Kulturbund Deutscher Juden

Kulturbund Deutscher Juden
Berliner Gedenktafel: Kurt Singer und der Kulturbund Deutscher Juden

Der Kulturbund Deutscher Juden war im nationalsozialistischen Deutschland eine von jüdischen Initiatoren ins Leben gerufene Selbsthilfeorganisation für vom Berufsverbot betroffene jüdische Künstler. Von den Behörden wurde der bis 1941 geduldete Kulturbund zur Kontrolle und zur Isolierung der jüdischen Künstler benutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Kulturbund wurde im Juli 1933 in Berlin als Reaktion auf die zuvor erfolgten Entlassungen jüdischer Künstler aus den staatlichen Kulturbetrieben, die nach den Maßgaben des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erfolgten, gegründet. Initiatoren des Bundes, der zunächst die Bezeichnung Kulturbund Deutscher Juden 1933 trug, waren der Regisseur Kurt Baumann und der Neurologe, Musikwissenschaftler sowie ehemaliger Intendant der Charlottenburger Oper Kurt Singer. In den ersten Jahren traten dem Berliner Kulturbund etwa 20.000 Mitglieder bei.[1]

Als Ausgrenzungsprodukt und Selbsthilfeorganisation hatte der Bund mit dem besonderen „jüdischen“ Kunstwollen, das die Nationalsozialisten dem Bund später propagandistisch zuschrieben, von jüdischer Seite her nichts zu tun. Der durch Mitgliedsbeiträge finanzierte Bund sollte den arbeitslosen Künstlern in erster Linie neue Erwerbsmöglichkeiten verschaffen. Die ursprüngliche Bezeichnung Kulturbund Deutscher Juden musste bald aufgegeben werden, da eine Verknüpfung der Worte „deutsch“ und „jüdisch“ politisch unerwünscht war.

Dem Vorbild der Berliner Gründung folgten Kulturbünde in zahlreichen weiteren Städten. 1935 gab es mehr als 36 regionale und lokale Kulturbünde mit etwa 70.000 Mitgliedern. Die Einzelbünde wurden gezwungen, sich bis zum August 1935 im Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland (RJK) zusammenzuschließen. Der RJK wurde dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt. Die Veranstaltungen des Bundes, die der Zensur unterlagen und von der Gestapo überwacht wurden, mussten einzeln vom Reichskulturwalter Hans Hinkel genehmigt werden. Um die Tätigkeit der Kulturbünde zu sichern, richtete der RJK darüber hinaus eine Selbstzensur ein. Im Juli 1937 waren unter dem Dach des RJK 120 selbstständige Organisationen, darunter auch Synagogen und Kulturvereine, vereinigt.

Veranstaltungen des Kulturbundes fanden vor allem in Berlin fast täglich statt. 1933–1935 war das Berliner Theater ihr Spielort. 1935 wurde die Berliner Kulturbund-Oper unter Leitung Dr. Kurt Singers gegründet. Auch der Hamburger Kulturbund war sehr aktiv. Das Veranstaltungsprogramm umfasste Theater- und Opernaufführungen, Konzerte, Kleinkunstveranstaltungen, Filmvorführungen, Vorträge und Ausstellungen. Um jeden Austausch zwischen der jüdischen und der nicht-jüdischen Kulturwelt zu unterbinden, wurden Nicht-Juden bei den Veranstaltungen des Kulturbundes weder als Besucher noch als Mitwirkende zugelassen. Auch durfte der Kulturbund im Rahmen seiner Veranstaltungen immer seltener Arbeiten solcher Autoren und Komponisten aufführen, die als besonders „deutsch“ galten. Innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit wurde über diese Situation eines geistigen Gettos kontrovers diskutiert.

Nach den Novemberpogromen im Jahre 1938 wurden die meisten Einrichtungen zur Schließung gezwungen. Nur der Berliner Kulturbund erhielt aus propagandistischen Gründen von Joseph Goebbels die Erlaubnis, weiter tätig zu sein. Der RJK wurde 1939 aufgelöst, an seine Stelle trat der aus dem Berliner Kulturbund hervorgegangene „Jüdische Kulturbund in Deutschland e. V.“, der alle jüdischen Kulturveranstaltungen verantwortete und selbst durchführte. Außerhalb von Berlin fanden damit nur noch selten Veranstaltungen statt. Die Flucht vieler bedeutender jüdischer Künstler trug ein übriges zum Niedergang des Kulturbundes bei. Am 11. September 1941 wurde der Bund von der Gestapo aufgelöst. Viele seiner Mitglieder und Funktionäre, darunter auch der Gründer, Kurt Singer, wurden deportiert und ermordet.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinrich-Wilhelm Wörman: Widerstand in Charlottenburg. Hrsg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Bd.5, 2. Auflage, der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933-1945; Berlin 1998; S. 238

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