Kristalle

Kristalle
Schema des Kristallgitters von Kochsalz (Natriumchlorid). In jeder Raumrichtung wechseln Natriumatome (grau) regelmäßig mit Chloratomen (grün) ab. Die eingezeichneten Oktaeder zeigen je ein Atom mit seinen sechs nächsten Nachbaratomen. Der Abstand zweier benachbarter Atome beträgt 0,56 Nanometer.

Ein Kristall ist ein Körper, dessen Atome oder Moleküle nicht zufällig, sondern regelmäßig in einem Kristallgitter angeordnet sind.

Bekannte Kristallmaterialien sind z. B. Kochsalz, Zucker, Schmucksteine, aber auch die Metalle.

Inhaltsverzeichnis

Genauere Definition, Unterscheidungen

Ein Kristall ist dreidimensional periodisch aus gleichbleibenden Struktureinheiten aufgebaut. Diese Struktureinheit heißt Einheitszelle oder Elementarzelle. Ein Kristall ist also ein homogener, aber anisotroper Körper. Die Wissenschaft, welche die Eigenschaften und Formen von Kristallen erforscht, ist die Kristallographie.

Je nach Ausprägung der äußeren Form unterscheidet man

  • unbeeinträchtigt ausgebildete, sogenannte idiomorphe (altgriechisch ἲδιος eigen und μορφἠ Gestalt) Kristalle und
  • xenomorphe (altgriechisch ξένος fremd und μορφἠ Gestalt) Kristalle oder Kristallite, deren äußere Form durch fremde Grenzflächen bestimmt ist.

Der idiomorphe Kristall weist in seiner äußeren Form auf das jeweilige Kristallgitter hin. Deshalb sind z. B. ungestört gewachsene Kochsalzkristalle (siehe Abbildung oben) würfel- oder quaderförmig.

Im Regelfall liegt ein kristalliner Festkörper als Polykristall und nicht als Monokristall vor, das heißt der Körper besteht aus vielen kleinen Kristallen (Kristalliten), die durch Korngrenzen voneinander getrennt sind. Liegen verschiedene Kristallarten nebeneinander vor, so spricht man von Phasengrenzen.

Außer Kristallen gibt es auch Körper, die keine innere (Fern)Ordnung haben, beispielsweise Glas. Sie werden amorph genannt (auch sogenanntes Kristallglas gehört dazu). Weiter gibt es Quasikristalle, die zwar wohlgeordnet sind, jedoch keine dreidimensionale Translationssymmetrie besitzen und aus mehreren unterschiedlichen Struktureinheiten aufgebaut sein können. Wenn eine Flüssigkeit anisotrop ist und dadurch einige Eigenschaften eines Kristalls aufweist, bezeichnet man sie als Flüssigkristall.

Wortherkunft

Der Begriff Kristall stammt von dem griechischen Wort κρύσταλλος (krýstallos) für Eis ab. Bei dem bereits im antiken Griechenland betriebenen Bergbau wurden wahrscheinlich Quarz-Kristalle entdeckt, die für Eis gehalten wurden, welches bei so tiefen Temperaturen entstanden sein müsse, dass es nicht mehr schmelzen könne. Diese Ansicht war bis ins frühe Mittelalter verbreitet. Daher stammt die Bezeichnung „Krystall“, die sich im Laufe der Zeit zu „Kristall“ gewandelt hat.

Klassifikation und Struktur

Chromalaun (KCr(SO4)2·12H2O) Oktaeder

Alle möglichen Kristallgitter lassen sich im Rahmen der Gruppentheorie anhand ihrer Kristallklassen in 230 kristallographische Raumgruppen klassifizieren, welche ihrerseits auf den Punktgruppen und den Bravais-Gittern basieren (siehe auch Kristallsystem). Die Kristallstruktur ist jedoch nicht stoffspezifisch, das heißt eine Substanz bzw. ein Mineral kann je nach äußeren Bedingungen (Druck, Temperatur etc.) unterschiedliche thermodynamisch stabile Strukturen besitzen, welche man als Modifikationen bezeichnet.

Die Regelmäßigkeit im Inneren spiegelt sich mitunter auch in der makroskopischen Gestalt des idiomorphen Kristalls wider. So sind zum Beispiel Eiskristalle sechseckig, während Kochsalzkristalle würfelförmig sind. Das äußere Aussehen eines Kristalls wird durch die voneinander unabhängigen Merkmale Kristallhabitus und Kristalltracht bestimmt. Die Kristallflächen werden ebenso wie Gitterebenen durch Millersche Indizes beschrieben. Die Untersuchung von Kristallstrukturen ist Aufgabenfeld der Kristallstrukturanalyse.

Gitterfehler

Ein realer Kristall enthält Gitterfehler, das heißt die dreidimensional-periodische Anordnung der Atome ist gestört. Man unterscheidet Punktfehler, Linienfehler, Flächenfehler und Volumenfehler. Punktfehler sind die einzigen Gitterfehler, die auch im thermodynamischen Gleichgewicht vorkommen (s. Gleichgewicht (Physik)).

Kristallisation

Ein Kristall entsteht, wenn die Temperatur einer Schmelze langsam genug unter den Schmelzpunkt sinkt und daraufhin die thermische Bewegung der einzelnen Atome einen so geringen Wert annimmt, dass die gegenseitigen Bindungen durch Schwingungen nicht mehr aufgebrochen werden können - es kommt zur Bildung eines einheitlichen Gitters, das durch Fernordnung geprägt ist. Das einheitliche Gitter hat eine geringere freie Enthalpie als das amorphe Glas, welches lediglich über eine Nahordnung verfügt. Man bezeichnet diesen Vorgang als Kristallisation.

Die Bildung eines Kristalls ist ein exergonischer Prozess: Zwar nimmt die Entropie im System ab (wegen Zunahme der Fernordnung), bei Temperaturen bis zum Schmelzpunkt wird dies jedoch durch eine Enthalpieabnahme infolge Anziehung zwischen den Teilchen (= Kristallisationswärme) überkompensiert.

Ausgangspunkt für die Kristallbildung ist ein Kristallisationskeim, der bei sinkender Temperatur wächst. Existieren viele solcher Kristallkeime oder setzt die Kristallisation an mehreren Stellen gleichzeitig ein, so entsteht ein Polykristall. Sinkt die Temperatur der Schmelze so schnell, dass sich die Atome nicht periodisch anordnen können, so entsteht ein amorphes Material, ein Glas. In vielen Fällen kommt es im Zuge der Kristallisation zu einem Verwachsen zweier Kristalle gleicher Struktur und Zusammensetzung, welche man in Folge als Kristallzwilling bezeichnet.

Unter einer Umkristallisation versteht man die Änderung einer Kristallstruktur, bedingt durch die Änderung äußerer Faktoren wie den Druck- und Temperaturbedingungen. Hierbei wechselt der kristalline Feststoff seine Modifikation.

Die künstliche Herstellung von Kristallen bezeichnet man als Kristallzucht.

Eigenschaften

Kristalle haben eine höhere Dichte als ihre amorphen Gegenstücke. Nichtmetallische anorganische Kristalle sind härter, aber auch spröder. Alle Metalle erstarren im Regelfall kristallin.

Das Verhalten von Licht in Kristallen wird durch die Kristalloptik beschrieben. Wichtige hiermit verbundene Eigenschaften und Phänomene sind die optische Aktivität, die Polarisation, die Doppelbrechung und der Pleochroismus. Periodische dielektrische Strukturen, so genannte photonische Kristalle, zeigen neuartige optische Eigenschaften.

Formen und Beispiele

Amethyst

Viele Schmucksteine sind besonders schöne und große Kristalle verschiedener Minerale, meistens mit großer Härte. Der Bergkristall ist eine farblose, durchsichtige Variante von kristallinem Quarz; die violette Variante ist der Amethyst. Der Diamant ist eine kristalline Form des Kohlenstoffs und das härteste natürlich vorkommende Mineral. Auch Silizium kristallisiert im Diamantgitter. Es ist zurzeit der Stoff, der am häufigsten in großen Mengen einkristallin, also als Monokristall, verwendet wird, nämlich in der Halbleitertechnik. Im Gegensatz dazu weist Galliumarsenid (GaAs) die so genannte Zinkblende-Struktur auf. Die Nanotechnologie befasst sich unter anderem mit Nanokristallen. Auch organische Stoffe, z.B. die Proteine, bilden Kristalle.

Literatur

  • Anthony R. West (2000): Grundlagen der Festkörperchemie. Wiley-VCH, Weinheim. ISBN 3-527-28103-7
  • Fischer/Hofmann/Spindler (2003): Werkstoffe in der Elektrotechnik Hanser Verlag: ISBN 3-446-22082-8
  • Ashcroft, Neil W. (2001): Festkörperphysik. München, Wien: Oldenbourg. ISBN 3-486-24834-0
  • Walter Borchardt-Ott (2002): Kristallographie. Springer. ISBN 3-540-43964-1
  • Charles Kittel (2002): Einführung in die Festkörperphysik. Oldenbourg. ISBN 3-486-27219-5
  • Will Kleber, Hans-Joachim Bautsch, Joachim Bohm (1998): Einführung in die Kristallographie. Oldenbourg. ISBN 3-486-27319-1
  • Konrad Kopitzki, Peter Herzog (1989): Einführung in die Festkörperphysik. 2. Auflage. Teubner, Stuttgart. ISBN 3-519-33083-0
  • Ulrich Müller (2004): Anorganische Strukturchemie. Teubner. ISBN 3-519-33512-3
  • Lesley Smart, Elaine Moore (1997): Einführung in die Festkörperchemie. Springer. ISBN 3-540-67066-1
  • Bernhard Bill (2003): Messen mit Kristallen. Moderne Industrie. ISBN 3-478-93269-6
  • Okrusch, Matthes (2005): Mineralogie Springer. ISBN 3-540-23812-3

Weblinks


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