Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven

Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven
Stapellauf des Schlachtschiffs Tirpitz am 1. April 1939, größter Neubau der Kriegsmarinewerft

Die Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven (KMW) in Wilhelmshaven war die bedeutendste Marinewerft in der Zeit des Deutschen Reiches bis 1945.

Sie entstand nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aus der Kaiserlichen Werft Wilhelmshaven und trug bis 1935 den Namen Reichsmarinewerft. Sie ging anschließend in Besitz der Kriegsmarine über und war in erster Linie mit Reparatur, Umbau und Wartung von Kriegsschiffen befasst. Neubauten wurden in der Regel nur als „Füllaufträge“ angenommen, um den hohen Stand an Personal, Wissen und Maschinen zu halten.

Seit 1957 besteht auf dem Gelände der ehemaligen Werft ein Marinearsenal für die Bundesmarine bzw. Deutsche Marine.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Stapellauf von 4 Torpedobooten der Raubtier-Klasse am 15. März 1928
Tribüne mit Werftarbeitern beim Stapellauf von 4 Torpedobooten am 15. März 1928
Stapellauf des Kreuzers Köln am 23. Mai 1928

Das Ende des Ersten Weltkrieges beendete auch die Tätigkeit der Kaiserlichen Werft Wilhelmshaven, nachdem die letzten Flotteneinheiten Ende 1918 abgezogen worden waren.

Der Friedensvertrag von Versailles verbot Deutschland den Bau von Kriegsschiffen. Entsprechend wurde die Kapazität der Werft reduziert. Zur Überbrückung wurden unter anderem Lokomotiven repariert und zivile Schiffbauaufträge angenommen. Für die in Wilhelmshaven neu gegründete Hochseefischerei wurden Fischdampfer und Fischkutter gebaut, für eine Reederei mehrere Fracht- und Passagierdampfer. Ab 1919 blühte dann das Abwrackgeschäft. Bis 1923 wurden an die 300 Kriegs- und Handelsschiffe sowohl aus Deutschland als auch aus dem Ausland verschrottet.

Die Werft nannte sich zu dieser Zeit Industriewerke Rüstringen. Nachdem am 1. Januar 1921 aus der Vorläufigen Reichsmarine die Reichsmarine entstand, erfolgte später auch die Umbenennung in Reichsmarinewerft.

Der erste Neubau eines Kriegsschiffs war der von 1921 bis 1925 gebaute Leichte Kreuzer Emden. Das letzte große Schiff der KMW war das von 1936 bis 1941 gebaute Schlachtschiff Tirpitz.

Mit der ab 1935 gültigen Bezeichnung Kriegsmarine für die Reichsmarine wurde im selben Jahr auch die Werft in Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven umbenannt.

In den Folgejahren kam es dann zu erneuten umfangreichen Erweiterungen der Werftanlagen. Es entstand die neue Nordwerft mit weiteren Docks, Hafenanlagen und den zugehörigen Schleusen. Großen Einfluss auf die Erweiterung der Werft nahm der sogenannte Z-Plan für die Aufrüstung der Kriegsmarine, der jedoch nie realisiert wurde.

Mit Kriegsbeginn 1939 verschoben sich die Aktivitäten der Werft. Der Bau bereits begonnener oder geplanter Großkampfschiffe wurde eingestellt, die Tätigkeiten beschränkten sich in der Folgezeit auf den Bau kleinerer Kriegsfahrzeuge und U-Boote sowie auf Reparaturarbeiten und Beseitigung von Gefechtsschäden an Schiffen.

Als bedeutende Produktionsstätte der Rüstungsindustrie wurde die Werft über einhundertmal von alliierten Luftstreitkräften angegriffen, wobei es zu zahlreichen Schäden und Menschenverlusten, auch unter der Zivilbevölkerung Wilhelmshavens, kam. Obwohl teilweise zerstört, blieb die Werft aber immer in Betrieb.

Anfang 1945 betrug die Belegschaftsstärke der Werft etwa 17.000 Mitarbeiter, darunter ca. 2000 Häftlinge aus dem KZ Wilhelmshaven und dem Gestapo-Straflager Lager Schwarzer Weg.

Am 6. Mai 1945 rückten kanadische und polnische Streitkräfte in die Stadt Wilhelmshaven ein.

Die Werft wurde zum Sammelplatz von Schiffen, die repariert werden mussten und anschließend an die Siegermächte auszuliefern waren. Mitte 1946 begann dann die Demontage der Werft, anschließend deren Zerstörung. Ca. 95% der Gebäude wurden gesprengt und abgetragen. Ebenso wurde ein großer Teils des Hafengeländes vollständig zerstört, Hafenbecken und Zufahrten zugeschüttet. Damit hatte die Werft praktisch aufgehört zu existieren.

Heutige Verwendung

Ab 1957 entstanden auf dem Gelände der ehemaligen Kriegsmarinewerft innerhalb von etwa 15 Jahren zahlreiche neue Gebäude, die bis heute als Marinearsenal der Deutschen Marine genutzt werden. Wie früher besteht die Hauptaufgabe in der Erhaltung und Instandsetzung von Marinefahrzeugen.

1978 waren bereits wieder etwa 6.000 Mitarbeiter dort beschäftigt.

Von der ehemaligen Werft sind nur noch das Haupttor (Tor 1), die mittlerweile modifizierte Schiffbauhalle und Teile der ehemaligen Werftfeuerwehr vorhanden. Größtes noch existierendes Exponat der Werft ist der Schwimmkran „Langer Heinrich“, der mittlerweile in Genua stationiert ist.

Schiffe der Reichs- und Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven

(Auswahl; angeführte Jahreszahlen beziehen sich auf die Indienststellung der Schiffe)

  • 1920 bis 1923, Bau von insgesamt 28 Fischdampfern
  • 1922 , Bau Nr. 66 bis 69, Bau von vier Fracht- und Passagierdampfern für die Hugo Stinnes AG
  • 1925, Bau Nr. 100, Leichter Kreuzer Emden, erster Neubau der Reichsmarine nach dem Ersten Weltkrieg, in der Werft in Kiel im April 1945 von britischen Bomben schwer beschädigt, in der Heikendorfer Bucht im Mai 1945 gesprengt und dort bis 1948 verschrottet
  • 1924, Bau Nr. 101, Umbau eines Kanonenboots zum Vermessungsschiff Meteor, 1945 der UdSSR zugesprochen und dort als Ekvator in Dienst gestellt
  • 1925 bis 1927, Torpedoboot Möwe und fünf weitere Boote der Raubvogel-Klasse
  • 1929, Bau Nr. 108, Leichter Kreuzer Königsberg, Typschiff der K-Kreuzer (Königsberg-Klasse), im April 1940 nach britischem Luftangriff im Hafen von Bergen gekentert, im Juli 1942 gehoben und als Pier für U-Boote verwendet, erneute Kenterung im September 1944, nach Kriegsende in Bergen abgewrackt
  • 1928 bis 1929, Torpedoboot Wolf und fünf weitere Boote der Raubtier-Klasse
  • 1930, Bau Nr. 116, Leichter Kreuzer Köln, 1945 bei Reparaturarbeiten in der KM-Werft durch Bomben versenkt, 1946 verschrottet
  • 1931, Bau Nr. 117, Leichter Kreuzer Leipzig, 1946 mit Gasmunition beladen vor dem Skagerrak versenkt
  • 1931, Bau Nr. 118, Artillerie-Schulschiff Bremse, 1941 nahe Nordkap von britischen Kreuzern versenkt
  • 1934, Bau Nr. 123, Panzerschiff Admiral Scheer, im Bauhafen der Deutschen Werke Kiel durch mehrere Bombentreffer im April 1945 zum Kentern gebracht, Wrack vor Ort teilweise abgebrochen
  • 1936, Bau Nr. 124, Panzerschiff Admiral Graf Spee, 1939 in der Mündung des Río de la Plata nach Gefecht mit britischen Kreuzern selbst versenkt
  • 1939, Bau Nr. 125, Schlachtschiff Scharnhorst, im Dezember 1943 von britischen Kriegsschiffen vor dem Nordkap versenkt
  • 1941, Bau Nr. 128, Schlachtschiff Tirpitz, im November 1944 vor Tromsø (Norwegen) durch britische „Tallboy"-Bomben zum Kentern gebracht, in den 1950er Jahren vor Ort abgewrackt
  • 1941 bis 1944, Insgesamt 27 Unterseeboote des Typs VII C: U 751 bis U 768 und U 771 bis U 779, weitere Boote wurden während des Baus bereits zerstört oder der Bau wurde abgebrochen
  • 1942-1946 Peilschiff Greif, Ausserdienststellung am 10. Januar 2011

Literatur

  • G. Koop, K. Galle, F. Klein: Von der Kaiserlichen Werft zum Marinearsenal. Bernard & Graefe Verlag, München 1982, ISBN 3-7637-5252-8

Weblinks


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