Klitoris

Klitoris
Vulva mit markierter Position der Klitoris. Links: Normalzustand, Rechts: mit auseinander gezogener Klitorisvorhaut
1) Klitorisvorhaut
2) Klitoriseichel (Glans clitoridis)

Als die Klitoris (Fachterminus Clitoris, latinisiert von altgriechisch κλειτορίς, neugriechisch κλειτορίδα „kleiner Hügel“, Plural: Klitorides) oder den Kitzler bezeichnet man ein vom Schwellkörpergewebe gebildetes Organ der Frau und aller anderen weiblichen Säugetiere. Das System der Klitoris hat wesentliche Funktionen in der Sexualität der Frau und beim Orgasmus.

Inhaltsverzeichnis

Anatomie

Die Klitoris besteht aus zwei am Sitzbeinausschnitt (Arcus ischiadicus) befestigten Schwellkörperschenkeln (Crura clitoridis, Singular Crus clitoridis), die sich zum Schaft (Corpus clitoridis) vereinen. Das freie Ende ist zur Eichel (Glans clitoridis) erweitert. Die Klitoris besitzt bis zu ca. 8000 Nerven. Die Klitorisvorhaut schützt die empfindliche Klitoris-Eichel.[1]

Äußerlich sichtbar sind nur der Schaft und die hochempfindliche Eichel, die als Teil der Vulva an der vorderen Umschlagfalte der kleinen Schamlippen liegen und von der Klitorisvorhaut teilweise oder gänzlich bedeckt sind. Zusammen umfassen sie nur ein Zehntel des Gesamtvolumens der Klitoris.

Klitoris mit
1) Eichel in der Vorhaut
2) Schwellkörper
3) Kitzlerschenkel
4) Harnröhrenmündung
5) Vorhofschwellkörper
6) Scheidenöffnung

Bis 1998 war davon nur die Klitoris-Eichel bekannt, ein etwa erbsengroßes Gewebe am oberen Ende der inneren Schamlippen. In Wirklichkeit umfasst die Klitoris aber ein ganzes System von Nerven und Schwellkörpern: die kleine Klitoris-Eichel, die sichtbar oder hinter einer Falte der kleinen Schamlippen verborgen ist, zwei zwiebelförmige Schwellkörper, die sich teilweise an die Vorderwand der Vagina anschmiegen, sowie zwei etwa 6 bis 9 cm langen Schenkel, die tief ins Innere des Körpers reichen.

Entwicklungsgeschichtlich gehen Klitoris und Penis aus dem Genitalhöcker hervor.

Funktion

Die gesamte Klitoris ist stark mit Nervenendungen ausgestattet. Das ganze System ist besonders berührungsempfindlich und empfänglich für sexuelle Reize. Durch Stimulation der Klitoris gelangen die meisten Frauen zum Orgasmus. Insbesondere die Klitoris-Eichel, in der sich die Nervenstränge der zwei Schenkel treffen, ist hochempfindlich.

"Klitorialer" und "vaginaler" Orgasmus

Früher unterschied man bei der Frau zwischen dem "vaginalen" Orgasmus, der ausschließlich durch vaginale Stimulation, also durch Eindringen mit dem Penis in die Scheide, mit eingeführtem Finger oder mit einem Vibrator (oder anderen Gegenständen), erreicht werde, und dem "klitorialen" Orgasmus, der ausschließlich durch Stimulation der Klitoris-Eichel erreicht werde. Viele Untersuchungen, z. B. die von Kinsey, weisen darauf hin, dass ein beachtlicher Anteil der Frauen nur dann zum Orgasmus kommen kann, wenn die Klitoris (mit-)stimuliert wird.

Seit den Untersuchungen von Helen O'Connell (1998, 2004) weiß man aber, dass die Klitoris nicht nur aus der Eichel besteht, sondern ein weitläufiges Schwellkörpergewebe ist, das den gesamten Genitalbereich der Frau umfasst.

Empfindlichkeit

Die Empfindlichkeit der Klitoris-Eichel für direkte Stimulierung ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Frauen sind so empfindlich, dass sie eine direkte Stimulierung erst nach längerem Vorspiel, und auch dann ein nur ganz zartes Streicheln, oder auch gar nicht ertragen. Bei anderen Frauen hingegen wird die sexuelle Begegnung erst durch die intensive reibende Berührung der Klitoris zum vollständigen Genuss. Was gerade "gut" ist, kann auch von Situation zu Situation unterschiedlich sein, und sich auch während einer sexuellen Begegnung mehrfach ändern. Da die Klitoris, wie oben beschrieben, mit dem umgebenden Gewebe eng verbunden ist, sind verschiedene indirekte Stimulationsformen gängige Praxis.

In sehr seltenen Fällen kann eine als zu gering erlebte Empfindlichkeit der Klitoris auf eine zu große Klitorisvorhaut zurückgeführt werden. Demgegenüber lässt sich ein vergleichbares Phänomen weit häufiger auf Unkenntnis über die Anatomie oder die Existenz von Schamgrenzen zurückführen, die eine selbstbestimmte Sexualität verhindern.[2]

Fehlbildungen der Klitoris (Klitorishypertrophie)

Klassifikation nach ICD-10
Q52.6 Fehlbildungen der Klitoris
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

→Hauptartikel: Klitorishypertrophie

Vulva mit vergrößerter Glans Clitoridis (Klitorishypertrophie)

Ob sich ein Penis mit Eichel oder ein Kitzler bildet, wird über die Ausschüttung von Testosteron geregelt. Wenn diese gestört ist, können Frauen trotz des Gensatzes XX eine penisartige Ausstülpung entwickeln (eine Klitorishypertrophie), wo sich bei normaler Entwicklung die Klitoris befinden würde. Auch im Zusammenhang mit dem Fraser-Syndrom kann die Klitoris abnorm vergrößert sein. Diese Störung kommt allerdings äußerst selten vor.

Es kann auch später im Leben zu einer Vergrößerung der Klitoris kommen. Die Hauptursache dafür sind hormonelle Störungen wie das Polyzystische Ovarialsyndrom.

Sollte eine deutlich vergrößerte Klitoris für die Betroffene ein körperliches und/oder vornehmlich ästhetisches Problem darstellen, so kann bei nachweislich eigenständig empfundenem und geäußertem Leidensdruck heute auch eine chirurgische Verkleinerung durchgeführt werden, vergleichbar zur Labioplastik. Für diesen Eingriff liegt in der Regel jedoch keine medizinische Notwendigkeit vor.

Auch in Fällen von Intersexualität kann unter den gleichen Voraussetzungen eine chirurgische Korrektur angebracht sein. Intersexuelle Aktivisten fordern daher, eine derartige Operationen erst dann durchzuführen, wenn der intersexuelle Mensch die Operation aus eigenem Willen möchte und ihr zustimmen kann.

Wissenschaftsgeschichte

Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Klitoris durch den Anatomen Realdo Colombo aus Padua im Jahre 1559 ist ein häufig untersuchtes Beispiel der Medizin- und Sexualforschungsgeschichte. In seinem anatomischen Werk de re anatomica beanspruchte Colombo für sich, die Klitoris als „Platz der weiblichen Lust“ entdeckt zu haben. Man wird, „wenn man sie berührt, bemerken, dass sie ein bisschen härter und länglich wird, so sehr, dass sie sich als eine Art männliches Glied erweist“.[3] Später entwickelte sich aus Colombos Beschreibung ein Prioritätsstreit, da Gabriele Falloppio – Colombos Nachfolger in Padua – beanspruchte, der wirkliche Entdecker der Klitoris zu sein.

Die „Entdeckung“ der Klitoris in der Renaissance ist aus wissenschaftshistorischer Perspektive in vielfacher Hinsicht ein interessantes Phänomen. Selbstverständlich hatten Frauen auch schon vor Colombo die Klitoris entdeckt, und natürlich wurden auch vor Colombo Männer auf die Klitoris und ihre sexuelle Funktion hingewiesen. Dass die Klitoris in der anatomischen Beschreibung des Menschen vor Colombo dennoch nicht vorkam, ist eine Illustration für die Tatsache, dass die anatomische Beschreibung des Menschen in der Regel eine anatomische Beschreibung des männlichen Körpers war.

Der Wissenschaftshistoriker Thomas Laqueur weist jedoch zudem darauf hin, dass die Klitoris der gängigen anatomischen Theorie über Sexualorgane widersprach.[4] Unter dem Einfluss von Galenos wurden Vagina und Penis nicht als zwei grundsätzlich verschiedene Organe wahrgenommen. Vielmehr ging man davon aus, dass die Vagina ein nach innen gestülpter Penis sei und die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane in ihrer Struktur analog seien. In diese Theorie passte nicht die Klitoris, der nichts am männlichen Körper entsprach und die zudem von Colombo als eine Art Penis beschrieben wurde.

Erst 1998 entdeckte Helen O'Connell die weitverzweigte tieferliegende Struktur der Klitoris und berichtete darüber im "Journal of Urology", aufgegriffen vom Spiegel.[5] 2004 erschien im Fehrnsehprogramm ARTE ein vielbeachteter Bericht "Klitoris, die schöne Unbekannte" über diese Forschungen.[6] Diese Entdeckung hat weitreichende Folgen für das Verständnis der weiblichen Sexualität. Für die Chirurgie bei der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs ergeben sich ganz neue Schnitttechniken, um die sexuelle Empfindungsfähigkeit zu erhalten.

Klitoridektomie

→Hauptartikel: Klitoridektomie und Beschneidung weiblicher Genitalien

Mit Klitoridektomie wird die teilweise oder vollständige Entfernung des äußeren Teils der Klitoris bezeichnet. Die Klitoridektomie wird in der Regel aus kulturellen Gründen durchgeführt, erfolgt jedoch teilweise auch aus medizinischer Notwendigkeit heraus.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Klitoris – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Klitoris – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Helen O'Connell: Anatomy of the clitoris.
  2. Claudia Haarmann: „Unten 'rum …“ – Die Scham ist nicht vorbei. Innenwelt Verlag, 2005, ISBN 3-936360-15-4.
  3. Realdo Colombo: de re anatomica. Zitiert nach Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben. Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud. S. 81, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1992.
  4. Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben: Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud. S. 82, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1992.
  5. Spiegel: Empfindsame Zwiebel.
  6. Klitoris, die schöne Unbekannte - Themenabend in ARTE

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  • Klitoris — Kli̲·to·ris die; , ; ein Teil des weiblichen Geschlechtsorgans in der Form eines kleinen Knotens am oberen Ende der (kleinen) Schamlippen …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

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