und trat zurück. Die Leitung des Theaters übernahm ein Komitee, bestehend aus Mitgliedern des KT, darunter einige führende Künstler; der Direktor des Burgtheaters, Franz Ignaz von Holbein, wurde provisorischer Leiter des Komitees, das KT verlor den Titel „Hofoperntheater“ und wurde ein einfaches, allerdings privilegiertes „Operntheater“, das weiterhin aus der Staatskasse finanzielle Unterstützung fand.

Die Ära Holbein

Am 29. April eröffnete eine Aufführung der Zauberflöte die neue Ära, in welcher u. a. Meyerbeers Hugenotten erstmals in der Originalfassung erklangen. Von 6. Oktober bis 12. November 1848 musste das Theater aufgrund der wieder aufflammenden Unruhen erneut geschlossen bleiben. 1849 kam das Theater wieder unter Hofverwaltung, mit 1. April wurde Holbein – vorläufig für ein Jahr, dann bis 1853 – zum Administrator (Direktor) ernannt. Ab 28. Februar 1850 wurde dem Theater wieder die Bezeichnung „k.k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore“ gewährt. Die Doppelfunktion als Direktor von Burgtheater und KT überanstrengte Holbein bald, Ende Dezember 1849 wurde Laube sein Nachfolger als Direktor des Burgtheaters. Herausragendes Ereignis der Ära Holbein war die Wiener Erstaufführung des Propheten, von Meyerbeer selbst dirigiert (1850). Die Pflege des französischen Repertoires war ein vordringliches Anliegen des Direktors: Vier Opern von Auber erlebten ihre Erstauffüfung, zwei von Adam, eine von Halévy. Die deutsche Oper war durch Premieren von Nicolai, Flotow, Hager, Dessauer, Füchs und Ernst Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha vertreten. In deutscher Sprache wurde auch Verdis Macbeth erstaufgeführt. Gegenüber der Ära Balochino fällt der Rückgang von aus einzelnen Akten verschiedener Werke zusammengestoppelten Abenden auf, die einst so beliebten französischen Vaudevilles wurden nicht mehr gegeben. Wichtige Engagements betrafen die Sopranistinnen Mathilde Wildauer, Louise Liebhart, Rosa Csillág-Hermann und Anne de Lagrange, die führenden Tänzer waren Elise Albert-Bellon, Katharina Lanner oder Gustav Carey, als Choreographen wirkten Giovanni Golinelli und Domenico Ronzani. Fanny Elßler beendete 1851 ihre glanzvolle Karriere. Ab 1851 war auch wieder eine italienische Stagione (unter der Leitung Merellis) möglich, bis 1859 erfreuten Gesangskünstler wie Giuseppina Medori, Anne Charton-Demeur, Adelaide Borghi-Mamo, Gaetano Fraschini, Emanuele Carrion oder Achille Debassini ebenso wie die Primaballerinnen Fanny Cerito und Carlotta Grisi das Publikum. Das Gros der neuen Opern lieferte Verdi mit acht Erstaufführungen, darunter Rigoletto, Il trovatore und La Traviata, die Werke der italienischen Zeitgenossen Mercadante, Pacini, Ricci u. a. fielen dagegen ab. Größte Erfolge feierten die Italiener hingegen mit Werken Mozarts: Don Giovanni, Le nozze di Figaro und Cosi fan tutte wurden erstmals nach Jahrzehnten wieder in der Originalsprache gegeben.

Die Ära Cornet

Der 1850 als Bewerber um die Administration des KT gegen Holbein unterlegene Julius Cornet wurde 1853 dessen Nachfolger. Die Ära Cornet zeichnete sich mehr durch Wiederaufnahmen älterer Werke von Cherubini, Gluck, Weber und Mozart als durch Novitäten aus. Wieder feierte Meyerbeer den größten Erfolg (Der Nordstern 1855), andere Erstaufführungen von Flotow, Thomas, Balfe oder Dorn blieben Tagesereignisse. Wagners dramatische Werke blieben trotz Bemühungen von Seiten Cornets vom Spielplan der Hofoper verbannt. Im Rahmen sogenannter „musikalischen Akademien“ erklangen jedoch erstmals Ausschnitte aus Lohengrin und die Faust-Ouverture. Die Sopranistinnen Therese Tietjens und Louise Mayer-Dustmann bereicherten das Ensemble ebenso wie Gustav Walter, Johann Nepomuk Beck, Carl Mayerhofer und Carl Schmid. Claudine Cucchi und Louis Frappart waren die neuen Tanzstars, als Gast glänzte Marie Taglioni d.J. in Balletten ihres Vaters Paul Taglioni. Neben diesem waren Pasquale Borri und August Bournonville als Choreographen tätig. Direktor Cornets Abgang war schmachvoll: Durch verletzendes Verhalten dem Personal gegenüber auffällig geworden und von einer Sängerin wegen Ehrenbeleidigung geklagt, musste er 1857 seinen Posten räumen.

1858–1870

Seinen Nachfolger hatte er selbst noch als Kapellmeister engagiert: Carl Florian Anton Eckert wurde, zunächst provisorisch, dann ab November 1858 definitiv zum Direktor ernannt. Unter Eckerts Leitung bildeten die Erstaufführunge von Wagners Lohengrin (1858) und Tannhäuser (1859) die herausragenden Ereignisse. Andere Novitäten blieben weniger erfolgreich, so Lortzings Wildschütz oder Verdis Sizilianische Vesper; dessen Troubadour, in das deutsche Repertoire übernommen, entwickelte sich jedoch zum Dauerbrenner. Der neue Tenorliebling der Wiener wurde ab 1860 Theodor Wachtel, in Felix Otto Dessoff fand man einen neuen Kapellmeister – er leitete nach Eckerts Ausscheiden auch die von diesem in das KT übernommenen „philharmonischen Konzerte“, die von 1860 bis zur Schließung des Theaters 1870 hier ihre Heimat fanden –, als Ballettmusikdirektor fungierte ab 1858 Franz Doppler, als Ballettregisseur Carl Telle. Mit Carnevals-Abenteuer in Paris und Die Kaminfeger in London feierte das Ballettensemble Erfolge. Eckert – von einer schweren Krankheit gezeichnet – wurde im September 1860 seines Amtes enthoben, für kurze Zeit führte ein Provisorium mit Kapellmeister Esser und Oberregisseur Schober an der Spitze die Geschicke des Instituts.

In diese Ära fiel die Erstaufführung von Wagners Oper Der fliegende Holländer. Der Italiener Matteo Salvi, 1860 Veranstalter einer künstlerisch wertvollen, jedoch finanziell unergiebigen italienischen Stagione im TAW, wurde mit 1. Februar 1861 zum Direktor der Hofoper ernannt. Zunächst wurde ihm ein beratendes Komitee zur Seite gestellt. In diesem wirkte auch Eduard Hanslick. Dieses löste sich jedoch bald auf, und Salvi blieb bis September 1867 einer der am längsten dienenden Leiter der Geschichte der Wiener Oper. Unter ihm gab es 1864/65 wieder geschlossene italienische Spielzeiten, 1866/67 immerhin noch italienische Aufführungsserien mit ausgewählten Gesangstars. Désirée Artôt, Enrico Calzolari, Camillo Everardi und Giovanni Zucchini waren die Lieblinge des Publikums. Neben Verdis Un ballo in maschera und La forza del destino wurden Opern von Pedrotti und den Brüdern Ricci erstaufgeführt. In den deutschen Spielzeiten gab es Erstaufführungen von Meyerbeer (Dinorah, Die Afrikanerin), Gounods Faust, Offenbachs Die Rheinnixen oder Lortzings Waffenschmied. Neu im Ensemble waren Caroline Bettelheim, Ilma von Murska, Marie von Rabatinsky, Louis von Bignio und Hans Freiherr von Rokitansky. Flick und Flock, Gräfin Egmont und Monte-Cristo repräsentierten als „romantisches Ballett“ oder „Zauberballett“ den Zeitgeschmack.

Am 1. Jänner 1863 wurde die Hofopernschule, aus der bald junge Mitglieder des Ensembles hervorgingen, eröffnet. Salvi, der öfters um eine definitive Anstellung ansuchte, wurde im Juni 1864 wirklicher Direktor der Hofoper, die Leitung des neuen Opernhauses, mit dessen Errichtung wurde bereits Ende 1861 begonnen, wurde ihm jedoch nicht übertragen. Franz Dingelstedt übernahm am 1. Oktober 1867 das Amt von Salvi. Wenn auch die Eröffnung der neuen Hofoper am 25. Mai 1869 (mit Don Juan) das bedeutendste Ereignis der Ära Dingelstedt (1867–1870) darstellte, so gab es in dieser Zeit auch im KT künstlerische Höhepunkte: Gounods Romeo und Julie und Thomas’ Mignon wurden erstaufgeführt. Dingelstedt selbst inszenierte Glucks Iphigenie in Aulis in der Bearbeitung Richard Wagners. Die Sängerinnen Marie Wilt, Amalie Friedrich-Materna und Bertha Ehnn, die Tenöre Charles Adams, Georg Müller und Leonhard Labatt traten in das Ensemble ein, Johann Herbeck wurde als Kapellmeister engagiert. Am 17. April 1870 wurde Rossinis Wilhelm Tell als letzte Oper aufgeführt. Bald darauf wurde das Theater abgerissen.

Neues Theater am Kärntnertor

1959 bis 1973 führte der Kabarettist Gerhard Bronner ein Theater in der Walfischgasse unter dem Namen Neues Theater am Kärntnertor, das schließlich in Kleine Komödie umbenannt wurde. 2003 wurde der Betrieb mangels Publikum eingestellt. 2005 wurde der Betrieb unter der Direktorin Anita Ammersfeld und mit dem neuen Namen stadtTheater walfischgasse wieder aufgenommen.

Literatur

  • Eleonore Schenk: Die Anfänge des Wiener Kärntnertortheaters (1710 bis 1748). Dissertation, Wien 1969.
  • Gustav Zechmeister: Die Wiener Theater nächst der Burg und nächst dem Kärntnerthor von 1747 bis 1776. Böhlau, Wien 1971.
  • Michael Jahn: Die Wiener Hofoper von 1848 bis 1870. Personal - Aufführungen - Spielplan. Hans Schneider, Tutzing 2002.
  • Michael Jahn: Die Wiener Hofoper von 1836 bis 1848. Die Ära Balochino/Merelli. Verlag Der Apfel, Wien 2005.
  • Michael Jahn: Die Wiener Hofoper von 1810 bis 1836. Das Kärnthnerthortheater als Hofoper. Verlag Der Apfel, Wien 2007.
  • Michael Jahn (Hg.): Schriften zur Wiener Operngeschichte. Verlag Der Apfel, Wien 2005ff.

Weblinks

48.20388888888916.3694444444447Koordinaten: 48° 12′ 14″ N, 16° 22′ 10″ O


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