Kritias (Platon)

Kritias (Platon)

Der Kritias (griechisch Κριτίας, latinisiert Critias; auch Ἀτλαντικός Atlantikos genannt[1]) ist ein in Dialogform verfasstes, Fragment gebliebenes Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Es besteht vor allem aus dem auch im Timaios erwähnten platonischen Mythos vom Krieg zwischen Athen und Atlantis und beschreibt beide Staatsutopien detailliert, wobei der Text im Bericht des Mythos unvermittelt abbricht. Der Kritias ist Teil einer ursprünglich geplanten Trilogie, zusammen mit Timaios und Hermokrates.[2] Aufgrund der Kürze des Kritias und seiner inhaltlichen Überschneidung mit dem Timaios werden beide Dialoge häufig als Timaios-Kritias zusammengefasst.[3]

Inhaltsverzeichnis

Dialogsituation

Auftretende Figuren

Zu den möglichen historischen Personen siehe: Timaios von Lokroi, Kritias, Sokrates, Hermokrates
Timaios

Im Gegensatz zu den drei anderen auftretenden Figuren ist bei Timaios nicht sicher, ob die Figur eine historische Person zum Vorbild hat, da die beiden platonischen Dialoge Kritias und der nach ihm benannte Timaios die einzigen Erwähnungen seiner Person darstellen. Während manche Forscher von einer historischen Person namens Timaios ausgehen,[4] sprechen sich andere entschieden dagegen aus,[5] und nehmen vielmehr an, dass Platon die Figur des Timaios anhand mehrerer historischer Vorbilder erfunden hat.[6] Eines dieser Vorbilder könnte der pythagoreische Philosoph Archytas von Tarent gewesen sein,[7] mit dem Platon befreundet war, den er aber nicht an Timaios' Stelle in den beiden Dialogen auftreten lassen konnte, da er zum fiktiven Zeitpunkt der Dialogsituation noch im Kindesalter war.

Diogenes Laertios[8] überliefert, Timaios gebe – wie die Figur des Sokrates – Platons eigene Lehre wieder. Demnach sollte Timaios keine historische Person sein, sondern nur die Rolle übernommen haben, die sonst Sokrates in Platons Dialogen innehatte. Grund hierfür dürfte sein, dass Sokrates nicht die erforderliche Kompetenz für den naturphilosophischen Vortrag des Timaios im gleichnamigen Dialog haben konnte.

Kritias

Kritias ist der Haupterzähler und daher Namensgeber des Kritias. Er war über seinen Vorfahren Dropides, den Athener Archon von 593/92 v. Chr., mit dem bedeutenden athenischen Staatsmann Solon verwandt[9] und wurde daher von Platon als Erzähler der vorzeitlichen Geschichte Athens gewählt. Zudem war Kritias mit Platon verwandt.[10] Kritias gibt an, von seinem gleichnamigen Großvater die Geschichte vom Krieg zwischen Athen und Atlantis vernommen zu haben, der sie wiederum von Solon vorgetragen bekommen habe.[9]

Während zuvor alle Kommentatoren des Timaios und Kritias, von der Antike[11] bis in die Neuzeit[12], den literarischen Kritias ohne jeglichen Zweifel mit dem Mitglied der Dreißig Tyrannen identifizierten, entbrannte im frühen 20. Jahrhundert eine Debatte darüber, ob sich Platon mit dem literarischen Kritias nicht auf den Großvater des Tyrannen Kritias bezog, der ebenfalls Kritias hieß und auch einen Großvater gleichen Namens hatte.[13] Diese Frage ist bis heute nicht endgültig geklärt.

Auf der einen Seite wird argumentiert, dass zwischen dem jüngeren Kritias (460 – 403 v. Chr.) und Solon (638 – 558 v. Chr.) eine zu große Zeitspanne liege, und so die von Platon beschriebene Überlieferungskette über vier Generationen von Solon zu Kritias unmöglich sei. Dem entgegen gehalten wird die Tatsache, dass Platons Werk voll von Anachronismen ist.[14] Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Solon von den Griechen vor Aristoteles in eine spätere Zeit datiert wurde.[15] Aus Platons Sicht mochte Solon kurz vor Anakreon gelebt haben, der noch bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. lebte.[16]

Ohnehin ist vom älteren Kritias keinerlei politische Leistung überliefert. Da er zudem bereits lange Zeit vor der Veröffentlichung des Timaios und Kritias verstarb, hätte es für Platon wohl keinen Sinn ergeben, einen Staatsmann in diesen beiden Dialogen auftreten zu lassen, der für die Zeitgenossen uninteressant, weil nahezu unbekannt war.[17] Vermutlich hat Platon in Unkenntnis des tatsächlichen Stammbaumes des Kritias eine Generation übersprungen.

Sokrates

Sokrates, der Lehrer Platons, spielt – anders als in den meisten Dialogen Platons – im Kritias eine sehr untergeordnete Rolle. Sein Anteil am Gespräch beschränkt sich auf eine einzige Äußerung, in der er vom Vortrag des Timaios zum Vortrag des Kritias überleitet.[18]

Hermokrates

Die Figur des Hermokrates basiert auf dem syrakusanischen Politiker und General, der auch von Thukydides,[19] Xenophon,[20] Plutarch[21] und Polyainos[22] erwähnt wird. Er hat den geringsten Anteil am Gespräch, jedoch wird ihm im Timaios ein ausführlicher Vortrag in Aussicht gestellt.[23] Unklar ist, ob Hermokrates dabei noch im Kritias die Rede des Kritias hätte ergänzen sollen, oder ob seine große Rede gänzlich für den (nie geschriebenen) Hermokrates geplant war.

Einer Hypothese zufolge steht die Figur des Hermokrates für Dion von Syrakus, der zum fiktiven Dialogzeitpunkt noch nicht geboren war. Die Aufgabe des Hermokrates-Dion hätte es demnach im Kritias oder Hermokrates sein sollen, die Erschaffung eines Staates nach platonischem Ideal (in Syrakus?) zu schildern; dies war die Absicht Dions. Nach dessen Ermordung im August 354 v. Chr. mag Platon die Idee des Kritias und Hermokrates daher zu Gunsten der Nomoi, in denen die Erschaffung eines Idealstaates auf Kreta thematisiert wird, aufgegeben haben.

Fiktive Datierung

Im Timaios und Kritias wird dieselbe Dialogsituation beschrieben. Diese knüpft jedoch nicht, wie oft angenommen, direkt an das Gespräch in der Politeia an. Sokrates sagt zwar im Timaios, er habe „gestern“ sein Konzept vom Idealstaat vorgetragen,[24] aber das bedeutet nicht unbedingt, dass damit die Politeia gemeint sei.[25] Ohnehin wäre diese Annahme fragwürdig, da Platon unterschiedliche Angaben zu den Festtagen macht, an denen die Gespräche stattfanden: während das Gespräch der Politeia auf das Fest der thrakischen Göttin Bendis fiel, fand das Gespräch des Timaios-Kritias etwa zwei Monate später, während der kleinen Panathenäen statt.[26]

Eine absolute Datierung des Gespräches des Timaios-Kritias im 5. Jahrhundert v. Chr. setzt die Annahme eines realen Timaios von Lokroi voraus. Dieser dürfte – als einer der führenden Lokrer – sehr wahrscheinlich um 422 v. Chr. in Athen gewesen sein, als die Athener Bündnisse mit westgriechischen Städten zu schließen suchten.[27] Gleichzeitig wird Hermokrates Athen wohl nur vor der Sizilienexpedition besucht haben können,[28] etwa kurz vor bzw. nach dem Abschluss des Nikiasfriedens (422 − 421 v. Chr.). Da zudem die kleinen Panathenäen genannt sind, scheint die Mitte des August 421 v. Chr. als wahrscheinlichstes Datum.[29]

Einer anderen Auffassung nach ist die Dialogsituation im Timaios-Kritias (wie auch in anderen Dialogen) unhistorisch und daher überhaupt nicht zu datieren.[30] Denn Hermokrates könne nur bis 415 v. Chr. in Athen gewesen sein, während Kritias erst nach 415 v. Chr. als Staatsmann hervortrat. Platon, so scheint es, „kam es offenbar mehr auf die versammelten Personen als auf eine widerspruchsfreie Datierung ihres Gesprächs an.“[31]

Inhalt

Der Kritias fügt sich thematisch der Politeia an. Das von Kritias erzählte zentrale Thema ist der (fiktive) Krieg zwischen dem platonischen Idealstaat (‚Ur-Athen‘) und einer der Hybris (ὕβρις „Übermut“) verfallenen Supermacht (Atlantis), welcher sich der im Timaios beschriebenen Überlieferung zufolge 9000 Jahre vor Platons Zeit ereignete.[32] Der Sieg des Idealstaates soll dessen Tauglichkeit beweisen, während gleichzeitig die Niederlage der expansiven Seemacht auf die gescheiterte Athener Politik des 4. Jahrhunderts v. Chr. anspielt.

Kritias beschreibt nacheinander die Entstehung, Topografie und politische Organisation der sich gegenüberstehenden Staaten ‚Ur-Athen‘ und Atlantis, und hebt dabei die gravierenden Unterschiede hervor. Sowohl ‚Ur-Athener‘ als auch ‚Atlanter‘ werden als Autochthone beschrieben, die unter göttlicher Obhut‚ auf ihrem Stück Erde‘ entstanden. Dabei besteht für Platon ein enger Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Landes und seiner Bewohner. Vor diesem Hintergrund sind die ausführlichen Beschreibungen der attischen und atlantischen Topografie zu verstehen.

Ur-Athen

Papyrusfragment P.Oxy. 3679 von Platons Politeia. In diesem Werk beschreibt Platon seinen Idealstaat, dessen Tauglichkeit er mit dem Mythos von ‚Ur-Athen‘ beweisen will.

Bei der mythischen Zuteilung der Erdteile an die Götter, von der Platon im Kritias berichtet, wird Attika Athene und Hephaistos gegeben. Athene legt Wert darauf, dass der ihr zugeteilte Landstrich Menschen hervorbringen könne, die ihr bei den Eigenschaften philopolemos (φιλοπόλεμος „kriegsliebend, kampfeslustig“) und philosophos (φιλόσοφος „weisheitsliebend, wissensdurstig“) möglichst ähnlich sind. Ebenso sollen Klima und Umwelt von eukrasia (εὐκρασία „Ausgewogenheit“) geprägt sein, so dass es vernünftige Männer hervorbringen könne.

Das von Platon beschriebene urzeitliche Attika zeichnet sich durch seine Vortrefflichkeit in jeder Hinsicht aus. Es gibt alle Arten von Pflanzen, die zur Haltung von Nutztieren erforderlich sind. Ein Vorkommen irgendwelcher Wildtiere wird von Platon dagegen nicht erwähnt. Dies ist im Zusammenhang mit der Politeia zu verstehen, wo Sokrates ausdrücklich darauf hinweist, dass die philosophische Seele hēmeros (ἥμερος „zahm“) sei.[33] Wie von Athene gewünscht zeichnet sich Attika durchweg durch eukrasia aus, vom mäßigen Klima bis hin zu einer Quelle, die auf der Akropolis entspringt und deren Wasser zu jeder Jahreszeit die richtige Temperatur hat.

Auffallend ist der Unterschied zwischen dem für die Gesprächspartner zeitgenössischen Athen und dem von Platon beschriebenen ‚Ur-Athen‘. In letzterem hätte zwischen Akropolis und den übrigen Hügeln des Stadtgebiets eine fruchtbare Hochebene existiert, die das Regenwasser gut halte und so künstliche Bewässerung überflüssig mache. Dagegen gleiche das zeitgenössische Attika dem Gerippe eines kranken Körpers,[34] da spätere geologische Prozesse die fruchtbare Erde jener Hochebene ins Meer gespült hätten. Erde ist für Platon aufgrund ihrer atomaren Würfelstruktur das stabilste der vier Elemente,[35] weshalb es in der Beschreibung von ‚Ur-Athen‘ ausführlich erwähnt wird und einen zentralen Kontrast zur ‚Wasser-Welt‘ Atlantis bildet, da Wasser mit der Grundstruktur des Ikosaeders das komplexeste der vier Elemente darstellt.

Der ‚ur-athenische‘ Staat gleicht in seinem Aufbau dem Idealstaat aus der Politeia. An seiner Spitze steht eine kleine Gruppe andres theioi (ἄνδρες θεῖοι „göttliche Männer“), die den Staat leiten.[36] Den zweiten Stand bilden die phylakes (φύλακες „Wächter“), die von den andres theioi ausgewählt werden, wobei ihre Zahl konstant auf 20.000 gehalten wird. Die phylakes führen ein bescheidenes Leben, bewohnen schlichte Häuser und kennen keinerlei Privateigentum. Die restlichen Bewohner bilden den dritten Stand und sind im Wesentlichen Bauern und Handwerker.[37]

Obwohl ‚Ur-Athen‘ am Meer liegt, verzichtet es bewusst auf jegliche Seefahrt. Auch dies in auffälligem Gegensatz zum zeitgenössischen Athen, das extensiven Flottenbau betreibt, denn nach Platons Meinung ist der Einfluss der Seefahrt schlecht.[38] Zudem werden die ‚Urathener‘ freiwillig von den übrigen Griechen als gerechte Führer anerkannt. Der ‚urathenische‘ Staat erscheint in dem von Platon erzählten Mythos völlig stabil und unveränderlich, im völligen Gegensatz zu Atlantis.

Atlantis

Atlantis stellt das Gegenstück zu ‚Ur-Athen‘ dar. Während letzteres von Ausgewogenheit bis ins kleinste Detail geprägt war, neigt die Beschreibung von Atlantis in jeder Hinsicht zum Extremen und Maßlosen. Es wird von Platon als Inselreich beschrieben, dessen Hauptinsel größer als Libyē (Λιβύη „Libyen“, gemeint ist Nordafrika) und Asia (Ἀσία „Asien“, gemeint ist Kleinasien und der Nahe Osten) zusammen sei.[39] Das Klima erlaubt eine üppige Vegetation, zahme und wilde Tiere verschiedenster Arten bevölkern die Insel – darunter auch der Elefant, der ausdrücklich als das gefräßigste aller Tiere bezeichnet wird. Die Nutzpflanzen, die auf Atlantis gedeihen, sind genau diejenigen, die von Sokrates in der Politeia als Zeichen ausufernden Luxus abgelehnt werden.[40]

Atlantis wurde bei der Aufteilung der Erdteile unter den Göttern Poseidon zugeschlagen. Dieser begründet mit der Sterblichen Kleito die Königs-Dynastie von Atlantis. Impuls zur Staatsgründung gibt hier also die Libido, jene Leidenschaft, die für Platon zum untersten Teil der Seele gehört; dies im auffallenden Gegensatz zur Weisheitsliebe der Athene bei ‚Ur-Athen‘. Schon bei der Entstehung des atlantischen Staates siegten also niedere Triebe über die Vernunft. Aus der Verbindung Poseidon-Kleito gingen nach Platons Angaben fünf ausschließlich männliche Zwillingspaare hervor, von denen jeder einzelne über ein Teilgebiet von Atlantis herrsche. Der älteste Sohn, Atlas, ist zugleich Herrscher über das gesamte Inselreich.

Während bei ‚Ur-Athen‘ Erde das charakteristische Element darstellt, ist es bei Atlantis Wasser.[41] Neben etlichen Flüssen, Seen und Sümpfen ist die Insel zudem von zahlreichen künstlichen Wasserwegen durchzogen; die Hauptstadt von Atlantis ist von drei konzentrisch angeordneten, ringförmigen Kanälen umgeben, die miteinander und mit dem Meer verbunden sind. Im Timaios schreibt Platon dazu, dass es widernatürlich sei, Erde oder erdartige Stoffe von ihren ursprünglichen Ort wegzubewegen.[42] Im menschlichen Körper führe eine Umstellung der natürlichen Elemente zu Krankheit,[43] und ähnliches musste für ein Land gelten, zumal dessen ‚Eigenschaften‘ so eng mit denen seiner Bewohner verknüpft waren.

Auch der Gigantismus der atlantischen Topografie übertrug sich auf seine Bewohner. Das von ihnen errichtete zentrale Poseidon-Heiligtum ist etwa zweieinhalbmal so groß wie der Athener Parthenon. Da Atlantis ungewöhnlich reiche Erzvorkommen hatte, ist das Heiligtum zudem mit Gold, Silber und dem rätselhaften Oreichalkos (ὀρείχαλκος „Bergerz“) geschmückt. Auch dies unterstreicht nochmals den ‚Wasser-Charakter‘ von Atlantis, da Platon die verschiedenen Erze zu den zähflüssigen Schmelzen und damit einer Unterart des Wassers zählt.[44] Wasser ist somit für die Bewohner von Atlantis allgegenwärtig.[41]

Während sich ‚Ur-Athen‘ durch seinen beständigen Charakter auszeichnet, ist Atlantis von immerwährender Veränderung ergriffen. Die Bewohner vergrößern und verschönern ihre Bauwerke fortlaufend, ebenso werden die Kanal- und Bewässerungssysteme der Insel ständig erweitert und ausgebaut; ein stetiger Drang nach mehr Luxus beherrscht das Handeln der Atlanter. Laut Platon macht Unersättlichkeit und Völlerei den Menschen jedoch unfähig zum Streben nach Wissen und ungehorsam gegenüber dem Göttlichen in ihnen.[45] Und so endet die Beschreibung der Atlanter mit dem Strafgericht der Götter aufgrund ihrer Hybris.

Über den Krieg gegen ‚Ur-Athen‘ und den anschließenden Untergang von Atlantis berichtet Platon bereits im Timaios, daher ist das weitere ‚Schicksal‘ von Atlantis trotz des unvollständigen Kritias bekannt.

Vorbilder

Siehe auch: Politeia; Atlantis

Das Konzept der Staatsutopie, die im Gegensatz zur Staatsphilosophie die reale Existenz ihrer (dennoch fiktiven) Gegenstände beansprucht, fand in Platons Kritias seine erste bekannte Umsetzung.[46] Es sind keine direkten Vorläufer überliefert. Allenfalls kann man zwei Komödien des Aristophanes als indirekte Vorläufer betrachten: zum einen Die Vögel und das darin beschriebene Nephelokokkygia (ΝεφελοκοκκυγίαWolkenkuckucksheim“), zum anderen Die Weibervolksversammlung mit einer dem Kommunismus ähnelnden Gesellschaftsstruktur.

Der Mythos von Atlantis basiert nach allgemeiner Auffassung nicht auf einer Überlieferung, sondern wurde von Platon erdichtet. Ideengebend für das Konzept einer ‚paradiesischen Insel‘ mag dabei der aus der homerischen Odyssee stammende Mythos der Phaiaken und für die Idee eines goldenen Zeitalters Hesiods Werke und Tage gewesen sein.[47] Ob Platon weitere Mythen – direkt oder indirekt – als Vorlage insbesondere für die Beschreibung von Atlantis dienten, ist umstritten.

Während für ‚Ur-Athen‘ wohl in erster Linie Platons Idealstaatskonzept aus der Politeia als Grundlage diente, wird allgemein davon ausgegangen, dass Platon sich bei seiner Beschreibung von Atlantis an diversen historischen Vorbildern orientierte. Da es sich bei Atlantis um einen Feind der Athener handelt, lehnte Platon die Beschreibung von dessen Topografie und Staatsaufbau an zwei historischen Feinden der Griechen, Karthago und dem Perserreich, an.[48] Zudem ähnelt der von Platon skizzierte Krieg zwischen Atlantis und ‚Ur-Athen‘ sehr stark seiner Beschreibung der Perserkriege im Menexenos. Zugleich wird in der expansionistischen Seemachtspolitik von Atlantis auch ein Bezug auf die Athener Politik des 4. Jahrhunderts v. Chr. deutlich.[49]

Entstehung

Der Kritias ist eines der letzten von Platon verfassten Werke. Aufgrund der inneren Chronologie der Werke wird angenommen, dass Platon zunächst den Timaios vollendete und anschließend den Kritias begann und später abbrach. Es gibt aber auch Forscher, die von einer umgekehrten Abfassungsreihenfolge ausgehen.[50] Ebenfalls umstritten ist, ob Platon nach dem Kritias noch die Nomoi verfasste,[51] oder ob der Kritias wirklich sein letztes Werk war. Interessant ist dies insbesondere in Hinblick auf die Frage, warum der Kritias unvollendet blieb. Ein Teil der Forschung geht davon aus, dass Platon die Nomoi bereits vor dem Timaios und Kritias verfasst hatte und lediglich kurz vor seinem Tod noch einmal überarbeiten wollte. Beim Schreiben des Kritias habe Platon dann der Tod ereilt,[52] weshalb das Werk unvollendet blieb.[53] Der andere Teil der Forschung meint jedoch, dass Platon den Kritias bewusst abbrach, weil der Dialog seinen ihm zugedachten Zweck nicht mehr erfüllte.[54] Lukinovich beispielsweise sieht bereits in den ersten Zeilen des Timaios[55] eine Bezugnahme auf die Unvollständigkeit des späteren Kritias, indem die Absenz eines Gesprächspartners festgestellt wird.[56] Die tatsächlichen Gründe für den plötzlichen Abbruch des Kritias dürften jedoch nicht mehr vollständig zu ermitteln sein.

Da der Atlantis-Mythos überwiegend als Parabel auf die gescheiterte Seemachtspolitik Athens verstanden wird, bot vermutlich gerade die Niederlage der Athener im Bundesgenossenkrieg (357 – 355 v. Chr.) und das damit verbundene Ende des Zweiten Attischen Seebundes einen direkten Anlass zum Verfassen der Schrift.[57] Ebenso wird der Atlantis-Mythos im Timaios als Reaktion Platons auf die indirekten Vorwürfe Isokrates' gesehen, wonach Platons Politeia eine bloße Abschrift uralter ägyptischer Verhältnisse sei[58] (woraufhin Platon im Timaios schreibt, der Idealstaat in Athen wäre noch um 1000 Jahre älter als jener in Ägypten[59]). Daher lässt sich Isokrates' Busiris (370er v. Chr.) als Terminus post quem für den Timaios annehmen. Einen Terminus ante quem bietet der Areopagitikos, in welchem sich Isokrates auf Platons Timaios bezieht,[60] dessen Datierung jedoch ebenfalls umstritten ist: er soll kurz vor,[61] während[62] oder kurz nach[63] dem Bundesgenossenkrieg entstanden sein.

In der Annahme, dass der Kritias nach dem Timaios verfasst wurde, kommt damit als Entstehungszeitraum für den Kritias hauptsächlich die Mitte der 350er v. Chr. in Frage. Platon könnte die Schrift um 356 v. Chr. begonnen,[64] und spätestens 354 v. Chr. bei Ermordung des Dion von Syrakus aufgegeben haben.[65]

Überlieferung

Da Platon den Kritias nicht beendete, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Text vor dem Tod des Philosophen außerhalb der Akademie zugänglich war. Unklar ist, wann und von wem der Kritias veröffentlicht wurde. Der früheste Beleg der Schrift findet sich bei Aristophanes von Byzanz, dem Vorsteher der Bibliothek von Alexandria.[66]

Den modernen Editionen des Kritias liegen im Wesentlichen zwei mittelalterliche Handschriften zu Grunde. Zum einen der Codex Parisinus Graecus 1807, fol. 145-152 aus dem 9./10. Jahrhundert[67] und zum anderen der Codex Vindobonensis 55, supl. phil. gr. 39 aus dem 13./14. Jahrhundert. Daneben existieren einige weitere Handschriften.[68] Die wichtigsten modernen Editionen stammen von John Burnet und Albert Rivaud.

Rezeption

Siehe auch: Atlantis

Platons Kritias steht am Anfang der Entwicklung der Staatsutopie und kann deswegen als Vorbild für die zahlreichen Staatsutopien der Neuzeit gelten, angefangen bei der Utopia des Thomas Morus über Tommaso Campanellas La città del Sole und Francis Bacons Nova Atlantis bis hin zu Samuel Butlers Erewhon.

Wesentlich nachhaltiger war jedoch der Einfluss von Atlantis auf die Belletristik und die heutige Unterhaltungsindustrie. In vielen Romanen und Filmen wird das Thema Atlantis aufgegriffen, dabei jedoch komplett von Platons Intentionen und Beschreibung entfremdet. Zudem begeistert Atlantis als vermeintlich archäologischer Gegenstand zahlreiche Laien und Hobbyforscher.[69]

Der philosophische Gehalt des Kritias wird hingegen als eher gering eingestuft. So urteilte die Forschung bereits im 19. Jahrhundert, der Dialog „enthält kaum etwas dogmatisch Bedeutsames.“[70] Ebenso behauptete Alfred E. Taylor zu Anfang des 20. Jahrhunderts, der Kritias verdiene keine besondere Beachtung.[71] Diese Ansichten haben sich im Wesentlichen bis heute erhalten.[72] Für die moderne Platon-Forschung spielt der Kritias im Vergleich zur Politeia oder zum Timaios nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Editionen und Übersetzungen

  • John Burnet: Platonis Opera Bd. IV'. Oxford 1902.
  • Benjamin Jowett: The dialogues of Plato Bd. 3. Oxford 1871.
  • Heinz-Günther Nesselrath: Kritias. Übersetzung und Kommentar. Göttingen 2006, ISBN 3-525-30431-5
  • Albert Rivaud: Plato. Œuvres complètes (gr.-fr.) Bd. X, Timée, Critias. Paris 1925.

Literatur

  • Reinhold Bichler: Athen besiegt Atlantis. Eine Studie über den Ursprung der Staatsutopie. In: Conceptus 20, 1986, S. 71–88.
  • Francis Macdonald Cornford: Plato’s cosmology. The ‘Timaeus’ of Plato. London 1937.
  • Ephraim David: The problem of representing Plato’s ideal state in action. In: Rivista di Filologia e di Istruzione Classica 112, 1984, S. 33–53.
  • Christopher Gill: The genre of the Atlantis story. In: Classical Philology 72, 1977, S. 287–304.
  • Christopher Gill: Plato’s Atlantis Story and the Birth of Fiction. In: Philosophy and Literature 3, 1979, S. 64–78.
  • Reginald Hackforth: The Story of Atlantis: Its Purpose and Its Moral. In: Classical Review 58, 1944, S. 7-9.
  • Hans Herter: Altes und Neues zu Platons Kritias. In: Rheinisches Museum für Philologie 92, 1944, S. 236–265.
  • Hans Herter: Urathen der Idealstaat. In: P. Steinmetz (Hg.), Politeia und Res publica. Beiträge zum Verständnis von Politik, Recht und Staat in der Antike, dem Andenken R. Starks gewidmet (= Palingenesia Bd. 4), Wiesbaden 1969, S. 108–134. (auch in: Kleine Schriften, München 1975, S. 279–304)
  • Gijsbert Jonkers: The manuscript tradition of Plato’s Timaeus and Critias. Amsterdam 1989.
  • Laurence Lampert und Christopher Planeux: Who’s Who in Plato’s Timaeus-Critias and Why. In: The Review of Metaphysics 52, 1998, S. 88–125.
  • Kathryn A. Morgan: Designer history: Plato’s Atlantis story and fourth-century ideology. In: Journal of Hellenic Studies 118, 1998, S. 101–118.
  • György Németh: Kritias und die Dreißig Tyrannen. Untersuchungen zur Politik und Prosographie der Führungselite in Athen 404/403 v. Chr. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08866-0, ISBN 978-3-515-08866-4 .
  • Heinz-Günther Nesselrath: Platon und die Erfindung von Atlantis. Leipzig 2002. ISBN 3-598-77560-1
  • Isabel-Dorothea Otto: Der Kritias vor dem Hintergrund des Menexenos. In: Tomás Calvo und Luc Brisson (Hgg.): Interpreting the ‚Timaeus-Critias‘, Sankt Augustin 1997, S. 65–81, ISBN 3-89665-004-1.
  • Pierre Vidal-Naquet: Athènes et l’Atlantide. Structure et signification d’un mythe platonicien. In: Revue des Études Grecques 77, 1964, S. 420–444.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Diogenes Laertios III 60: Κριτίας ἢ Ἀτλαντικός Kritias ē Atlantikos „Kritias oder die Geschichte von Atlantis“.
  2. J. Eberz: „Die Bestimmung der von Platon entworfenen Trilogie Timaios, Kritias, Hermokrates“, in: Philologus 69, 1910, S. 40-50.
  3. So etwa von Calvo/Brisson 1997 oder Lampert/Planeux 1998.
  4. Walther Kranz: Studien zur antiken Literatur und ihrem Fortwirken, Heidelberg 1967, S. 343.
  5. So etwa Cornford 1937, S. 2: „The very fact that a man of such distinction left not the faintest trace in political or philosophic history is against his claim to be a historical person. The probability is that Plato invented him because he required a philosopher of the Western School, eminent both in science and statesmanship, and there was no one to fill the post at the imaginary time of the dialogue.“ (zu deutsch: „Die Tatsache, dass ein Mann von solcher Bedeutung nicht die geringste Spur in der politischen oder philosophischen Geschichten hinterlassen hat, widerspricht seinem Anspruch eine historische Person zu sein. Wahrscheinlicher ist, dass Platon ihn erfunden hat, da er einen Philosoph der Westlichen Schule brauchte, der sowohl in Wissenschaft als auch Politik bedeutend war, es aber zum fiktiven Zeitpunkt des Dialogs keine solche [Person] gab.“)
  6. Holger Thesleff: Studies in Platonic chronology, Helsinki 1982, S. 190: „Plato's picture of him has probably borrowed traits from various quarters.“ (zu deutsch: „Platons Darstellung [des Timaios] ist in seinen Zügen vermutlich aus verschiedenen Ecken entlehnt.“) ISBN 951-653-108-3
  7. Erich Frank: Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923, S. 379.
  8. Leben und Lehre der Philosophen III.52.
  9. a b Platon, Timaios 20d ff.
  10. Platons Mutter Periktione war die Tochter des Glaukon, welcher wiederum Bruder von Kritias' Vater Kallaischros war.
  11. Proklos, Kommentar zu Platons ‚Timaios‘ I p. 70, 21-24 Diehl = Scholast ad Platon, Timaios 20a.
  12. Etwa Jowett 1871, S. 526; Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Platon, Band 1: Leben und Werke, Berlin 1919, S. 466.
  13. Zuerst bei John Burnet: Greek Philosophy, Part 1: Thales to Plato, London 1914, S. 338.
  14. E. Zeller: Über die Anachronismen in den platonischen Gesprächen. Berlin 1873, S. 79-99.
  15. D. Fehling: Die sieben Weisen und die frühgriechische Chronologie. Bern 1985, S. 111-112.
  16. T. G. Rosenmeyer: „The Family of Critias”, in: American Journal of Philology 70, 1949, S. 404-10, insb. S. 408.
  17. Dmitrij V. Pančenko: Platon i Atlantida, Leningrad 1990, S. 137. ISBN 5-02-027177-2
  18. Platon, Kritias 108a5-b7.
  19. Thukydides IV 58, 65; VI 32, 35, 72f., 75, 81, 96, 99; VII 21, 73; VIII 26, 29, 45, 85.
  20. Xenophon, Hellenika I 1, 27.
  21. Plutarch, Nikias 21.
  22. Polyainos I 43.
  23. Platon, Timaios 20c5f.
  24. Platon, Timaios 17c1-3.
  25. Cornford 1937, S. 4: „There was nothing to prevent [Plato] from imagining Socrates describing his ideal state on more than one occasion. He tells us here that Socrates has outlined its institutions, and nothing more, on the previous day.“ (zu deutsch: „Es gibt nichts das Platon daran gehindert hätte, den [literarischen] Sokrates seinen Idealstaat mehr als einmal beschreiben zu lassen. Er erzählt uns hier [an dieser Textstelle], dass Sokrates die Institutionen [des Idealstaates], und nichts anderes, am Vortag umrissen hat.“)
  26. Nesselrath 2006, S. 55f.
  27. Thukydides V 4-5.
  28. A. E. Taylor: Plato. The man and his work, London 1926, S. 437.
  29. Lampert/Planeux 1998, S. 94f.
  30. Fritz Muthmann: Untersuchungen zur „Einkleidung“ einiger platonischer Dialoge, Bonn 1961, S. 95.
  31. Nesselrath 2006, S. 59.
  32. Platon, Timaios 20d ff.
  33. Platon, Politeia 486b10-13. Vgl. Otto 1997, S. 72f.
  34. Platon, Kritias 111b.
  35. Platon, Timaios 55d-e.
  36. Platon erklärt zudem, dass die überlieferten mythischen Könige Attikas – wie Kekrops, Erichthonios und Erechtheus – vielmehr einige jener andres theioi gewesen wären.
  37. Platon, Kritias 110c.
  38. Platon, Nomoi 704a-705c.
  39. Platon, Timaios 24e.
  40. Platon, Politeia 404c-d.
  41. a b Otto 1995, S. 75.
  42. Platon, Timaios 63c-d.
  43. Platon, Timaios 82b.
  44. Platon, Timaios 58d-59c.
  45. Platon, Timaios 73a.
  46. Bichler 1986, S. 71.
  47. Bichler 1986, S. 81.
  48. Nesselrath 2002, S. 24-30.
  49. Nesselrath 2002, S. 34f.
  50. Franz von Kutschera: Platons Philosophie III. Die späten Dialoge, Paderborn 2002, S. 87-88: „Der ursprüngliche Plan für die Trilogie Timaios – Kritias – Hermokrates sah wohl anders aus, als der uns vorliegende Text zunächst vermuten läßt. Erstens paßt der Timaios, den wir kennen, als naturphilosophische Abhandlung schlecht in den Kontext staatsphilosophischer Dialoge. Zweitens wird sein Inhalt im Kritias (106b3-4) als Theogonie charakterisiert, was gar nicht zum vorhandenen Text paßt. Drittens enthält der Timaios eine auffallend ausführliche Zusammenfassung des geplanten Inhalts des Kritias. […] All das spricht für die These von Ulrich von Wilamowitz, der Timaios sei später entstanden als der Kritias, und Platon habe das Projekt einer Trilogie schon aufgegeben, als er den Timaios schrieb. Der ursprüngliche Plan für diese Dialog habe sich bei der Ausführung geändert und das Resultat sei eine rein naturphilosophische Abhandlung gewesen, die den Rahmen der Trilogie gesprengt habe. Platon habe den früheren Plan für den Kritias deswegen so ausführlich im Timaios angegeben, weil er schon entschlossen war, ihn nicht mehr durchzuführen. […] Andererseits könnte die ausführliche Vorschau auf den Kritias auch dadurch motiviert sein, daß der Hörer über dem langen naturphilosophischen Exkurs die Zielrichtung der Trilogie nicht vergessen soll. Im Kritias (108e) wird ferner daran erinnert, daß die zu berichtenden Ereignisse schon 9000 Jahre zurück liegen – ein Punkt, der im Timaios ausgeführt wurde. Platon könnte aber zunächst gleichzeitig an beiden Dialogen gearbeitet haben. Klar ist wohl, daß sich das ursprüngliche Projekt des Timaios dann dramatisch verändert hat, und daß das – vielleicht zusammen mit der Einsicht in die philosophische Unergiebigkeit von Fiktionen über vergangene Weltkriege – das Projekt zum Scheitern brachte. Dann muß man aber wohl auch annehmen, daß Platon mit dem Kritias schon begonnen hatte, bevor er den Timaios vollendete.“
  51. Dies wird indirekt mit der Nachricht von Diogenes Laertios (III 37) überliefert, dass Platons Schüler Philippos von Opus τοὺς Νόμους […] μετέγραψεν ὄντας ἐν κηρῷ.
  52. Plutarch, Vitae, Solon 32: ὡς δὲ χώρας καλῆς ἔδαφος ὁ Πλάτων ἔρημον, αὐτῷ δέ πως κατὰ συγγένειαν προσῆκον, ἐξεργάσασθαι καὶ διακοσμῆσαι φιλοτιμούμενος τὴν Ἀτλαντικὴν ὑπόθεσιν, πρόθυρα μὲν μεγάλα καὶ περιβόλους καὶ αὐλὰς τῇ ἀρχῇ περιέθηκεν, οἷα λόγος οὐδεὶς ἄλλος ἔσχεν οὐδὲ μῦθος οὐδὲ ποίησις, [2] ὀψὲ δὲ ἀρξάμενος προκατέλυσε τοῦ ἔργου τὸν βίον, ὅσῳ μᾶλλον εὐφραίνει τὰ γεγραμμένα, τοσούτῳ μᾶλλον τοῖς ἀπολειφθεῖσιν ἀνιάσας. ὡς γὰρ ἡ πόλις τῶν Ἀθηναίων τὸ Ὀλυμπιεῖον, οὕτως ἡ Πλάτωνος σοφία τὸν Ἀτλαντικὸν ἐν πολλοῖς καλοῖς μόνον ἔργον ἀτελὲς ἔσχηκεν. (zu deutsch: „Platon bestrebte sich nun, diesen Stoff, die Geschichte von Atlantis, […] zu verschönern […]. Allein da er zu spät angefangen hatte, starb er vor der Vollendung des Werkes, und je mehr uns der fertige Teil ergötzt, desto mehr bedauern wir, dass noch so viel davon fehlt. Denn die Weisheit des Platon ließ unter so vielen trefflichen Werken nur die atlantische Geschichte, so wie die Stadt der Athener das Olympieion, unvollendet.“)
  53. G. R. Ledger: Re-counting Plato. A computer analysis of Plato’s style, Oxford 1989, S. 197: „[…] not only are the Timaeus and Critias late dialogues, but […] they were the last productions of Plato's pen, Critias being cut short by Plato's death.“ (zu deutsch: „Timaios und Kritias sind nicht nur Spätwerke, sie sind vielmehr die letzten Schriften aus Platons Feder, wobei der Kritias durch Platons Tod abgebrochen wurde.“)
  54. Nesselrath 2002, S. 41: „Gerade die Stelle, an der der Kritias abbricht und an der die Götter ziemlich überraschend und dann gleich massiv ins Geschehen eingreifen, ist dafür bezeichnend, und vielleicht sind Platon gerade bei dieser Szene denn auch Bedenken gekommen, ob er die Geschichte wirklich in dieser Weise weiterführen konnte: War nämlich (wie es an dieser Stelle aussieht) der große Krieg zwischen Athen und Atlantis von den Göttern vornherein als Strafe für die Hybris von Atlantis gedacht (wovon im Timaios noch nichts steht), so konnte sein Ausgang – als Strafgericht für Atlantis – ja gar nicht zweifelhaft sein; damit aber hätte auch die großartige Abwehrleistung von Ur-Athen nicht mehr Platons Hauptanliegen erfüllt, nämlich seinen Idealstaat in einer Stunde äußerster Bewährung vorzuführen, sondern die Ur-Athener wäre zu Marionetten der Götter ‚herab-funktionalisiert‘ worden und hätten nur noch als deren Instrument zur Züchtigung der Atlanter gedient, während sie doch ursprünglich das Hauptthema der Geschichte sein sollten.“
  55. Platon, Timaios 17a.
  56. Alessandra Lukinovich: „Un fragment platonicien. Le Critias“, in: Jacques Bouveresse u.a. (Hgg.), La question du fragment. Séminaire interdisciplinaire, semestre d’été 1981, Genf 1981, S. 43-48.
  57. Vidal-Naquet 1964, S. 348: „[…] date de la défaite d’Athènes dans la guerre sociale et de la fin du second empire athénien.“ (zu deutsch: „[Der Kritias] datiert mit der Niederlage der Athener im Bundesgenossenkrieg und dem Ende des Zweiten Attischen Seebundes.“)
  58. Isokrates, Busiris 15-20.
  59. Platon, Timaios 23d6-e4.
  60. Isokrates, orationes VII 74. Dazu auch Christoph Eucken: Isokrates. Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Philosophen, Berlin 1983, S. 211, ISBN 3-11-008646-8
  61. Robert W. Wallace: „The Date of Isokrates' Areopagitikos“, in: Harvard Studies in Classical Philology 90, 1986, S. 77-84. doi:10.2307/311460
  62. Eberhard Ruschenbusch: „PATRIOS POLITEIA. Theseus, Drakon, Solon und Kleisthenes in Publizistik und Geschichtsschreibung des 5. und 4. Jh. v. Chr.“, in: Historia 7, 1958, S. 398-424 [S. 407].
  63. Klaus Bringmann: Studien zu den politischen Idee des Isokrates (= Hypomnemata 14), Göttingen 1965, S. 76-81.
  64. Vidal-Naquet 1964, S. 348.
  65. Erich Frank: Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923, S. 218.
  66. Aristophanes von Byzanz Fragment 403 Slater = Diogenes Laertios III 61.
  67. H. D. Saffrey: „Nouvelles observations sur le manuscrit Parisinus graecus 1807“, in: American Journal of Philology 119, 1998, S. 293-307.
  68. Laurent. 85, 5 und 95, 9; Angel. 104; Ces. Malat. D XXXV.
  69. Joachim Rehork: Sie fanden, was sie kannten. Archäologie als Spiegel der Neuzeit, Bergisch Gladbach 1989, S. 147-165. ISBN 3-404-64082-9
  70. F. Ueberweg und K. Praechter: Grundriß der Geschichte der Philosophie. Erster Teil: Die Philosophie des Altertums, 14. Auflage, Basel 1964, S. 316.
  71. A. E. Taylor: Plato. The man and his work, London 1926, S. 461: “The Critias calls for no special consideration.” (zu deutsch: „Der Kritias bedarf keiner besonderen Beachtung.“)
  72. Franz von Kutschera: Platons Philosophie III. Die späten Dialoge, Paderborn 2002, S. 90: „Die Atlantiserzählung ist nicht mehr als eine Skizze, die einen gewissen Spaß Platons am Ausmalen phantasievoller Details belegt. Sie enthält keinen einzigen philosophischen Gedanken, und es ist auch nicht klar, wie solche Gedanken in dieser Geschichte hätten Platz haben sollen.“
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