Kunststein

Kunststein

Kunststein ist abzugrenzen von Naturstein (den natürlichen Steinen) und von den künstlichen Steinen, die von Menschen hergestellt werden, wie zum Beispiel Mauersteine, Klinkersteine und Kalksandsteine (Bausteine).

Als Kunststein werden mineralisch- (Zement und Baukalk) oder harzgebundene Werkstoffe bezeichnet, die mit Zuschlägen von beispielsweise Sanden und gebrochenem Gesteinen hergestellt wurden. Verwendet werden Kunststeine heute unter anderem für Fensterbänke, Treppen und Bodenbeläge sowie Wandfliesen im Bauwesen. Neuerdings gibt es die Quarzwerkstoffe für Küchenarbeitsplatten, die im weitesten Sinne Kunststeine sind. Kunststeine bildeten ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Alternative zur Produktpalette der Natursteine. Kunststeine sind keine Werksteine, die die Künstler wie Natursteine bildnerisch bearbeiten.[1] Auf Terrazzo wird der Begriff Kunststein nicht angewendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den 1860er Jahren bezeichnete man damit Pisésteine (Erdsteine)[2] und ab den 1870er Jahren wurde der Begriff des Kunststeins hauptsächlich gebräuchlich für Kunstsandstein. Um die Jahrhundertwende setzte sich der Begriff Kunststein im Bauwesen durch. Ab der Jugendstilzeit wurde mineralisch gebundener Kunststein in größerem Umfang als Ersatz für Naturstein für Fenster- und Türgewände, Gesimse, Bauornamente und Grabsteine verwendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der DDR bis zu ihrer Auflösung aus Mangel an eigenen Natursteinen in großem Umfang Kunststein produziert. In der Bundesrepublik wurde in den 1960er Jahren mineralisch gebundener Kunststein in Blöcken im Vibrationsverfahren gegossen und vermarktet. Jedoch stieg Anfang der 1970er Jahre die Nachfrage von Natursteinprodukten kontinuierlich an, weil sich Naturstein durch Importe verbilligte und dadurch Kunststein verdrängte. In den letzten 10 Jahren ist ein leichter Nachfrageanstieg von Kunststein als Quarzwerkstoff feststellbar.

Zementbindung

Zementgebundene Kunststeine werden und wurden aus zwei unterschiedlich zusammengesetzten mineralischen Mischungen hergestellt. Eine Mischung wird mit Gesteins-Splitt, dem Bindemittel Zement und Zementfarben unter Zugabe von Anmachwasser erdfeucht hergestellt. In vorbereitete Formen aus Metall, Holz oder Gips wird diese Masse eingebracht und anschließend eingestampft oder gerüttelt. Eine zweite Mischung aus Beton (Zement und Kies) wird plastisch hergestellt, über die erste Mischung eingebracht und gegen statische Beanspruchungen, sofern diese erwartet werden, durch die Einlage von Baustahl armiert. Nach dem Aushärten werden die Sichtflächen entweder scharriert oder geschliffen bzw. nach dem Schleifvorgang gegen offene Poren gespachtelt.
Diese Kunststeine wurden und werden im Bauwesen als Boden- und Treppenbeläge oder für Grabmale verwendet, wobei bei Grabsteinen die Ansichtsseite teilweise aus eingelegten Platten aus Naturstein bestand.
Die Herstellung der zementgebundenen Kunststeine erfolgte in handwerklichen Kleinserien.

In den 1960er Jahren gab es ein industrielles Verfahren zur Herstellung von sogenannten Unmaßplatten aus Kunststein (bekannt unter der Handelsmarke Reko-Marmor), dabei wurden Kunststeinblöcke gegossen, die auf die jeweilige Plattenstärken von Steinsägen oder Gattern formatiert wurden. Diese Platten waren nicht armiert und wurden vornehmlich für Grabmalsockel oder -einfassungen verwendet.

Harzbindung

Agglo-Marmore und Quarzwerkstoffe sind künstliche Steine, bei denen der Zement als mineralisches Bindemittel durch Kunstharz ersetzt wird.

Der Kunststein entsteht durch Verbindung von zermahlenem Gesteinsmehl und Kunstharz. Dieses Material zeichnet sich durch die günstigen Herstellungskosten bei dennoch hoher Qualität und relativer Bruchfestigkeit aus. Kunststein findet weitreichend Anwendung auch im Modellbau sowie Kunsthandwerk bei der Herstellung von Skulpturen, Statuen, Schatullen, Vasen, Souvenir-, Werbe- und Fanartikeln etc. Trotz der dichten Konsistenz sollte darauf geachtet werden, dass Extremitäten (z. B. Arme und Beine bei Statuen) nicht über Gebühr beansprucht werden, da sie sonst brechen könnten. Häufig wird Kunststein auch als kaltgegossenes Porzellan bezeichnet, weil er sich ähnlich wie Porzellan anfühlt und verhält. Dadurch, dass Kunststein so gut zu verarbeiten ist, lassen sich Gegenstände formen und bearbeiten, die bei der Verwendung anderer Materialien ein Vielfaches der Kosten verursachen würden. Eine Vielzahl der heute angebotenen Skulpturen und Büsten (auch Gartenfiguren und dergl.) sind aus Kunststein gefertigt.

Andere Begriffe für Kunststein entstammen häufig dem Englischen und sind Polyresin, Marmorit, Poly-Nature, Polystone, oder auch Alabastrite.

Agglo-Marmor

Als Zuschläge für Agglo-Marmor werden meist Marmore oder Kalksteine verschieden großer Körnungen sowie Farbpigmente verwendet. Kunstharze sind die Bindemittel. Die Herstellung erfolgt zunächst durch Verdichten mittels Vibration, bei dem Rohblöcke in unterschiedlicher Größe, wie zum Beispiel 3,05×1,40×0,88 m gegossen und verdichtet werden. In diesem Verfahren, das die italienische Firma Breton 1968 entwickelte, werden unterschiedlich große Marmor–Körnungen und Marmor–Bruchstücke in eine Form eingegossen. Anschließend härten die Blöcke aus und nach der Erhärtung werden die Blöcke, wie Natursteine, zu Rohtafeln mit Steinsägen aufgeteilt und weiterverarbeitet. Die Rohtafeln werden vornehmlich zu Fußbodenplatten auf entsprechende Maße gesägt. Des Weiteren werden Fensterbänke und Treppenstufen aus Agglo-Marmor hergestellt.
Im Jahre 1977 ließ die Firma Breton ein Verfahren für die Plattenproduktion aus Steinpartikeln, Polyesterharzen und Pigmenten patentieren, bei dem das Aufsägen in Platten nicht mehr erforderlich war.[3]
Das Versetzen wird von Steinmetz- oder Fliesenlegerbetrieben und in Mörteltechnik ausgeführt. Durch den seit Jahren anhaltenden Preisverfall importierter Natursteine hat die Nachfrage nach diesem Kunststein erheblich nachgelassen. Agglo-Marmore können Marmore täuschend imitieren.

Quarzwerkstoff

Die Zuschläge für den 1985 entwickelten Quarzwerkstoff sind nach Angaben der Hersteller bis zu 93 Prozent Quarzmehl sowie Farbpigmenten und Harz. Ferner können Glasstücke und glitzernde Partikel beigemischt sein. Die Masse wird bei der Herstellung in eine mit Papier ausgekleidete Form gegossen und anschließend im Rütteldichtungsverfahren mittels massiver Pressen unter Vakuum verdichtet. Abschließend wird die Form in einem Ofen eine halbe Stunde lang auf 100 °C erwärmt. In diesem Prozess polymerisiert die angemischte Masse. Es sind Platten bis zu einer Größe von 3,30×1,65 m herstellbar. Nach Abkühlen auf Umgebungstemperatur kann der Quarzwerkstoff wie Naturstein mit Werkzeugen für Hartgestein geschliffen und poliert werden. Übliche Plattendicken sind 12, 20 und 30 mm.
Heute wird Quarzwerkstoff vor allem für Küchenarbeitsplatten verwendet. Der Werkstoff hat eine Verschleißhärte, die an die von Hartgestein heranreicht. Des Weiteren lassen sich nach Kundenwünschen individuelle Farben und visuelle Effekte wie zum Beispiel teilglitzernde Oberflächen herstellen.
Neuerdings werden in Deutschland von einem spanischen Natursteinwerk aus Andalusien antibakteriell ausgerüstete Kunststeine als Küchenarbeitsplatten angeboten, die Triclosan enthalten, ein Stoff, dessen Verwendung beispielsweise in Norwegen als gesundheitsschädlich eingestuft wurde. In der geplanten norwegischen PoHS ist der Stoff aufgeführt. Ursprünglich war das Verbot für den 1. Januar 2008 geplant, verzögert sich aber durch die Einsprüche der Europäischen Union.

Anwendungsgrenzen

Die Quarzwerkstoffe sind, wie alle harzgebundenen Werkstoffe, lösemittel- und temperaturempfindlich. Auf Küchenarbeitsplatten dürfen beispielsweise keine heißen Pfannen abgesetzt werden, da diese die Oberflächen beschädigen, ferner dürfen keine alkalischen Reinigungsmittel über einem pH-Wert von 12 verwendet werden. Die kunstharzgebundenen Baustoffe erfüllen nicht die Werte der Brandklasse A1. Dies sind erhebliche Nachteile gegenüber Natursteinen. Zur Vermeidung von Schäden sind bei Reinigungen die Pflegeanleitungen der Hersteller strikt zu beachten.[4]

Beim Agglo-Marmor und bei den Quarzwerkstoffen handelt sich um künstliche Steine, für die es keine gültige DIN bzw. EU-Norm gibt. Zumeist wurde für Agglo-Marmore die DIN für Betonwerkstein als Vergleich herangezogen. Diese regelt jedoch lediglich zementgebundene Kunststeine.

Siehe auch

Literatur

  • Naturstein, 2/2008, Seite 21ff
  • Hans Issel: Kunststein- u. Mörtelindustrie. Ihre durch maschinelle Herstellung neuesten Erzeugnisse an Fußboden- und Wandplatten, Mauersteinen, Hohlblöcken, Treppenstufen, Dachziegeln, Röhren und Pfosten. Die Mörtelmischungs-Verhältnisse sowie die Art der verbessernden Zuschläge; dazu die Mörtelberechnung nach Massen- und Selbstkostenaufwand., Verlag von Bernhard Friedrich Voigt, Leipzig 1922.
  • Sigmund Lehner: Die Kunststeine. Eine Schilderung der Darstellung künstlicher Steinmassen, der Rohstoffe, Geräte und Maschinen., A. Hartleben’s Verlag, Wien / Leipzig 1927.
  • Karl Müller: Kunststeinbau, Stummer Lehrmeister für die gesamte Kunststeinbranche. Gommern 1905. Neuauflage, Reprint-Verlag-Leipzig, Holzminden 2003, ISBN 3-8262-1314-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Es gibt wenige Ausnahmen: Zum Beispiel entstanden um 1400 etliche Skulpturen aus einer sogenannten „Gusssteinmasse“, dabei wurden grobe Blöcke gegossen und danach bildhauerisch ausgearbeitet. Verwenden Künstler zementgebundene Massen zum Ausgießen von Modellformen, wird von Abgüssen gesprochen und nicht vom bildhauerischen Arbeiten.
  2. Erdsteine. In: Meyers Konversations-Lexikon 1885–1892, 5. Band, Seite 771–772
    Diese Bezeichnung ist im eigentlichen Sinne nicht korrekt, denn Piseesteine, Pisésteine, oder Stampflehm-Steine sind künstliche Steine, hergestellt aus lehmiger Erde durch Pressen oder Stampfen.
  3. Naturstein 2/2008, S. 22
  4. Pflegeanleitung eines Herstellers

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