Kommunalunternehmen

Kommunalunternehmen

Als Kommunalunternehmen bezeichnen die jeweils maßgeblichen Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts im Freistaat Bayern und in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein rechtlich selbständige Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die von einer Gemeinde errichtet oder aus bestehenden Regie- oder Eigenbetrieben, in Bayern, Brandenburg und Niedersachsen auch aus privatrechtlichen Gesellschaften in der Hand der Gemeinde, im Weg der Gesamtrechtsnachfolge in Kommunalunternehmen umgewandelt werden. Der Gesetzgeber wählte für diese Rechtsform den Namen „Kommunalunternehmen“, um den im Wirtschaftsleben ungebräuchlichen Begriff der Anstalt zu vermeiden. In Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz stellt das jeweilige Gemeindewirtschaftsrecht eine vergleichbare Rechtsform für kommunale Unternehmen zur Verfügung, ohne jedoch den gesetzlichen Begriff des Kommunalunternehmens zu verwenden.

Die Möglichkeit für eine Gemeinde, die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts für ihre kommunalen Unternehmen zu wählen, wurde erstmals 1995 in Bayern eingeführt[1]. Rheinland-Pfalz folgte dem bayerischen Vorbild 1998[2], Nordrhein-Westfalen 1999[3], Sachsen-Anhalt 2001[4], Schleswig-Holstein 2002[5], Niedersachsen 2003[6] und Brandenburg zum Jahresbeginn 2008[7]. Vorher war diese Rechtsform für kommunale Unternehmen nur den Sparkassen zugänglich, denen diese Organisationsform in den Landessparkassengesetzen verliehen wurde. Der Begriff „Kommunalunternehmen“ wird als gesetzlicher Begriff in Bayern, Nordrhein-Westfalen (wenn auch nicht direkt in der Norm über das Kommunalunternehmen), Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein und in der bundesweiten Literatur einheitlich für alle Länder verwendet und generell auf kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts bezogen, auch wenn Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Brandenburg im Gesetz die Begriffe „Anstalt des öffentlichen Rechts“ und „kommunale Anstalt“ verwenden.

Die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts wurde als Alternative zu den Rechtsformen des Eigenbetriebes einerseits und der GmbH andererseits geschaffen, die beide aus unterschiedlichen Gründen nicht in jedem Fall als geeignete Rechtsform für kommunale Unternehmen angesehen werden. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Eigenbetrieb, der zwar als selbständiges Sondervermögen der Gemeinde, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt wird, kommt dem Kommunalunternehmen eine eigene Rechtsfähigkeit zu. Es kann daher gegenüber dem Eigenbetrieb freier auf dem Markt auftreten. Ausfluss der öffentlich-rechtlichen Organisationsform des Kommunalunternehmens und damit Vorteil gegenüber der privatrechtlichen GmbH ist, dass das Kommunalunternehmen im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben öffentlich-rechtlich handeln darf. Dazu gehört, dass es Verwaltungsakte erlassen und öffentlich-rechtliche Gebühren statt privatrechtlicher Entgelte erheben kann. Die Gemeinde kann dem Kommunalunternehmen das Recht zum Erlass von Satzungen zur Regelung seiner Aufgaben (zum Beispiel Entwässerungssatzung) übertragen und, abhängig von der konkreten Aufgabe des Kommunalunternehmens, sogar einen Anschluss- und Benutzungszwang zugunsten des Kommunalunternehmens vorsehen. Ferner kann ein Kommunalunternehmen Dienstherr von Beamten sein.

Die Rechtsverhältnisse der Kommunalunternehmen werden im Einzelnen durch ihre jeweilige Satzung geregelt. Landesrechtliche Regelungen machen nur geringe Vorgaben, daher bestehen diesbezüglich für Kommunalunternehmen bei der inneren Ausgestaltung Spielräume. Die Vertretungsmacht eines Kommunalunternehmens konzentriert sich beim Vorstand, der das Kommunalunternehmen eigenverantwortlich lenkt. Über den Verwaltungsrat kann die Gemeinde Einfluss nehmen, die sich jedoch nicht auf die Tagespolitik, sondern nur grundsätzlich auf strategische Entscheidungen beziehen soll.

Ein Kommunalunternehmen kann sich auch aktiv an anderen Unternehmen beteiligen, jedoch können andere Private sich nicht unmittelbar an Kommunalunternehmen beteiligen, was teilweise als Nachteil empfunden wird.

Jahresabschluss und Lagebericht werden bei Kommunalunternehmen nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches aufgestellt, im übrigen ist die Wirtschaftsführung des Kommunalunternehmens an die Regelungen der Gemeindewirtschaft angelehnt. Ein Kommunalunternehmen ist in den meisten Ländern insolvenzunfähig, weil die Gemeinde als Gewährträger für die Verbindlichkeiten ihres Kommunalunternehmens subsidiär, aber unmittelbar gegenüber Dritten haften muss und zudem die Gemeinde zumindest nach vorherrschender Auffassung[8] die so genannte Anstaltslast für das Kommunalunternehmen trägt. Da die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast unionsrechtlich nicht unproblematisch sind, besteht in Niedersachsen und Schleswig-Holstein keine Gewährträgerhaftung mehr; Niedersachsen hat auch die Anstaltslast vollständig abgeschafft, während in Schleswig-Holstein die Gemeinde zumindest verpflichtet ist, dem Kommunalunternehmen die notwendigen finanziellen Mittel nach kaufmännischen Grundsätzen zur Verfügung zu stellen.

Alle Länder sehen vor, dass neben den gesetzlichen Regelungen Verordnungen mit näheren Bestimmungen über das Kommunalunternehmen erlassen werden.

Nach Einführung des Kommunalunternehmens wurde ein Bedürfnis erkennbar, gemeinsame Kommunalunternehmen mehrerer Gemeinden zu errichten. Alle Länder außer Brandenburg haben daher mittlerweile die Möglichkeit geschaffen, dass mehrere Gemeinden, (Land-)Kreise und Bezirke ein gemeinsames Kommunalunternehmen durch Vereinbarung einer Unternehmenssatzung errichten können. Bestehende Regie- und Eigenbetriebe können auf das gemeinsame Kommunalunternehmen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge ausgegliedert werden, zumeist kann auch ein Zweckverband in ein gemeinsames Kommunalunternehmen umgewandelt werden.

Literatur

  • Norbert Schulz: Neue Entwicklungen im Kommunalen Wirtschaftsrecht. in: Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.), Jg. 1996, Heft 5, S. 129 ff.
  • Thomas Mann: Die „Kommunalunternehmen“ – Rechtsformalternative im kommunalen Wirtschaftsrecht. in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jg. 1996, Heft 6, S. 557 f.
  • Joachim Riedmayer/Alexander Schraml: Das Kommunalunternehmen – Anstalt des öffentlichen Rechts. Kommunalforschung für die Praxis, Heft 42/43, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart u. a. 2000, ISBN 3-415-02781-3.
  • Stefan Detig: „Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) als Wirtschaftsförderungsinstitution“, Nomos Verlag, Diss., 2004
  • Ulrike Kummer: Vom Eigen- oder Regiebetrieb zum Kommunalunternehmen. Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 930, Duncker & Humblot, Berlin 2003, zugl. jur. Diss. Regensburg 2002, ISBN 3-428-11201-6.
  • Johannes Hellermann, in: Werner Hoppe/Michael Uechtritz (Hrsg.): Handbuch Kommunale Unternehmen, 2. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 2007, S. 153 ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 26. Juli 1995 (GVBl. S. 376)
  2. Viertes Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 2. April 1998 (GVBl. S. 108)
  3. Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1999 (GVBl. S. 386)
  4. Gesetz über das kommunale Unternehmensrecht vom 3. April 2001 (GVBl. S. 136)
  5. Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 25. Juni 2002 (GVOBl. S. 126)
  6. Gesetz zur Änderung des kommunalen Unternehmensrechts vom 27. Januar 2003 (GVBl. S. 36)
  7. Gesetz zur Reform der Kommunalverfassung und zur Einführung der Direktwahl der Landräte sowie zur Änderung sonstiger kommunalrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007 (GVBl.I S. 286)
  8. Christina Lux: Das neue kommunale Wirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen. in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl), Jg. 2000, Heft 1, S. 7, 12
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