Kurdenkonflikt in der Türkei

Kurdenkonflikt in der Türkei

Die Kurden in der Türkei stellen mit schätzungsweise 20 Prozent der türkischen Gesamtbevölkerung (10–15 Millionen) [1] die größte ethnische Minderheit in der Türkei dar. Da bei den Volkszählungen in der Türkei seit 1985 nicht mehr nach der Muttersprache gefragt wird, gibt es keine exakten Angaben zur Anzahl der Kurden in der Türkei. Auf der Grundlage des Vertrags von Lausanne erkannte die neugegründete Türkei die Kurden - im Gegensatz zu den Armeniern und Griechen - nicht als ethnische Minderheit an.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Weite Bevölkerungsteile der Kurden lebten seit dem 11. Jahrhundert unter türkischem Einfluss, zunächst unter den Seldschuken und später unter den osmanischen Herrschern. Zu den ersten offiziellen Beziehungen zwischen Kurden und dem osmanischen Reich kam es im Jahre 1514. Am Krieg von Çaldıran hatten die Kurden auf Seiten der Osmanen teilgenommen. Dadurch erlangten sie die Möglichkeit, ihre autonomen Herrschaftsformen im osmanischen Reich fortzuführen. Die autonome Struktur der kurdischen Fürstentümer dauerte bis ins 19. Jahrhundert, ohne zu großen Problemen zu führen.[2]

Bis zum Jahre 1880 gab es zahlreiche Aufstände, in deren Folge die kurdischen Fürsten ausgeschaltet wurden und die autonomen Herrschaftstrukturen ein Ende fanden. Bis zum 1. Weltkrieg gab es eine ganze Reihe von Aufständen. Teile der kurdischen Eliten waren nun entschlossen, einen unabhängigen Staat zu gründen.[2]

Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg wurde den Kurden durch die Triple Entente im Diktatsfrieden von Sèvres 1920 das Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt. Die südwestlichen Gebiete Kurdistans waren französischer Einflussbereich und wurden so Syrien zugeschlagen, Großbritannien wurde Mandatsmacht im heutigen Irak, dem die südöstlichen kurdischen Landesteile zugefügt wurden.

Angesichts der Besetzung und Teilung des Landes organisierte Mustafa Kemal, später Atatürk, den Widerstand gegen die europäischen Besatzungsmächte und Griechenland. Durch geschicktes Taktieren und Appellieren an die religiösen Empfindungen der Kurden sicherte sich Mustafa Kemal die Unterstützung der kurdischen Stammesführer und Scheichs. Die Kurden kämpften erfolgreich auf seiten der Türken gegen die Besatzungsmächte im nationalen Befreiungskampf.

Im neu ausgehandelten Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923) wurden die Bestimmung von Sèvres revidiert. Die Autonomiezugeständnisse an die Kurden fielen damit weg. Die Reformen von Atatürk, Laizismus und Säkularisierung, stießen bei den durch feudale Strukturen und Religiosität geprägten Kurden auf Widerstand. Hinzu kam, dass die kemalistische Ideologie einen homogen türkischen Staat vorsah. Gegen die Reformen und Assimilierungsversuche kam Widerstand auf.

Bekannt wurde der Ausspruch des türkischen Justizministers Mahmut Esat Bozkurts zur Kurdenfrage. Im Jahre 1930 äußerte er, die Türken seien die Herren des Landes. Diejenigen die keine "echten Türken" (Öztürkler) seien, hätte nur ein einziges Recht. Das Recht, Diener oder Sklave zu sein.[3]

Zwischen den Jahren 1925–1938 brachen ca. 20 Aufstände auf, die religiös, wirtschaftlich und politisch motiviert waren. Aufstände wie der Koçgiri-Aufstand (1920), Scheich Said Aufstand (1925), der Ararat-Aufstand (1930) und der Dersim-Aufstand (1938) wurden von der türkischen Armee niedergeschlagen. Den Kämpfen folgten umfangreiche Türkisierungsmaßnahmen. So wurden türkische Nachnamen eingeführt und Ortsbezeichnungen durch türkische ersetzt. Daneben erfolgten auch Umsiedlungsmaßnahmen mit Deportationen von Kurden und Neuansiedlung von Türken.[4]

Die Kurden galten im Sprachgebrauch als Bergtürken.[5] Der offizielle Gebrauch der kurdischen Sprache war lange Zeit verboten. Kurden, die sich als türkische Staatsbürger betrachten, ist eine Karriere in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen möglich. So war z. B. Turgut Özal, dessen Großmutter kurdischer Abstammung war, Premierminister und Staatspräsident.

Assimilationspolitik

Hauptartikel: Minderheiten der Türkei

Trotz anders lautenden Bestimmungen im Vertrag von Lausanne (der Artikel 39/4 schrieb vor, dass der Gebrauch der Muttersprache nicht eingeschränkt werden darf) betrieb die Türkei eine Assimilierungspolitik gegenüber den Kurden und leugnete kulturelle und ethnische Unterschiede. So wurde versucht, die Kurden als ein türkisches Volk darzustellen, das aus Zentralasien eingewandert ist. Aufgrund staatlicher Restriktionen konnte die kurdische Kultur nicht frei ausgelebt werden.

Nach der Niederschlagung des Scheich Said Aufstands wurde ein ‚Reformplan für den Osten‘ (Şark İslahat Planı)[6] entwickelt, in dem die offizielle Position und die Handlungsprinzipien für das Kurdenpoblem festgelegt wurden.

Es handelte sich um ein breit gefächertes Programm. Während türkische Politiker von einem „Reformplan“ sprechen, sind kurdische Historiker der Meinung, dass die Grundpfeiler dieses Planes mit den Begriffen Assimilation, Deportation-Umsiedlung und Massenmord bezeichnet werden können.[2] Weitere Gesetze, wie die „Tunceli-Gesetze“[7] oder das immer noch gültige Siedlungsgesetz mit der Nummer 2510[8], auf dessen Grundlage die kurdische Bevölkerung im Westen angesiedelt werden sollte, wurden von den Kurden ebenfalls als Benachteiligung empfunden und führten zum Dersim-Aufstand.

Muttersprachlicher Kurdischunterricht an staatlichen Schulen ist laut Verfassung verboten. In Art. 42, Abs. 9 heißt es:

„Den türkischen Staatsbürgern darf in den Erziehungs- und Lehranstalten als Muttersprache keine andere Sprache beigebracht und gelehrt werden als Türkisch.“ [9]

Kurdischsprachige Medien waren bis 1991 verboten. Im Gesetz Nr. 2932 § 2 hieß es dazu:

„Die Darlegung, Verbreitung und Veröffentlichung von Gedankengut in einer anderen Sprache als der ersten Amtssprache der von der Türkei anerkannten Staaten ist verboten.“

Türkisch wurde gesetzlich als Muttersprache aller türkischen Staatsbürger festgelegt.[10] Der Strafrahmen bei Verstößen gegen dieses Gesetz betrug laut § 4 sechs Monate bis zwei Jahre Haft. Aus den Schulbüchern, Lexika und Landkarten wurden die Definitionen und Erläuterungen über Kurden und ihre Siedlungsgebiete verbannt.

Diese Regelung wurde durch Artikel 23 des Antiterrorgesetzes 3713 vom 12. April 1991 juristisch gesehen aufgehoben. [11] Die Umsetzung sieht aber teilweise anders aus.[12]

Rechtsstaatliche Reformen

In der Regierungszeit von Turgut Özal und später unter Ecevit (1999–2001) begannen umfassende Reformen im Zivilrecht und stärkten die Menschen- und Freiheitsrechte (z. B. Versammlungs- und Demonstrationsrecht). Diese Reformen wurden unter der Adalet ve Kalkınma Partisi‎ (AKP) (seit 2001) fortgesetzt. Unter anderem wurden die kulturellen Freiheiten der kurdischen Minderheit gestärkt. So sind Gebrauch der kurdischen Sprache, Kurdischunterricht in Privatschulen und kurdische Radio- und Fernsehkanäle nun erlaubt. Am 18. August 2004 erteilte die Regulationsbehörde für Fernseh- und Radiosender (RTÜK) drei Privatsendern im Südosten der Türkei die Lizenz, in Kurdisch (im Dialekt Kurmandschi) zu senden. Die Lizenz trat aber nicht gleich in Kraft. Auch der staatliche Sender TRT 3 darf Sendungen in Arabisch, Zazaki, Kurmandschi, Bosnisch usw. ausstrahlen.[13]

Nachdem es im Jahre 2004 dem staatlichen Radio- und Fernsehsender TRT erlaubt wurde, täglich maximal eine Stunde und wöchentlich maximal 4 Stunden Sendungen in lokalen Dialekten auszustrahlen, dauerte es bis März 2006, bevor regionale Sender ebenfalls eine Erlaubnis erhielten.[14] Am 11. Juni 2006 meldete die Tageszeitung Radikal, dass der Hohe Rat für Radio und Fernsehen die zeitliche Begrenzung für Musik und Filme in regionalen Dialekten aufgehoben habe.

Bei der Bereinigung von Gesetzen, die ein implizites Verbot der kurdischen Sprache vorsahen, hat der Gesetzgeber das Parteiengesetz übersehen (im Vereinsgesetz wurde es beispielsweise gestrichen). Artikel 222 des Türkischen Strafgesetzes, das am 01. Juni 2005 in Kraft trat, sieht eine Strafe zwischen 2 und 6 Monaten Haft vor, wenn jemand gegen das Gesetz zu türkischen Buchstaben aus dem Jahre 1928 verstößt.[15] Das bezieht sich auf den Gebrauch von Buchstaben, die z. B. im kurdischen Alphabet, nicht aber im türkischen Alphabet vorhanden sind (wie q, w und x).

Kurdische Organisationen in der Türkei

Nach der Niederschlagung des Koçgiri-Aufstands sahen die die Kurden keine Möglichkeit mehr, Politik auf legaler Ebene zu betreiben. Sie gründeten eine geheime politische Partei mit dem Namen „Azadi“ (Freiheit). Die Anführer wurden Ende 1924 verhaftet. 1927 wurde in Beirut eine neue kurdische Partei unter dem Namen ‚Xoybûn-Verein‘ gegründet[16].

Nachdem die Türkei 1949 zu einem Mehrparteiensystem übergegangen war, betätigten sich zahlreiche Kurden in den etablierten politischen Parteien. Eine eigentliche kurdische Opposition trat mit Verhaftung und dem Gerichtsverfahren von den „neunundvierzig“ (tatsächlich waren es 51 Angeklagte) kurdischen Intellektuellen zutage. Damals wurden bekannte Personen wie Musa Anter, Sait Kırmızıtoprak, Şerafettin Elçi, Naci Kutlay und Kemal Burkay angeklagt, den Versuch unternommen zu haben mit Beistand ausländischer Staaten die Republik der Türkei zu spalten. Das Verfahren begann am 3. Januar 1961 vor dem Militärgericht in Istanbul. Mit einem ersten Urteil vom 30. April 1964 wurden alle Angeklagten freigesprochen. Der Militärische Kassationshof hob das Urteil auf. Im zweiten Urteil wurden einige Angeklagte verurteilt, aber die Strafen wurden wegen Verjährung nicht rechtskräftig.[17]

Nach dem Militärputsch vom 27. Mai 1960 wurde mit der Verfassung von 1961 erneut ein Mehrparteiensystem eingeführt. Von besonderer Anziehungskraft war für die geistige Führungsschicht der kurdischen Bevölkerung die Arbeiterpartei der Türkei (Türkiye İşçi Partisi TIP). Sie hatte ein sozialistisches Programm und war mit 15 Abgeordneten im Parlament vertreten – allerdings wurde diese Partei 1971 vom Verfassungsgericht verboten, da sie die Kurden als eigenes, gesondertes Volk ansah.[2] Am 16. September 1967 prangerten kurdische Mitglieder der Arbeiterpartei der Türkei (TIP) das Ungleichgewicht zwischen West und Ost im Lande an. Dies geschah in Form von sogenannten „Ost-Treffen“. Diese Treffen bereiteten die Basis für die Gründung der „Revolutionären Kulturvereinigung des Ostens“ (DDKO). Mehdi Zana, Mümtaz Kotan, Ibrahim Güçlü, Sait Kırmızıtoprak, Mehmed Emin Bozarslan, Tarik Ziya Ekinci, Naci Kutlay, Kemal Burkay und Ümit Fırat fanden sich dort ein.[18]

Illegale Organisationen

Auf der illegalen Ebene machte die „Demokratische Partei Kurdistans-Türkei“ (T-KDP), in Anlehnung an die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) zuerst auf sich aufmerksam. Bekannte Mitglieder waren Sait Elçi, Faik Bucak und Sait Kırmızıtoprak, der den Vorsitz innehatte. 1975 folgte die Sozialistische Partei Kurdistans, die sich erst PSKT (Sozialistische Partei Kurdistans – Türkei) und dann nur noch PSK nannte. In der Türkei war sie unter dem Namen Freiheitsweg (Özgürlük Yolu) bekannt. Weitere illegale Organisationen waren: Rizgari (Freiheit gegründet 1976 – seit 1988 als Partei PRK), Ala Rizgari (Fahne der Freiheit – gegründet 1978), KAWA (Name des mystischen Helden Kawa – gegründet 1976), KUK (Nationale Befreiung Kurdistans – gegründet 1978)[19] und KİP (Kurdische Arbeiterpartei – gegründet 1977), daraus entstand 1983 die PPKK (Avantgardistische kurdische Arbeiterpartei). Die 1992 gegründete KKP (Kommunistische Partei Kurdistans) verfolgt die gleichen Ziele wie die Kommunistische Arbeiterpartei der Türkei (TKEP).[20]

Der unumstrittene Führer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Abdullah Öcalan stand als Student in Ankara erst der THKP-C (Türkische Volksbefreiungspartei-Front) und den die Theorien von Mahir Çayan nahe. Später trennten er (und andere Gruppen) sich von der linken türkischen Gruppen, weil diese behaupteten, dass die Kurdenfrage sich von selber löse, wenn in der Türkei eine sozialistische Herrschaft errichtet worden sei.[2] Die Gruppe um Öcalan nannte sich zunächst Nationale Befreiungsarmee (UKO), waren in der Türkei jedoch vorwiegend unter dem Namen Apocular (Apoisten oder Anhänger von Apo, Kurzform von Abdullah) bekannt. Der Begriff Apocu hielt sich noch lange nach der Gründung der PKK am 27. November 1978.

Bis zum Militärputsch in der Türkei 1980 trugen nicht nur Militante von legalen und illegalen rechten und linken Organisationen bewaffnete Kämpfe miteinander aus. Es bekämpften sich sowohl Organisationen der türkischen Linken als auch die illegalen kurdischen Organisationen untereinander. Schon vor dem Militärputsch kam es zu Massenverhaftungen von Angehörigen der PKK.[21] Nach dem Militärputsch wurden fast alle illegalen Organisationen in der Türkei durch Inhaftierung der führenden Mitglieder handlungsunfähig gemacht.[22] Nur einige Kader konnten sich durch Flucht ins Ausland retten. Abdullah Öcalan war schon im Mai 1979 erst in den Libanon und dann nach Syrien geflohen.[23]

Legale kurdische Organisationen Parteien

Die pro-kurdischen Parteien mit gewisser Nähe zur PKK wurden Anfang der 90er Jahre aktiv. Der im Juni 1990 gegründeten „Arbeitspartei des Volkes“ (HEP) gelang es bei den Parlamentswahlen vom 20. Oktober 1991 über eine gemeinsame Liste mit der „Sozialdemokratischen Volkspartei“ (SHP) 22 kurdische Abgeordnete ins Parlament zu entsenden.[24] Im Juli 1993 wurde die HEP durch das Verfassungsgericht verboten. Noch bevor das Verbot erging, war mit der erst Freiheits- und Gleichheitspartei (Özgürlük ve Eşitlik Partisi/ÖZEP), dann Freiheits- und Demokratiepartei (Özgürlük ve Demokrasi Partisi /ÖZDEP) und schließlich Demokratie-Partei (Demokrasi Partisi/DEP) genannten Partei Ersatz geschaffen worden.[25]

Ein großer Teil der Abgeordneten von HEP trat der DEP bei. Am 3. März 1994 wurde den DEP-Abgeordneten die Immunität entzogen, sie wurden verhaftet und später zu langen Haftstrafen verurteilt. Die DEP wurde am 16. Juni 1994 verboten. Als sich das Verbot der DEP abzeichnete, gründete deren Vorstandsmitglied Murat Bozlak 1994 die Demokratische Volkspartei (HADEP). Die HADEP, die bei den Wahlen 1995 die 10-Prozent-Hürde nicht überspringen konnte, kam nicht ins Parlament. Am 23. Juni 1996 wurde bei einer Feier anlässlich der Gründung der HADEP ihre leitenden Funktionäre verhaftet. Grund dafür war, dass Leute eine türkische Flagge am Parteitag herunterrissen, was großes Aufsehen erregte. Bei den Kommunalwahlen am 18. April 1999 gewann die HADEP 37 Bürgermeisterämter – darunter auch das Oberbürgermeisteramt von Diyarbakır. Wegen vermeintlichen Kontakten zur PKK wurde auch gegen sei ein Verbotsverfahren betrieben. Den Platz der HADEP nahm die 1998 gegründete Volksdemokratische Partei (DEHAP) ein. Die Demokratische Volkspartei (DEHAP) löste sich angesichts eines Verbotsverfahrens im November 2005 selber auf und übergab ihre Büros der Partei des Demokratischen Gesellschaft (DTP). Auch diese Partei ist derzeit bedroht, verboten zu werden.

Neben den Parteien, denen nachgesagt wird, dass sie der legale Arm der PKK seien, gibt es weitere pro-kurdische Parteien, die sich deutlich von der PKK distanzieren. Dazu gehört die Demokrasi ve Barış Partisi (DBP Demokratie und Frieden Partei). Sie wurde 1996 gegründet. Ihr Vorsitzender war Refik Karakoç.[26] Anfang März 2002 löste sich die DBP auf und beschloss, innerhalb Hak ve Özgürlükler Partisi (HAK-PAR Partei für Recht und Freiheiten) weiter zu machen. Der erste Vorsitzende der HAK-PAR war Abdulmelik Firat.[27] Er wurde später von Sertaç Bucak abgelöst.[28] Aufgrund erschwerter Konditionen für ein Vereinsverbot entging die Partei Anfang 2008 nur knapp einem Verbot.[29] DBP und HAK-PAR wird eine Nähe zur illegalen PSK nachgesagt.

Şerafettin Elçi, der lange Jahre in türkischen Parteien Politik betrieb, ist verantwortlich für die Gründung weiterer Parteien. Am 3. Januar 1997 gründete er die „Demokratik Kitle Partisi“ (DKP Demokratische Massenpartei). Allerdings wurde die Partei am 26. Februar 1999 vom Verfassungsgericht geschlossen, weil sie gegen die Unteilbarkeit von Volk und Staat verstoßen haben soll. Jahre später gründete er am 19. Dezember 2006 die „Katılımcı Demokrasi Partisi“ (KADEP Teilnehmende demokratische Partei). Aktuell ist er Vorsitzender der Partei.

İbrahim Güçlü ist der Name hinter einer Initiative, die beabsichtigt, eine Partei jenseits bestehender Fraktionen unter den Kurden zu gründen. Die Initiative nennt sich Kürt Ulusal Birlik Hareketi (TEVKURD Bewegung der kurdischen nationalen Einheit).[30]

Ausmaß des bewaffneten Konflikts

Hauptartikel: Arbeiterpartei Kurdistans#Chronologie

Der bewaffnet ausgetragene Konflikt zwischen den bewaffneten Einheiten der PKK und den türkischen Sicherheitskräfte, der am 15. August 1984 begann, forderte bis 1999 etwa 30.000 Todesopfer auf beiden Seiten des Konflikts und Millionen Vertriebene und viele Todesopfer unter der Zivilbevölkerung.[31] Mitte September 2008 nannte der Generalstabschef İlker Başbuğ Journalisten für den Zeitraum von 24 Jahren (15. August 1984 bis 15. August 2008) die Zahl von 32.000 „ausgeschalteten Terroristen“ (getötete Militante der PKK). 46.000 seien „gesund oder verletzt“ gefasst worden. Im gleichen Zeitraum seien 5.560 Zivilisten und 6.482 Angehörige der Streitkräfte getötet worden. Die Zahl der aktiven „Terroristen“ wurde (wie schon 1999) mit 6.000 angegeben.[32]

Aktuelle Situation

Ab 2004 haben die Kämpfe zwischen der türkischen Regierung und der PKK wieder an Intensität zugenommen. Im Juli und August 2005 wurden von heftigen Kämpfen zwischen dem türkischen Militär und der PKK im Südosten der Türkei berichtet. Am 10. Juli 2005 und 16. Juni 2005 verübten die Teyrêbazên Azadiya Kurdistan Anschläge in Çeşme und Kuşadası, wobei bewusst Touristen das Ziel waren. Auch in den Folgejahren wurden immer wieder Bombenattentate in Großstädten der Türkei verübt.[33]

Am 9. Juni 2007 erklärte die Armeeführung in Absprache mit der Regierung das Gebiet um Siirt, Hakkari und Şırnak zu einer vom Militär kontrollierten „Sicherheitszone“, was Ähnlichkeit mit dem Notstand der früheren 90er Jahren hat[34].

Am 17. Oktober 2007 wurde die Resolution für grenzüberschreitende Militäroperationen im Nordirak von der türkischen Nationalversammlung angenommen. Mit dieser Resolution, die auf ein Jahr beschränkt ist, darf die Regierung in Ankara das Militär ohne jegliche Konsultationen mit dem Parlament in den Nordirak schicken.[35]

Am 21. Februar 2008 um 19:00 Uhr türkischer Zeit startete die türkische Armee mit der Operation „Sonne“ die 25. Bodenoffensive seit 1983 in den Nordirak, an der schätzungsweise 10.000 Soldaten beteiligt waren. Bei den Zusammenstößen mit der PKK kam es zu heftigen Widerständen. Die Operation endete am 29. Februar. [36] Der Generalstab gab bekannt, dass 237 Militante der HPG getötet wurden. Die eigenen Verluste wurden mit 24 getöteten Soldaten und 3 getöteten Dorfschützern angegeben.[37] Die HPG bezifferte ihre Verluste auf 9 Guerillas und behauptete, dass über 100 Soldaten getötet wurden.[38] Nach Angaben der Türkei wird das Nachbarland als Rückzugsgebiet für Extremisten genutzt. Die PKK, die unter anderem auch seitens der EU als Terrororganisation eingestuft wird, steuert von Nordirak aus Angriffe und Anschläge in der Türkei. Dabei sterben ebenfalls immer wieder türkische Soldaten, Polizisten, kurdische Dorfschützer und Unbeteiligte.

Am 8. März 2009 wurde zum ersten Mal die Chutba auf Kurdisch abgehalten. Die Chutba wurde in der Ulu Cami in Diyarbakır vorgetragen. [39]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. CIA.gov: Turkey, abgerufen am 28. Januar 2008
  2. a b c d e MdB Amke Dietert-Scheuert: Möglichkeiten der Konfliktlösung in der Türkischen Republik, Hamburg 1998 (ISBN 978-3-89173-051-5)
  3. Son Posta vom 21. September 1930
  4. Siehe hierzu: http://www.kurdistan.de/kurden_geschichtliches.htm; aufgerufen am 12. Dezember 2008
  5. Vgl. hierzu den Artikel in der Tageszeitung Radikal
  6. Wörtliche Wiedergabe in altem Türkisch (Osmanisch) ist zu finden unter http://nedir.net/sark-islahat-plani.html; aufgerufen am 12. Dezember 2008
  7. Einzelheiten unter http://munzurhaber.org/Belgeler/Tunceli-Kanunu-(1935)-Ve-Dersim-Jenosidi-4.htm gefunden am 12. Dezember 2008
  8. Wortlaut in Türkisch unter http://www.mevzuat.adalet.gov.tr/html/554.html gefunden am 12. Dezember 2008
  9. Deutschsprachiger Text der türkischen Verfassung
  10. Gesetz Nr. 2932 § 3: "Die Muttersprache der türkischen Staatsbürger ist Türkisch.[… ] Jegliche Art von Aktivitäten hinsichtlich der Benutzung und der Verbreitung einer anderen Muttersprache außer Türkisch ist verboten.
  11. Otmar Oehring: Zur Lage der Menschenrechte, 17. August 2004
  12. Human Rights News: Questions and Answers: Freedom of Expression and Language Rights in Turkey, April 2002
  13. Das Demokratische Türkeiforum (DTF) hat Übersetzungen beider Verordnungen in die englische Sprache unter Erlernen der Sprache und Fernseh- und Radiosendungen veröffentlicht; gefunden am 12.12.2008
  14. Siehe hierzu den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom Oktober 2007 mit dem Titel „Zur aktuellen Situation“. Am 12. Dezember 2008 gefunden unter http://www.osar.ch/2007/10/03/turkey_2007
  15. SFH: Türkei: Zur aktuellen Lage (Oktober 2007) zum kompletten Bericht
  16. Hoybun Örgütü ve Ağrı Ayaklanması (Die Organisation Xoybun und der Ararat-Aufstand), Avesta Verlag, ISBN 975-7112-45-3
  17. Diese Details stehen in der türkischen Sprache u. a. bei http://www.bydigi.net/genel-kultur/132754-49lar-davasi.html; aufgerufen am 12. Dezember 2008
  18. Das unabhängige Netzwerk BIA = Bağımsız İletişim Ağı veröffentlichte am 4. August 2007 ein Interview mit Ümit Fırat mit dem Thema: Vor 30 Jahren: Die Kurden, die Linke und DDKO; aufgerufen am 13. Dezember 2008
  19. KUK und KAWA bildeten 1996 zusammen mit der Tekosin (Revolution, 1978), Yekbun (Einheit, 1979 und der TSK (Sozialistische Bewegung Kurdistans, 1985) die PYSK (Sozialistische Einheitspartei Kurdistans)
  20. Die Angaben in diesem Kapitel sind vorwiegend dem von Denise Graf und Bülent Kaya für die Schweizerische Flüchtlingshilfe verfassten Werk „Türkei“ vom April 1997 entnommen.
  21. İsmet G. İmset: PKK: 20 Jahre separatistischer Gewalt (PKK: Ayrılıkçı Şiddetin 20 Yılı (1973–1992), Ankara, Juni 1993, S. 67
  22. Unter Berufung auf ein englisch-sprachiges Buch "Creating the Conditions, The PKK, Ankara, Oktober 1992 nennt İsmet G. İmset als offizielle Zahl 3.177 Personen, die wegen separatistischer Vergehen nach dem 12. September 1980 angeklagt wurden, S. 83 seines oben zitierten Buches
  23. İsmet G. İmset: PKK: 20 Jahre separatistischer Gewalt (PKK: Ayrılıkçı Şiddetin 20 Yılı (1973–1992), Ankara, Juni 1993, S. 69
  24. Über die Vorbereitungen auf die erste Teilnahme (Ablegung des Amtseids) an einer parlamentarischen Sitzung berichtet Hatip Dicle in einem Interview mit kurdish.info am 13. Juni 2007, aufgerufen am 13. Dezember 2008
  25. Aus dem Artikel der Gesellschaft für bedrohte Völker Prokurdische Parteien ringen um demokratische Rechte vom 25. Februar 2007, aufgerufen am 13. Dezember 2008
  26. Information auf der Seite http://www.mymerhaba.com/de/main/content.asp_Q_id_E_1050 gefunden am 13. Dezember 2008
  27. Siehe Nachricht in der Tageszeitung Radikal vom 02. März 2002, zu finden unter http://www.radikal.com.tr/haber.php?haberno=30754, aufgerufen am 13. Dezember 2008
  28. Als biographisch bezeichnete Informationen in Türkisch zu finden unter http://www.biyografi.net/kisiayrinti.asp?kisiid=3858, aufgerufen am 13. Dezember 2008
  29. Das Demokratische Türkeiforum (DTF) berichtet darüber unter http://www.tuerkeiforum.net/Urteil_des_Verfassungsgerichts_zum_Verbotsantrag_gegen_Hak-Par, abgerufen am 13. Dezember 2008
  30. Ein sehr wohlwollender Bericht über den 3. Kongress dieser Bewegung ist in der türkischen Sprache unter http://www.pdk-bakur.com/modules.php?name=News&file=article&sid=1164 zu finden, abgerufen am 13. Dezember 2008
  31. Washington Post: Who Are the Kurds? 1999
  32. Update Türkei von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2008, gefunden am 14. Dezember 2008 unter http://www.osar.ch/2008/10/09/turkey_update_situation
  33. Siehe hierzu die Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2007 und Oktober 2008
  34. Kurdish Human Rights Project – 2007 Elections in Turkey (engl., pdf)
  35. Türkisches Parlament erlaubt Militärschlag im Nordirak, Spiegel Online vom 17. Dezember 2007
  36. Erklärung der Streitkräfte über die Operation Sonne Artikel aus der Milliyet vom 29. Februar 2008 (türkisch)
  37. Siehe Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) [http://www.osar.ch/2008/10/09/turkey_update_situation Türkei Update: Aktuelle Entwicklungen] vom 8. Oktober 2008
  38. Siehe die deutsche Seite der HPG (eingesehen im September 2008
  39. Radio Free Europe/Radio Liberty: Turkish mosque holds first official Kurdish sermon. Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, 8. März 2009. Abgerufen am 14. April 2009. (Englisch)

Literatur

  • Hans Krech: Der Bürgerkrieg in der Türkei (1978–1999). Ein Handbuch, Berlin: Verlag Dr. Köster, 1999. (Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, Bd. 6). ISBN 3-89574-360-7

Weblinks


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