Kulturanthropologie

Kulturanthropologie

Kulturanthropologie setzt sich volkskundlich mit dem Menschen in seinem Verhältnis zur Kultur auseinander. Kulturanthropologen verstehen sich als Wissenschaftler, deren Ziel die Entwicklung übergreifender theoretischer Fragestellungen und Begriffe ist. Die wissenschaftliche kulturanthropologische Arbeit soll empirisch, problemorientiert und gegenwartsbezogen sein.

Der hier erläuterte deutsche Begriff „Kulturanthropologie“ darf nicht mit der nordamerikanischen cultural anthropology oder der englischen social anthropology verwechselt werden, die besondere Ausrichtungen der Ethnologie bezeichnen.

Inhaltsverzeichnis

Fachgeschichte

Die Kulturanthropologie entwickelte sich aus der Volkskunde. 1970 formierten sich auf der Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde (DGV) in Falkenstein zwei Positionen bezüglich des wissenschaftlichen Umgangs mit dem Begriff Kultur. Die Fachvertreter des ehemaligen Instituts für Volkskunde in Tübingen, das zu diesem Zeitpunkt bereits in das Institut für empirische Kulturwissenschaft umbenannt worden war, plädierten für die Soziologie als neue Leitdisziplin. Die Vertreter des Institutes in Frankfurt am Main hingegen betonten die inhaltliche Nähe der Volkskunde zu ethnologischen Disziplinen wie der Völkerkunde und der angelsächsischen Cultural Anthropology. Mehrheitlich schloss man sich der ersten Gruppe an, innerhalb derer Kultur nun primär als Regulationsmodell des Alltags verstanden wird.

In Frankfurt am Main strebte man eine interkulturell vergleichende Forschung in komplexen Gesellschaften an. Die Entgegensetzung von Kultur und Alltag wurde somit außer Kraft gesetzt. Kultur wird als Alltag begriffen und Alltag als Kultur.

Die Neuorientierung des Faches schlägt sich 1974 in der Namensänderung nieder: Aus Volkskunde wird Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie.

Kulturbegriff

Der kulturanthropologische Kulturbegriff umfasst sowohl soziale Geflechte und deren Sitten und Bräuche, wie auch die Produktion von technischen Hilfsmitteln, die der Mensch benötigt, um in seiner Umwelt leben zu können. Kultur wird also nicht in Gegensatz zu Zivilisation gesetzt, sondern bezeichnet die Gesamtheit der menschlichen Umgebung. Der Mensch wird dabei gleichzeitig als kultureller Schöpfer wie als Geschöpf der Kultur gesehen. Der Austausch zwischen Kulturen wird unter dem Aspekt dieser Wechselwirkung betrachtet. Dabei werden transnationale Kulturen ebenso beleuchtet wie Subkulturen.

In zweckrationalen Definitionen wird Kultur weitgehend als Hochkultur betrachtet, welche bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt. In wertrationalen Definitionen wird Kultur als etwas Umfassendes gesehen, Bedeutungen, Handlungen und Deutungen der Menschen werden berücksichtigt.

Siehe auch

Literatur

  • Kulturanthropologie = Band 4 der Neuen Anthropologie, hrsg. von Hans-Georg Gadamer und Paul Vogler. Georg Thieme Verlag, Stuttgart (ISBN 3-13-476401-6) und Deutscher Taschenbuch Verlag, München (ISBN 3-423-04072-6). 1973
  • Hermann Bausinger: Grundzüge der Volkskunde. Darmstadt ³1993.
  • Hermann Bausinger: Ungleichzeitigkeiten. Von der Volkskunde zur empirischen Kulturwissenschaft. In: Helmut Berking, Richard Faber (Hrsg.): Kultursoziologie. Würzburg 1989.
  • Rolf Wilhelm Brednich (Hrsg.): Grundriss der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. Berlin 2001.
  • Ina-Maria Greverus: Kultur und Alltagswelt. Einführung in Fragen der Kulturanthropologie. Frankfurt am Main ²1987.
  • Marvin Harris: Kulturanthropologie. Ein Lehrbuch. Frankfurt am Main u.a. 1989.
  • Wolfgang Kaschuba: Einführung in die Europäische Ethnologie. München 2003.
  • Harm-Peer Zimmermann (Hrsg.): Empirische Kulturwissenschaft, europäische Ethnologie, Kulturanthropologie, Volkskunde. Leitfaden für das Studium einer Kulturwissenschaft an deutschsprachigen Universitäten. Deutschland - Österreich - Schweiz. Jonas, Marburg 2005, ISBN 3-89445-351-6.

Weblinks


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