Konsekutivdolmetschen

Konsekutivdolmetschen

Das Dolmetschen fällt, wie auch das Übersetzen, unter den Oberbegriff der Sprach- und Kulturmittlung (Translation). Im Gegensatz zum Übersetzer überträgt der Dolmetscher einen nicht fixierten, also in der Regel gesprochenen Text mündlich oder mittels Gebärdensprache von einer Sprache in eine andere.

Inhaltsverzeichnis

Dolmetscharten

Konferenzdolmetschen

Konferenzdolmetschen ist ein Oberbegriff für das Dolmetschen bei Konferenzen, z. B. bei internationalen Gipfeln oder Fachkongressen. Bei Konferenzen können verschiedene Dolmetscharten zum Einsatz kommen, besonders häufig wird simultan gedolmetscht, es kann aber auch das Konsekutivdolmetschen oder das Flüsterdolmetschen zum Einsatz kommen, eine Spielart des Simultandolmetschens, bei der ohne technische Ausrüstung für sehr wenige Zuhörer gedolmetscht wird.

Konsekutivdolmetschen

Vortrag eines Redeabschnitts von Garri Kimowitsch Kasparow durch die Dolmetscherin Patricia Stöcklin bei einer Lesung auf der lit.Cologne 2007. Rechts: Klaus Bednarz

Das Konsekutivdolmetschen ist die älteste Dolmetschart. Die Verdolmetschung erfolgt zeitversetzt, das heißt der Dolmetscher macht sich, wenn nötig, während des Vortrags mit Hilfe seiner Notizentechnik Aufzeichnungen und produziert anschließend den zielsprachlichen Text. Die zielsprachliche Fassung sollte beim Konsekutivdolmetschen gestrafft und besonders gut strukturiert sein, um die Zuhörer zu entlasten, da diese Dolmetschart die Vortragszeit wesentlich verlängert. Die einzelnen Textpassagen können unterschiedlich lang sein, umfassen jedoch gemeinhin einen längeren, inhaltlich zusammenhängenden Abschnitt.

Beim unilateralen Konsekutivdolmetschen wird nur in eine Sprachrichtung gedolmetscht und die zu dolmetschenden Textpassagen sind eher länger (in der Regel bis zu zehn Minuten). Beim bilateralen Konsekutivdolmetschen oder Gesprächsdolmetschen übernimmt ein Dolmetscher beide Sprachrichtungen und ermöglicht so die Kommunikation zweier Gesprächspartner, z. B. bei Interviews oder Verhandlungen. Die Abschnitte sind hier meist kürzer.

Aufgrund des hohen Zeitbedarfs wird das Konsekutivdolmetschen heute nur noch selten bei Konferenzen eingesetzt. Häufiger ist es bei feierlichen Anlässen (z. B. Tischreden oder Empfängen), bei protokollarisch hochrangigen Ereignissen wie bilateralen Treffen von Staats- und Regierungschefs oder bei kulturellen Veranstaltungen wie Autorenlesungen oder Filmpremieren.

Simultandolmetschen

Das Simultandolmetschen ist eine noch relativ junge Dolmetschart, da es den Einsatz von Konferenztechnik erfordert. Der Dolmetscher sitzt in einer schallisolierten Dolmetschkabine und hört den Redner über Kopfhörer. Seine Verdolmetschung, die beinahe zeitgleich (also simultan) erfolgt, wird per Mikrofon übertragen und kann von den Konferenzteilnehmern wiederum über Kopfhörer gehört werden. Diese Art des Dolmetschens ist geistig (hohe Konzentration) wie physisch (stimmliche Belastung) sehr anstrengend und setzt eine ausgefeilte Dolmetschtechnik und hohe professionelle Kompetenz voraus. Aufgrund der hohen Belastung arbeiten Simultandolmetscher in Teams von mindestens zwei Personen zusammen, die sich in gewissen Zeitabständen abwechseln.

Bilaterales Dolmetschen

Das bilaterale Dolmetschen ist eine Form des Dolmetschens, wie der Name schon sagt, bei welcher der Dolmetscher zwischen zwei Gespächspartnern mit unterschiedlichen Ausgangssprachen dolmetscht, so z. B. bei Geschäftsanbahnungen u. ä. Das heißt, zwei Personen mit unterschiedlicher Ausgangssprache wird mithilfe des Dolmetschers eine Unterhaltung ermöglicht. Hierbei fertigt der Dolmetscher bei längeren Passagen entweder Notizen an (Notizentechnik beim Dolmetschen siehe Matyssek) oder er gibt die jeweilige Passage aus dem Gedächtnis wieder. In der Praxis findet sich auch die simultane Wiedergabe, die eine zügigere Kommunikation zwischen den Gesprächspartnern ermöglicht.

Sonderformen

Relais

Als Relais-Modus (oder Leitkabinen-Modus) bezeichnet man beim Simultandolmetschen eine Arbeitsweise, bei der in der Leitkabine aus einer kleineren, wenig verbreiteten Sprache (bspw. Maltesisch) in eine „größere“ Arbeitssprache (bspw. Englisch oder Französisch) gedolmetscht wird, und zwar nicht nur für die Zuhörer, sondern auch als Ausgangstext für die anderen Dolmetschkabinen, die dann „von der Leitkabine abnehmen“ und in ihre jeweilige Konferenzsprache dolmetschen. Der Dolmetscher in der Leitkabine wird auch als Pivot (französisch für „Dreh- und Angelpunkt“) bezeichnet.

Retour

Als Retour-Dolmetschen bezeichnet man das Dolmetschen in die Fremdsprache.

Flüsterdolmetschen

Das Flüsterdolmetschen (auch Chuchotage, von frz. chuchoter für „flüstern“) ist eine Form des Simultandolmetschens, kommt jedoch ohne technische Hilfsmittel aus. Gedolmetscht wird für maximal zwei Personen. Der Dolmetscher sitzt zwischen oder hinter seinen Zuhörern und spricht ihnen die Verdolmetschung sehr leise zu. Dies ist für die Stimme überaus anstrengend und somit nur zeitlich begrenzt möglich.

Sonstige Formen

In jüngster Vergangenheit sind mit neuen Unterhaltungs- und Informationstechnologien sowie der Zunahme von Live-Auftritten im Kulturbereich (Festivals, Galas usw.) weitere Arten des Dolmetschens entstanden.

  • Beim „Mediendolmetschen“ (eine Form des Simultandolmetschens) in Hörfunk und Fernsehen soll möglichst zeitnah gedolmetscht werden, damit kein Sendeloch entsteht. Die Stimmführung, die Intonation und der allgemeine Klang der Stimme spielen beim Mediendolmetschen eine besondere Rolle. So kommen als Mediendolmetscher eigentlich nur solche Dolmetscher in Frage, die entweder als „Naturtalente“ über diese zusätzlichen Qualifikationen verfügen oder an speziellen Stimmschulungen teilgenommen haben, da sie neben anderen professionellen Sprechern bestehen müssen.
  • Für Dolmetschsituationen vor Publikum werden verstärkt „Bühnendolmetscher“ eingesetzt, die darüber hinaus oft eine Ausbildung als Moderator oder Journalist absolviert haben.
  • Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Dolmetschen bei Polizei und Gericht, siehe dazu Dolmetscher.

Gebärdensprachdolmetschen

Gebärdensprachdolmetscherin auf einer Bühne beim CSD 2006 in Köln

Als Gebärdensprachdolmetschen wird das Dolmetschen von Lautsprachen in Gebärdensprachen und umgekehrt bezeichnet.

Geschichte des Dolmetschens

Gedolmetscht wurde vermutlich schon bald nach der Entstehung der Sprache vor etwa 100.000 Jahren. Allerdings ist die Geschichte des Dolmetschens noch wenig erforscht. Hinweise auf Dolmetscher sind unter anderem aus dem ägyptischen Alten Reich, später auch aus dem antiken Griechenland und Rom bekannt.

Eine berühmte Figur in der Geschichte des Dolmetschens, an der sich immer wieder die Debatte über Rollen und Loyalitätsbeziehungen der Dolmetscher entzündet, ist die Aztekin Marina (La Malinche), die für Hernán Cortés dolmetschte und oft als Verräterin der Ureinwohner dargestellt wird.

In der europäischen Diplomatie gab es über die Jahrhunderte verschiedene Verkehrssprachen, in denen multilaterale Treffen abgehalten wurden. Französisch ist beispielsweise als Sprache der zwischenstaatlichen Beziehungen bis zum Ersten Weltkrieg bekannt. Bilaterale Treffen wurden jedoch auch mit Hilfe von Dolmetschern in den Sprachen der beiden Parteien abgehalten.

Um Dolmetscher für orientalische Sprachen zur Verfügung zu haben, tauschten europäische Regierungen lange Zeit Kinder (sogenannte „Sprachknaben“ oder enfants de langue) mit anderen Höfen aus, die dort aufwuchsen und die jeweilige Landessprache lernten.

Die oben beschriebenen Dolmetscharten bekamen erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts ihre heutige Form. Das Simultandolmetschen (ausgenommen das Flüsterdolmetschen, das vermutlich schon eher entstand) ist die jüngste Dolmetschdisziplin. Simultandolmetscher wurden bei den Nürnberger Prozessen zum ersten Mal in größerem Umfang eingesetzt.

Ein bekannter Dolmetscher des 20. Jahrhunderts war Paul-Otto Schmidt, der im Dritten Reich im Auswärtigen Amt tätig war und nach dem Krieg das Sprachen & Dolmetscher Institut München (SDI) leitete.

Weblinks

Literatur

  • Bowen, Margareta: Geschichte des Dolmetschens. In: Handbuch Translation. Stauffenburg, Tübingen 1999, S. 43-46.
  • Cebulla, Manuel: Sprachmittlerstrafrecht. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Dolmetscher und Übersetzer, Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2007, ISBN 978-3-86573-285-9
  • Cebulla, Manuel: Das Urheberrecht der Übersetzer und Dolmetscher, wvb, Berlin 2007, ISBN 978-3-86573-319-1
  • Matyssek, Heinz: Handbuch der Notizentechnik, Groos, 2006, ISBN 3-87276-616-3
  • Snell-Hornby, Mary et al.: Handbuch Translation. Stauffenburg, Tübingen 1999, ISBN 3-86057-992-4.
  • Jones, Roderick: Conference Interpreting Explained. 1998, ISBN 1-900650-57-6.
  • Seleskovitch, Danica: L'interprète dans les conférences internationales 1968?, ISBN 2-256-90823-2.

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