Korrupt

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Wahrnehmung der Korruption (durch stichprobenartige Meinungsumfrage unter der Bevölkerung) im internationalen Vergleich (Stand: 2007)

Korruption (lat. corruptus – bestochen) im juristischen Sinn ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer Funktion in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik oder auch nichtwirtschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen, zum Beispiel auch Stiftungen, um einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlich begründeter Anspruch besteht. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Im politischen Sinn ist Korruption nach einer Definition des Politikwissenschaftlers Harold Dwight Lasswell die Verletzung eines allgemeinen Interesses zu Gunsten eines speziellen Vorteils.

In einer weiter gefassten Definition bedeutet Korruption auch „moralische Verdorbenheit“.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In Europa hatte die Korruption in den feudalen Flächenstaaten des 18. Jahrhunderts einen systematischen Charakter. Friedrich II. bestach Minister am Hof von Kaiserin Maria Theresia und ging davon aus, dass diese ihrerseits seine Minister bestach. Diplomaten hatten gewissermaßen ein Anrecht darauf, bestochen zu werden. Beamte des preußischen Hofes waren Diener des Königs, die sich von sogenannten Sporteln zu ernähren hatten, Vergütungen in Geld oder Naturalien, die der Empfänger der Dienstleistung zu entrichten hatte. Bis zum Ende des Kaiserreiches erhielten preußische Beamte nur etwa zwei Drittel des Gehaltes, das sie zur Finanzierung desjenigen Lebensstils benötigten, der von ihnen auf Grund des Dienstranges erwartet wurde. Zum Ausgleich gab es Beihilfen, eine Einrichtung, die sich noch heute im Besoldungswesen findet, und zusätzlich Erlaubnis zum Nebenerwerb, die allerdings auch eingeschränkt war. Ein Erlass des preußischen Königs verbot seinen Beamten das Fiedeln in Kaschemmen. Die Vollbesoldung von Beamten ist in der jüngeren europäischen Vergangenheit eine fortschrittliche französische Erfindung. Bekannt ist auch Bismarcks Reptilienfonds, über den er freihändig verfügen konnte.

Definitionen

Was wird im juristischen Sinn unter Korruption verstanden?

Kernelement von korruptem Verhalten ist das Ausnutzen einer Machtposition, sei es auch bei einer geringen Macht, für den persönlichen Vorteil und unter Missachtung universalistischer Verhaltensnormen, seien es moralische Standards, Amtspflichten oder Gesetze. Im Sinne einer sozialen Interaktion werden für die Beteiligten vorteilhafte Leistungen ausgetauscht, beispielsweise Entscheidungsbeeinflussung gegen Geld. Die Sichtweise der Korruption als einfacher Tausch ist aber verfehlt. Würde man Korruption nur als Tausch zwischen zwei Akteuren zu ihrem gegenseitigen Vorteil ansehen, könnte man sie nicht von anderen Austauschbeziehungen (z. B. auf einem Markt) unterscheiden. Auch der Zusatz, dass es sich um einen illegalen Tausch handelt ist nicht eindeutig. Hehlerei ist z. B. auch ein illegaler Tausch. Dabei handelt es sich aber nicht um Korruption. Am besten kann man Korruption als ein Phänomen mit drei beteiligten Akteuren verstehen, dem Bestechenden, dem Bestochenen und dem Auftraggeber des Bestochenen. In der ökonomischen Literatur werden diese als Klient, Agent und Prinzipal bezeichnet. Prinzipal und Agent haben eine vertragliche Beziehung, in der der Prinzipal den Agenten mit einer Aufgabe betraut und ihm zur Erfüllung dieser Aufgabe einen Spielraum und Mittel überlässt, innerhalb dessen er sich bewegen kann. Dies ist die schon angesprochene Machtposition. Diese nutzt der Agent aus, um dem Klienten etwas im Tausch anbieten zu können.

Korruption bezeichnet die Aktivitäten des „Gebenden“ wie des „Empfängers“ (vgl. die Definition von Myrdal 1989: 405). In vielen Gesetzbüchern wird dementsprechend von aktiver Bestechung und passiver Bestechung (Bestechlichkeit) gesprochen. Mindestens einer der Kooperationspartner missbraucht eine Macht- bzw. Vertrauensposition und gerät deshalb in einen Normkonflikt zwischen offiziellen, universalistischen Normen und partikularistischen Normen. Die Beteiligten müssen abwägen, ob sie den erzielbaren Vorteil durch Korruption höher gewichten als die erwartbaren negativen Sanktionen bei einer möglichen Aufdeckung.

Nach deutschem Recht

Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. In Deutschland sind dies Straftatbestände. Sie sind geregelt in den §§ 331 ff. StGB[1], wenn so genannte Amtsträger betroffen sind. Im geschäftlichen Verkehr sind insoweit die §§ 298 ff. StGB[2] einschlägig.

Transparency International

Transparency International definiert Korruption als Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. (Corruption is operationally defined as the misuse of entrusted power for private gain.) [3]

Formen der Korruption

Im Sinne der § 331 ff. StGB erfolgt Korruption

  • in aktiver Form (Fordern, Anbieten und Versprechen eines Vorteils, Vorteilsgewährung, Bestechung, Schmiergeldzahlung).

Das Annehmen von Vorteilen und das sich als bestechlich „Bereitzeigen“ ist im Grunde immer auch eine aktive Handlung/Haltung.

Der „Vorteilsnehmer“ fordert oft aktiv einen Vorteil ein – dies kann bis zu einer Erpressung gehen. Potenzielle Auftragnehmer werden dann vor die Alternative gestellt: Ohne Bakschisch kein Auftrag. Geforderte Vorteile sind im Sinne des § 331 Abs. III StGB immer strafbar. Eine Genehmigung führt nicht zur Straffreiheit.

Im Falle der Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB nimmt der Amtsträger den Vorteil an, auf den er keinen Rechtsanspruch hat – quasi als ein Äquivalent für seine Dienstausübung. Es muss keine rechtswidrige Diensthandlung vorliegen.

Bestechlichkeit und Bestechung im Sinne der §§ 332 und 334 StGB gehen immer mit einer Dienstpflichtverletzung des „Nehmers“ einher, also einer rechtswidrigen Diensthandlung. Die Diensthandlung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

Da die §§ 331 ff. StGB auch Vorteile umfassen, die Dritten gewährt werden, kann auch das Sponsoring oder die Spendengewährung (siehe auch Parteispende) an öffentliche Körperschaften oder Parteien ein Einfallstor für Korruption sein. Sponsoring und Spenden erfüllen grundsätzlich den objektiven Tatbestand einer Vorteilsgewährung im Sinne der §§ 331 ff. StGB.

Wer Amtsträger ist, bestimmt sich nach der Regelung des § 11 I Nr. 2 StGB. Grundsätzlich keine Amtsträger sind nach BGH-Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: 5 StR 453/05, die Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften (Stadtrat, Gemeinderat), es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen. Der BGH sieht hier allerdings gesetzgeberischen Handlungsbedarf. In allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens hat das gewandelte öffentliche Verständnis einer besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten geführt (insbesondere durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 BGBl I S. 2038). Diese Entwicklung ist bislang an dem Tatbestand der Abgeordnetenbestechung vorbeigegangen. Der Straftatbestand des § 108e StGB wird deshalb vielfach als praktisch bedeutungslose „symbolische Gesetzgebung“ angesehen, die mit der Überschrift nur auf den ersten Blick – und namentlich der Öffentlichkeit – vortäuscht, dass Abgeordnete unter dem Gesichtspunkt der Bestechungsdelikte den Amtsträgern wenigstens annähernd gleichgestellt wären. Bisher ist erst einmal ein Abgeordneter nach dieser Norm verurteilt worden[3].

Dritter im Sinne der §§ 331 ff. StGB kann auch die eigene Anstellungskörperschaft des Amtsträgers sein. Ein Straftatbestand ergibt sich etwa dann, wenn Sponsoring/Spenden gekoppelt werden mit Auftragserteilungen/Vertragsabschlüssen der empfangenden Verwaltungseinheit (Unrechtsvereinbarung).

Zu korruptiven Handlungen gehören auch – allerdings nicht in strafrechtlicher Hinsicht – jene Stellenbesetzungen in Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen, die unter parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgen Ämterpatronage[4], Nepotismus (Vetternwirtschaft), Klientelismus.

Auswirkungen von Korruption

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der Justiz führt Korruption zu hohen materiellen, aber auch enormen immateriellen Schäden (Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger). So kann es beispielsweise zu Auftragsvergaben an Unternehmen kommen, obwohl sie teurere oder qualitativ schlechtere Leistungen erbringen als solche Unternehmen, die bei einer objektiven und transparenten Ausschreibung ausgewählt würden. Die den Amtsträgern gewährten Vorteile werden in der Regel bei der Rechnungsstellung eingerechnet. Deshalb werden dann Leistungen abgerechnet, die entweder gar nicht oder nicht in dem ausgewiesenen Umfang erbracht wurden. Die finanziellen Lasten hat letztlich der Steuerzahler zu tragen. Eine Ausnutzung öffentlicher Positionen zum privaten Vorteil ist gemeinwohlwidrig. (Hans Herbert von Arnim, „Korruption, Netzwerke in Politik, Ämtern und Wirtschaft“, München 2003, Seite 24).

Im Gesundheitswesen führt Korruption einerseits zu überhöhten Preisen, und sie erschwert andererseits den Zugang zu medizinischen Leistungen. Weiterhin kann sie dazu führen, dass sich Therapieformen oder Medikamente etablieren, die objektiv betrachtet keine medizinisch optimale Behandlung darstellen. Sogar an Pflegepersonen während der Behandlung verabreichte Trinkgelder bestechen, wenn sie Vorteile bis hin zu Zwei-Klassen-Medizin verursachen können. In Krankenhäusern in China ist Bestechung (manchmal) vorausgesetzt.

Generell führt Korruption dazu, dass die Leistungen von Organisationen in ihrem Umfang abnehmen oder qualitativ schlechter werden, die dafür zu entrichtenden Geldbeträge aber steigen. Nach Angaben der Weltbank muss durchschnittlich jeder Mensch rund 7 % seiner Arbeitsleistung für Korruptionsschäden aufbringen.

Das Korruptionsdilemma

Der Vorteil des Korrumpierten ist stets der Nachteil der Organisation, die ihn beschäftigt oder beauftragt hat. Gewinnorientierte Unternehmen sind daher darauf bedacht, die Korrumpierung ihrer Mitarbeiter zu verhindern. Es zeigt sich bezüglich Korruption indes ein grundsätzliches Dilemma: Einerseits liegt es im vitalen Interesse der Unternehmen, Korruption zu unterbinden, da sie diese ab einem gewissen Punkt in den ökonomischen Ruin treiben würde. Andererseits sind integre Unternehmen jederzeit durch jene anderen Marktakteure ausbeutbar, die durch Bestechungen die lukrativen Aufträge und damit ökonomische Vorteile generieren.

Obiges Dilemma besteht nur dann nicht mehr, wenn Korruption ausnahmslos aller Unternehmen in diesem Markt effektiv unterbunden wird. Nur dann sind „integre Unternehmen“ eben nicht mehr „ausbeutbar“. Das Dilemma besteht aber gerade darin, dass ein einzelnes Unternehmen in der Situation, in der alle anderen nicht korrumpieren, die höchsten Gewinne aus Korruption einfahren kann. Jedes einzelne Unternehmen hat also einen extrem hohen Anreiz zu korrumpieren, sei es um höhere Gewinne zu machen oder um nicht der einzige „Dumme“ zu sein, der nicht korrumpiert und deshalb aus dem Markt ausscheiden muss. Das Dilemma weist darauf hin, dass die Bekämpfung der Korruption schon durch ein – im Extremfall – einzelnes „schwarzes Schaf“ verhindert werden kann. Es weist aber auch den Weg zu einer weiteren Möglichkeit der Bekämpfung. Indem nämlich nicht moralisch an die Unternehmen appelliert wird, ihren Profit zu missachten, sondern indem ihr Profitstreben zur Bekämpfung der Korruption genutzt wird. Dies kann geschehen durch eine Änderung der Dilemmasituation selbst. Wenn Korruption bekämpft werden soll, müssen den Unternehmen auch Anreize geboten werden, dies tatsächlich auch umzusetzen. Hierzu werden in der Wissenschaft verschiedene Vorschläge diskutiert, z. B. die Einführung des Unternehmensstrafrechts in Deutschland oder die Umsetzung von Kronzeugenregelungen in Korruptionsfällen.

Manchmal wird behauptet, dieses Korruptionsdilemma besteht bei öffentlichen Unternehmen kurzfristig nicht, da zum einen die Absicht der Gewinnerzielung eine eher untergeordnete Rolle spielt und zum anderen der Konkurs durch eine Unterstützung der öffentlichen Hand abgewendet werden kann. Dies stimmt nur zur Hälfte. Tatsächlich haben öffentliche Unternehmen nur wenige Anreize, andere Unternehmen zu bestechen. Das gilt aber nicht für alle Mitarbeiter dieses Unternehmens. Wenn ein einzelner Mitarbeiter z. B. hohe Boni erhält für die Akquise von Aufträgen, dann hat dieser einen Anreiz, dafür u.U. auch korruptive Mittel zu verwenden. Darüber hinaus sind natürlich gerade öffentliche Unternehmen und deren Mitarbeiter in hohem Maße dafür anfällig selbst bestochen zu werden. Gerade weil keine Gewinnerzielungsabsicht besteht, hat die Kontrolle über die effiziente Mittelverwendung, z. B. bei der Vergabe von Bauaufträgen, nicht dasselbe Ausmaß wie in privaten Unternehmen. Die Möglichkeiten für korrupte Akteure, sich durch Korruption Renten anzueignen ist in solchen Unternehmen daher höher. Ein Argument für mehr öffentliche Unternehmen aus Gründen der Korruptionsprävention lässt sich daher nur schwer finden – ganz im Gegenteil.

Korruptionsbekämpfung

Damit nach der Prinzipal-Agent-Klient-Theorie keine Korruption stattfindet, muss entweder bei der Gewährung der Macht (Unterbindung der Prinzipal-Agent-Interaktion) oder beim Handel zw. Agent und Klient (Unterbindung der Agent-Klient-Interaktion) eingegriffen werden. Im Folgenden soll es vor allem um die letztere Interaktion gehen.

Um die Agent-Klient-Interaktion zu unterbinden, ist sie mit Strafandrohung zu belegen und mögliche Agent-Klient-Interaktionen sind transparent zu machen.

Die Bekämpfung von Korruption fokussierte sich in Deutschland klassischerweise bislang vor allem aus (straf-)rechtlicher Perspektive. Immer mehr stellen jedoch auch andere Fachdisziplinen Überlegungen an, um den mannigfaltigen Korruptionsphänomenen Einhalt zu gebieten.

Transparency International gibt ein „Corruption Fighters’ Tool Kit“ heraus [4].

Beim Lobbyismus gibt es ähnliche Interaktionen wie die Agent-Klient-Interaktionen. Diese müssen jedoch nicht notwendigerweise in Korruption münden. LobbyControl ist ein Verein in Deutschland, der über Einflussnahme von Interessengruppen (Klient) auf Staatsorgane (Agent) berichtet.

Probleme

Korruption wird durch verschiedene Umstände gefördert (bzw. ihre Bekämpfung behindert):

  • Dabei kann zwischen zwei Arten der Korruption unterscheiden werden: "Die erste hat eine Nähe zur Erpressung. Hier wird eine Machtstellung ausgenutzt, um Interaktionspartnern Sonderleistungen abzunötigen. Es handelt sich um Belastungskorruption. Sie ist vor allem in Entwicklungsländern weit verbreitet. Die zweite Art dominiert in entwickelten Rechtsstaaten wie Deutschland. Man kann sie als Entlastungskorruption kennzeichnen. Sie wird von den unmittelbar Beteiligten - wie ein Tausch - als vorteilhaft empfunden. Allerdings handelt es sich um einen Tausch zu Lasten Dritter. Entlastungskorruption ist immer mit einem Vertrauensbruch verbunden: Hier wird eine Delegationsbeziehung missbraucht, um ein illegales Einkommen zu generieren. (Pies, Ingo, Wie bekämpft man Korruption? Lektionen der Wirtschafts- und Unternehmensethik für eine ‚Ordnungspolitik zweiter Ordnung’, Berlin 2008, S. 47).
  • Die Einflussnahme der Politik auf Strafverfolgungsbehörden in Wirtschaftsverfahren gegen mächtige Personen, aber auch Einflussnahmen auf Verwaltungen, um Auftragsvergaben an bekannte und befreundete Unternehmer zu erreichen, sind in mehreren Strafverfahren belegt. (Prof. Dr. Britta Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, Neuwied 2002, Seite 334).
  • Politiker haben keinen Anreiz, Korruption zu bekämpfen. Sie wollen vielmehr gar nichts von dem Thema wissen. Auch das Unrechtsbewusstsein von Politikern ist nicht stark ausgeprägt. Im Gegenteil, manche halten „Provisionen“ für einen legitimen Teil ihres Einkommens.(Dr. Regina Sieh, Oberstaatsanwältin in München, in Wirtschaftsethik-Studie Nr. 2005–2 von Ingo Pies, Peter Sass, Henry Meyer zu Schwabedissen)[5].
  • Politiker sind nicht nur resistent, sich selbst Korruptionsregeln zu geben und sich diesen zu unterwerfen, sie bewirken auch, dass so mancher gute Ansatz in der Verwaltung zunichte gemacht wurde. München und Frankfurt hatten die besten Korruptionsbekämpfungsstrategien. Diese haben jedoch fortwährend Korruptionsfälle zutage gefördert, so dass der Eindruck entstand, dass Frankfurt und München als einzige Städte Hochburgen der Korruption wären. Politikern, die den Anreiz haben, wieder gewählt zu werden, kann dann der Druck durch die öffentlichen Reaktionen zu stark werden, so dass sie für eine Änderung (Entschärfung) der Korruptionsstrategien plädieren. (Birgitt Collisi, Deutscher Städtetag, in Wirtschaftsethik-Studie Nr. 2005–2 von Ingo Pies, Peter Sass, Henry Meyer zu Schwabedissen[6]).
  • „… All dies nährt die Befürchtung, dass gerade in einer Zeit, in der ein Angriff der organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität auf staatliche und wirtschaftliche Institutionen droht, die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht über die notwendige Handlungsfreiheit verfügen, um dieser für Deutschland neuartigen Form der Kriminalität entgegenzuwirken …“ (RA Raoul Muhm, Lehrb. LMU, Der unabhängige Staatsanwalt – das italienische Modell, in: Rechtsphilosophische Hefte Nr. 6 (Prinzipien des Rechts), 1996, S. 55 ff.
  • Zur Frage „Wie unabhängig sind Staatsanwälte in Deutschland?“ siehe den gleichnamigen Vortrag von Dr. Winfried Maier, Richter am OLG München, Staatsanwalt a.D., Augsburg[7]
  • Kontrollorgane (z. B. Aufsichtsräte oder Justiz) gehören derselben Organisation an wie die Korrumpierten (z. B. Mitarbeiter, Manager oder Beamte), und sie decken einander.
  • Die Beteiligten haben kein Interesse am finanziellen Erfolg des Unternehmens, sondern vor allem am persönlichen Vorteil.
  • Die „legale Korruption“ erodiert das Rechtsempfinden.
  • Das bestehende Strafrecht droht zwar Korrumpierenden wie Korrumpierten mit Sanktionen. Allerdings erwächst daraus auch das Interesse aller Beteiligten, ihre dubiosen Handlungen zu verschleiern.
  • Die Staatsanwaltschaften sind überlastet: z. B. haben in Frankfurt am Main fünf Staatsanwälte pro Jahr Arbeit, für die sie vier Jahre bräuchten.
  • Wenn die Pharmaindustrie niedergelassene Ärzte korrumpiert, ist es nicht strafbar – bei Klinikärzten dagegen schon.
  • Journalisten darf man auch straffrei bestechen.
  • Bestechlichkeit ist gerade oft in Niedriglohnländern, z. B. in Osteuropa, üblich. Diese Gepflogenheiten können sich bei internationaler Zusammenarbeit ausbreiten.

Möglichkeiten

Seit 1995 gibt die nichtstaatliche Organisation (NGO) Transparency International den Internationalen Korruptionsindex (CPI) heraus. Der Korruptionsindex ist ein Verzeichnis, welches das Ausmaß der Wahrnehmung von Korruption in verschiedenen Ländern der Erde misst. Der CPI entfaltet mittlerweile eine breite Wirkung in der Öffentlichkeit, die somit für das globale Problem der Korruption sensibilisiert wird.

In deutschen Großstädten werden zunehmend sog. Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gegen Korruption ins Leben gerufen – dies vor dem Hintergrund, dass die Korruptionsbekämpfung ein extrem kompliziertes Unterfangen ist, das eine Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen erfordert. Die Staatsanwaltschaft München I unterhält die zurzeit größte Anti-Korruptionsabteilung in Deutschland. Sie hat der Öffentlichen Hand, u. a. der Stadt München, von 1994 bis 2004 zur Realisierung von 46 Mio. EUR Schadensersatz verholfen – ein Ausmaß, welches insoweit indes nur das Hellfeld von Korruption dokumentiert; der tatsächliche Schaden (inkl. Dunkelfeld) geht vermutlich weit darüber hinaus. (Quelle: Dr. Regina Sieh, Oberstaatsanwältin und ehemalige Leiterin der Abteilung XII der Staatsanwaltschaft München I.)

Im Bereich der privaten Unternehmen werden zunehmend wettbewerbsneutrale Selbstverpflichtungen einzelner Branchen (z. B. in der Bauindustrie) initiiert. Diese setzen sich das kollektive Ziel, der Korruption im Zuge eines umfassenden Ethik-Managements eine Absage zu erteilen. Auch die Wirtschaftsethik/Unternehmensethik befasst sich in neuerer Zeit speziell mit Optionen der Korruptionsprävention und -bekämpfung. Als Beispiel ist insoweit die wissenschaftliche Publikation von Pies et al. zu nennen.[8].

Nicht zuletzt existieren auch für die öffentliche Verwaltung erste Ansätze eines expliziten Anti-Korruptionsmanagements. Grundlagen aus Sicht der Verwaltungsethik liefert etwa das Werk von Faust, Thomas („Organisationskultur und Ethik: Perspektiven für öffentliche Verwaltungen“, Berlin 2003/2006 ISBN 3-86504-032-2 [9]). Aktuell halten explizite Antikorruptionskonzepte allmählich Einzug in die Verwaltungspraxis – etwa in das Bezirksamt Berlin-Spandau[10], das für seinen innovativen Ansatz bereits eine Prämierung erhielt. In Nordrhein-Westfalen werden entsprechende Aktivitäten durch ein Korruptionsbekämpfungsgesetz[11] gefördert (u. a. mittels Korruptionsregister (Vergabe-/Verfehlungsregister), Informations-/Anfragepflichten, Vieraugenprinzip, Personalrotation).

In Anlehnung an die Ombudsregelung des Bezirksamtes Berlin-Spandau hat die Stadt Hemer in NRW zur Verstärkung der Antikorruptionsstelle im Revisionsamt der Stadtverwaltung eine freiberufliche Rechtsanwältin zur „Ombudsfrau gegen Korruption" mit Wirkung ab 1. März 2009 ernannt.[12]

Internationale Übereinkommen

Die Internationale Handelskammer (ICC) hat 1977 als Vertretung der Weltwirtschaft erstmals einen umfassenden Bericht über Korruption im Geschäftsverkehr mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Der Bericht rief internationale Organisationen und nationale Regierungen dazu auf, das Thema auf ihre Agenda setzen. Heute gibt es eine Reihe internationaler Übereinkommen, die gegen Korruption und Bestechung wirken sollen.

OECD Konvention gegen Bestechung ausländischer Amtsträger

Diese, am 15. Februar 1999 ratifizierte Konvention schreibt den Teilnehmernationen (darunter Deutschland) vor, strafrechtliche Maßnahmen gegen Bestechung ausländischer Amtsträger (darunter Abgeordneten) vorzuschreiben. Ebenfalls wird die steuerliche Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern untersagt.

In Deutschland erfolgte die Umsetzung mit dem IntBestG vom 10. September 1998.

Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats

Das Strafrechtsübereinkommen über Korruption vom 17. Dezember 1997 des Europarates trat am 1. Juli 2002 in Kraft. Es beinhaltet weitergehende Forderungen zur Korruptionsbekämpfung. Die Konvention ist von der Schweiz ratifiziert, allerdings bisher nicht von Deutschland und Österreich.

UN-Konvention gegen Korruption

Die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ist am 16. September 2005 in Kraft getreten. Nach der Konvention muss zudem künftig nach der Rechtsauffassung von Transparency International auch das verwerfliche Beeinflussen eines Abgeordneten auch bei der sonstigen Wahrnehmung seines Mandats erfasst werden. Die bisherige Regelung zur Bestechung von Abgeordneten (§ 108e StGB) genügt nach allgemeiner Auffassung nicht den Anforderungen der UNCAC. Bislang konnte sich der Bundestag nicht auf eine entsprechende Gesetzesänderung verständigen. Ebenso ist die Konvention nicht von Deutschland ratifiziert worden.

Österreich hat diese Konvention am 11. Jan. 2006 ratifiziert. In der Schweiz wurde nach der Unterzeichnung am 10. Dezember 2003 die parlamentarische Behandlung der Konvention am 21. September 2007 mit einer Botschaft des Bundesrates eingeleitet.

Literatur

  • Altvater, Elmar : "Privatisierung und Korruption. Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise", Libri.de: Hamburg 2009. ISBN 987-3-939594-02-2
  • Androulakis, Ioannis: "Die Globalisierung der Korruptionsbekämpfung. Eine Untersuchung zur Entstehung, zum Inhalt und zu den Auswirkungen des internationalen Korruptionsstrafrechts unter Berücksichtigung der sozialökonomischen Hintergründe", Nomos Verlag, Baden-Baden 2007.
  • Vahlenkamp / Knauß: "Korruption - ein unscharfes Phänomen als Gegenstand zielgerichteter Prävention". Ergebnisse eines Forschungsberichtes des Bundeskriminalamtes Wiesbaden 1995
  • Korruption in Deutschland: "Ursachen, Erscheinungsformen, Bekämpfungsstrategien." Dokumentation über eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16./17. Februar 1995 in Berlin
  • Erste Nachfragekonferenz zur Korruption in Deutschland. Dokumentation über eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 6. September 1996 in Berlin
  • Bannenberg, Britta/Schaupensteiner, Wolfgang; "Korruption in Deutschland", Verlag C.H. Beck, München 2004, ISBN 978-3-40654818-5
  • Bekemann, Uwe: "Kommunale Korruptionsbekämpfung", Deutscher Gemeindeverlag Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-555-01389-3
  • Bergmann, Jens: "Korruption und Systemrationalität: Systemtheoretische Aspekte von Korruption am Beispiel des Kölner Müllskandals", 2007 VDM, ISBN 978-3836448949
  • Dölling, Dieter (Hrsg.): "Handbuch der Korruptionsprävention", 1. Auflage. Verlag C.H. Beck, München 2007.
  • Garzón Valdés, Ernesto: "Korruption – Zur systemischen Relativität eines universalen Phänomens", in: Harald Bluhm/Karsten Fischer (Hg.), "Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Macht. Theorien politischer Korruption", Baden-Baden: Nomos 2002, S. 115–138
  • Höffling, Christian: "Korruption als soziale Beziehung", Opladen: Leske + Budrich 2002
  • Niehus, Christoph: "Korruption und Unternehmensführung", 2. Auflage, Verlag Metropolis, Marburg 2008
  • Noonan, John T.: "Bribes", University of California Press, Berkeley-Los Angeles 1984
  • Schilling, Akatshi, Uwe Dolata (Hrsg.): "Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland. Jeder Mensch hat seinen Preis", Murnau: R. Mankau Verlag 2004, ISBN 3-9809565-0-4
  • Neue Juristische Wochenschrift – 28/2006, S. 2014 ff.
  • Roth,Jürgen/Nübel, Rainer/Fromm, Rainer; "Anklage Unerwünscht" – Korruption und Willkür in der deutschen Justiz ISBN 978-3-8218-5667-4

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. §§ 331 ff. StGB
  2. §§ 298 ff StGB
  3. Andreas Vogel in Märkische Allgemeine vom 19.10.2007: Sommerfeld muss Mandat abgeben Bundesgerichtshof lehnt Revision ab / Urteil wegen Bestechlichkeit damit rechtskräftig
  4. Ämterpatronage
  5. Prävention von Wirtschaftskriminalität, Zur Theorie und Praxis der Korruptionsbekämpfung
  6. Prävention von Wirtschaftskriminalität, Zur Theorie und Praxis der Korruptionsbekämpfung
  7. Vortrag von Dr. Winfried Maier
  8. Prävention von Wirtschaftskriminalität – Zur Theorie und Praxis der Korruptionsbekämpfung, Halle/Wittenberg 2005
  9. Faust („Organisationskultur und Ethik: Perspektiven für öffentliche Verwaltungen“, Berlin 2003/2006
  10. Ombudsmann gegen Korruption für das Bezirksamt Spandau[1]
  11. Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW vom 16. Dezember 2004 im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW Nr. 1 vom 4. Januar 2005
  12. Ombudsfrau gegen Korruption in Hemer[2]


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