Kugelmenschen

Kugelmenschen
Doppelherme, die aller Vermutung nach zwei der großen Komödiendichter der Antike - Menander (rechts) und Aristophanes - vereint. Solche Doppelhermen sind für die Zeit des Hellenismus - also etwa ein halbes Jahrhundert nach Entstehung des Symposion (um 380 v. Chr.) - belegt.

Die Kugelmenschen sind ein Mythos aus Platons Werk Symposion (deutsch: „Das Gastmahl“), der während eines Trinkgelages von dem Komödiendichter Aristophanes vorgetragen wird. Damit ehrt dieser die Macht von Eros, dem Gott der Liebe in der griechischen Mythologie.

Mythos

Früher habe es drei Geschlechter von Menschen gegeben. Das männliche Geschlecht stamme von der Sonne ab, das weibliche von der Erde und das aus den beiden zusammengesetzte vom Mond. Es gab also Mann-Männer, Frau-Frauen und Mann-Frauen (Androgynes). Diese Kugelmenschen hatten je vier Hände und Füße und zwei entgegengesetzte Gesichter auf einem Kopf. Sie waren stark und schnell und wurden in ihrem himmelstürmenden Übermut selbst den Göttern gefährlich. Zur Strafe zerschnitt der Göttervater Zeus jeden von ihnen in zwei Hälften. Seitdem haben beide eine Sehnsucht danach, sich mit dem jeweils anderen Teil wieder zu vereinen. Dieser Drang der zwei Hälften, sich zu vereinen, wird als Liebe (erôs) bezeichnet:

„Der Grund hiervon nämlich liegt darin, daß dies unsere ursprüngliche Naturbeschaffenheit ist, und dass wir einst ungeteilte Ganze waren. Und so führt die Begierde und das Streben nach dem Ganzen den Namen Liebe. Und vor Zeiten, wie gesagt, waren wir eins; nun aber sind wir um unserer Ungerechtigkeit willen getrennt worden von dem Gott…“

Platon, Symposion, 192e-193a

Die Köpfe werden zur Schnittstelle, der neuen Bauchseite hin gewendet, die durch Apollon am so entstandenen Nabel, Denkmal der menschlichen Schwäche und Mahnzeichen der Gottesfurcht, verschlossen wird. Damit diese übermächtige Sehnsucht nun nicht zum Hungertod führe und die getrennten Hälften weiterhin lebens- und geschäftsfähig bleiben, verlegt Zeus in einem zweiten Schritt nun auch die Schamteile nach vorne, so dass paarweise sexuelle Fortpflanzung (zumindest bei den ehemals Androgynes) möglich ist (die als künftige „Ehebrecher“ und „-brecherinnen“ regen Gebrauch von dieser praktischen und produktiven Notlösung machen). Das eigentliche Ziel der Sehnsucht und somit das Wesen des Eros als Stifter von Glückseligkeit aber offenbare sich erst in der tatsächlichen Wiederbegegnung der getrennten Hälften:

„Wenn nun dabei einmal der liebende Teil, der Knabenliebhaber sowie alle andern, auf seine wirkliche andere Hälfte trifft, dann werden sie von wunderbarer Freundschaft, Vertraulichkeit und Liebe ergriffen und wollen, um es kurz zu sagen, auch keinen Augenblick von einander lassen. Und diese, welche ihr ganzes Leben mit einander zubringen, sind es, welche doch auch nicht einmal zu sagen wüßten, was sie von einander wollen. Denn dies kann doch wohl nicht die Gemeinschaft des Liebesgenusses sein, um dessen willen der eine mit dem andern so eifrig zusammenzusein wünscht: sondern nach etwas anderem trachtet offenbar die Seele von beiden, was sie nicht zu sagen vermag, sondern nur ahnend zu empfinden und in Rätseln anzudeuten. Und wenn zu ihnen, während sie dasselbe Lager teilten, Hephaistos mit seinen Werkzeugen hinanträte und sie fragte: »Was wollt ihr Leute denn eigentlich von einander?« und, wenn sie es ihm dann nicht zu sagen vermöchten, sie von neuem fragte: »Ist es das etwa, was ihr wünscht, möglichst an demselben Orte mit einander zu sein und euch Tag und Nacht nicht voneinander zu trennen? Denn wenn es euch hiernach verlangt, so will ich euch in eins verschmelzen und zusammenschweißen, so dass ihr aus zweien einer werdet und euer ganzes Leben als wie ein Einziger gemeinsam verlebt, und, wenn ihr sterbt, auch euer Tod ein gemeinschaftlicher sei, und ihr dann wiederum auch dort im Hades einer statt zweier seid. Darum seht zu, ob dies euer Begehr ist, und ob dies euch befriedigen würde, wenn ihr es erlangtet«; wenn sie, sage ich, dies hörten, dann würde gewisslich kein Einziger es ablehnen oder zu erkennen geben, es sei etwas anderes, was er wünschte; sondern jeder würde gerade das gehört zu haben glauben, wonach er schon lange Begehr trug: vereinigt und verschmolzen mit seinem Geliebten aus zweien eins zu werden.“

Symposion, 193

Wer aber weiterhin der Ehrfurcht vor den Göttern enträt, dem droht Zeus eine erneute Zerteilung und anschließende Einbeinigkeit an. Er wird sich nur noch hüpfend fortbewegen können:

„Und es steht daher zu fürchten, wenn wir uns nicht gesittet betragen gegen die Götter, dass wir dann von neuem zerspaltet werden und so von Ansehen herumlaufen müssen wie die auf den Grabsteinen ausgehauenen Reliefs: mitten durch die Nase durchgesägt wie halbierte Marken.“

Symposion, 193

Literatur

Weblinks


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