Klaviersonate Nr. 8 (Beethoven)

Klaviersonate Nr. 8 (Beethoven)

Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 8 in c-Moll op. 13 wurde von Beethoven als Grande Sonate Pathétique bezeichnet und unter dem Namen Pathétique bekannt. Sie ist dem Fürsten Karl von Lichnowsky gewidmet, den Beethoven als einen der „treuesten Freunde und Beförderer“ seiner Kunst sehr schätzte, und entstand in den Jahren 1798/99. In vielen Fachbüchern wird op. 13 als Durchbruch zu einem neuen Ausdrucksstil gesehen. [1] Man sah das Bekenntnishafte und Subjektive seiner Musik im revolutionären Zeitalter Napoleons als Ausdruck eigenen, pathetisch überhöhten Schmerzes wie auch als politisch zu deutendes Phänomen (Theodor W. Adorno).

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

  • Grave/Allegro di molto e con brio, c-Moll, 4/4 Takt/alla breve, 310 Takte
  • Adagio cantabile, As-Dur, 2/4 Takt, 73 Takte
  • Rondo; Allegro, alla breve, 210 Takte

Erster Satz

Takt 1-4 des ersten Satzes aus Beethovens Pathetique [2] ( Hörbeispiel?/i)

Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung (Grave). Schon diese ersten 11 Takte sind von extremen dynamischen Gegensätzen (mehrmaliger Wechsel zwischen p, fp, und ff) geprägt. Nach einem vollgriffigen, akzentuierten c-Moll-Dreiklang von düster bedrohlicher Wirkung drängt eine in punktierten Rhythmen aufsteigende Tonfolge zu einem (doppeldominantischen) verminderten Septakkord, dessen schmerzlich wirkende Dissonanz sich in den Dominantdreiklang auflöst, wobei die Oberstimme vom es1 im Sinne einer Seufzersekunde zum d1 herunter sinkt. Die anschließende sequenzierte Wiederholung dieses Anfangsmotivs beginnt mit einem verminderten Septakkord, wodurch die schmerzliche Wirkung verstärkt wird. Es folgen zwei weitere intensivierende (z. T. verkürzte) Wiederholungen; drei chromatische Akkorde drängen weiter in die Höhe, dann stürzt vom Spitzenton as2 ein Vierundsechszigstel-Lauf in die Tiefe.

Im 5. Takt, der in Es-Dur anfängt, gewinnt das Grave-Motiv durch vollgriffige Sechzehntel-Akkorde in der linken Hand an Bewegungsenergie. Bei dem Versuch, sich nach oben zu arbeiten, wird es zweimal von brutal im Fortissimo dreinschlagenden punktierten Akkordketten unterbrochen. Die endlich über mühselige Chromatik erreichte Höhe kann nicht gehalten werden. Am Ende rauscht eine chromatische Tonleiter beschleunigt (ihr letzter Abschnitt ist in Hundertachtundwanzigsteln notiert) nach unten. Die Katastrophe wird besiegelt durch den pathetisch ausgerufenen verminderten Septfall as1-h (saltus duriusculus), der zum Hauptteil des Satzes überleitet.


Tremoli in Takt 11 - 15 des ersten Satzes aus Beethovens Pathetique ( Hörbeispiel?/i)

Das wiederholte, in jeweils viertaktigen Vorder- und Nachsatz gegliederte Hauptthema (Allegro) von Takt 11 bis 26 [3] ist eine im Stakkato aufsteigende Moll-Skala unter häufiger Verwendung großer und kleiner Terzen in der rechten Hand. Dazu sorgen die Oktav-Tremoli in der linken Hand für eine ungeheure Dramatik, die es bis zum Zeitpunkt der Entstehung in der Klaviermusik noch kaum gab.

Frage-Antwort-Spiel ab Takt 51 des ersten Satzes ( Hörbeispiel?/i)

Von Takt 27 bis 34 folgen über zwei Akkorde abstürzende, gebrochene Dreiklänge, bevor das Hauptthema diesmal in der Dominante erneut erscheint. Auch die Exposition ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet, von einem nach oben drängenden Motiv geprägt, das seine Bestätigung aber nie findet: es endet immer wieder in fallenden Figuren.


Das in Takt 51 eintretende Seitenthema ist von einem Wechsel der Melodie zwischen tiefem (Bass) und hoher Lage (Diskant), sowie einem parallel dazu ablaufenden „Frage-Antwort-Spiel“ gekennzeichnet. Von Takt 89 ab erscheint eine an die Tremoli des Hauptthemas angelehnte Figur mit einem in Sekundschritten abwärts geführten Bass. Acht Takte mit diatonischen Skalen in Achteln leiten zu einer kurzen Wiederholung des Hauptthemas über. Am Ende der Exposition erscheint vor der Durchführung wieder der Grave-Teil, dessen Thema in der Durchführung, wieder begleitet mit Oktav-Tremoli, in der linken Hand aufgegriffen wird.

Tremoli im Diskant in Takt 149 - 151 des ersten Satzes ( Hörbeispiel?/i)

Die Tremoli wechseln ab Takt 149 in die hohe Lage, und der Bass spielt dazu in Abwandlung der aufsteigenden Halbtonfolge des Hauptthemas (e - f - g - as - h - c) eine in Quinten und Quarten aufsteigende Halbtonfigur (ges - f - des - c - usw.). Das Hauptthema tritt noch einmal ab Takt 285 in seiner Originalgestalt in c-Moll, und das Seitenthema ab Takt 221 in f-Moll auf. Ab Takt 253 erscheint noch einmal die Figur von Takt 89, bevor in der Coda ab Takt 299 das Grave-Thema, allerdings harmonisch verändert, ein drittes Mal auftritt. Der Satz endet schließlich mit der Wiederholung des Hauptthemas furios.

„Die Flucht in ein scharfes, in ein gleichsam geduckt dahinsausendes, von zeitraubenden Riesenaffekten freies Tempo (ist) ... im Allegro molto der Pathétique ... die einzige Form, dem Satz gerecht zu werden.“ [4]

Zweiter Satz

Takt 1 - 8 des zweiten Satzes ( Hörbeispiel?/i)

Der zweite Satz, eine kantable Träumerei mit einer der bekanntesten Melodien Beethovens, steht in As-Dur, der Tonart, in der Beethoven oft seine innigsten und wärmsten Äußerungen bringt. [5] Er ist in dreiteiliger Liedform (A A' B A C C' A" A"' Coda) gebaut. Der 8-taktige Abschnitt A ist in jeweils viertaktigen Vorder- und Nachsatz gegliedert. Ein halbtaktiger Wechsel von den begleitenden 16-teln zu 16-tel-Triolen leitet zur um eine Oktave hochversetzten Wiederholung des Themas über. Ab Takt 17 folgt dann der B-Teil mit kompakten Akkordblöcken in der linken Hand ( Hörbeispiel?/i). Dieser umfasst 8 Takte sowie vier nachgeschobene Takte als Überleitung zu einer Wiederholung von A. Ab Takt 37 wechselt die Begleitung für den Rest des Satzes in 16-tel-Triolen.

Triolische Begleitung und neues Thema in Takt 37 - 39 des zweiten Satzes ( Hörbeispiel?/i)

Das achttaktige Thema ab Takt 37 bringt mit seinen drängenden Triolen und einem Crescendo erstmals Dramatik in den zweiten Satz. Es ist durch 5 Takte in moll sowie eine überraschende Wendung in jubelndes Dur in den darauffolgenden drei Takten gekennzeichnet. Dieser Gegensatz wird zusätzlich durch die Dynamik (pp ↔ sf), einen Wechsel von sparsamer, einstimmiger Begleitung zu schweren Akkordblöcken in tiefer Lage, sowie ein versetzen der Melodie in höhere Lage, verstärkt. Ab Takt 45 wird das Thema in verkürzter Form (zweimal drei Takte) mit vertauschten Tongeschlechtern der beiden Teile wiederholt. Die ersten drei Takte stehen in Dur, während die folgenden drei Takte in moll gesetzt sind. Von Takt 51 bis 66 wird dann das Anfangsthema (Takt 1 - 16), diesmal allerdings mit triolischer Begleitung, wiederholt. Eine achttaktige Coda beendet dann den Satz.

Dritter Satz

Takt 1 - 8 des dritten Satzes (Rondo) ( Hörbeispiel?/i)

Das Rondo ist ein verspielter Satz mit einem aufsteigenden Thema (Ritornell), welches an das Seitenthema des ersten Satzes anknüpft. Die ersten vier Töne (G-C-D-Es) entsprechen hierbei den ersten vier Tönen des Seitenthemas (B-Es-F-Ges). Die ersten acht Noten sind zusätzlich die rhythmische Vergrößerung (Augmentation) des Seitenthemas. Im Rondo wechseln sich stets neue Couplets (B, C, D) mit einem wiederkehrenden Ritornell (A; ab Takt 1, 61, 120 und 171) ab. Die teilweise aus dem Material des Refrainteiles abgeleiteten Couplets sind weniger streng gearbeitet, und gehen durch variierende „Fortspinnung“ ineinander über.

Couplets: Triolenfigur ab Takt 144 und Thema ab Takt 43 ( Hörbeispiele?/i)

Ein häufig wiederkehrendes Thema sind zum Beispiel ab Takt 33, 51, 114, 143, und 189 wiederholt auftretende triolische Pendelfiguren.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jürgen Uhde: Beethovens Klaviermusik II, Sonaten 1-15.
  2. Dieses und die folgenden Notenbeispiele nach: Beethoven - Klaviersonate Grande Sonate Pathetique - c-moll - Opus 13 - Urtext - Nach der Originalausgabe - Herausgegeben von B.A. Wallner - Fingersatz [Anm.: Weggelassen] von Conrad Hansen, C. Henle Verlag, München, ISBN 979-0201800486
  3. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, Dtv, München, 1994, ISBN 3-423-04460-8, Seite 61
  4. Joachim Kaiser: Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten, Fischer Verlag GmbH, 1975, ISBN 3-10-038601-9, Seite 173
  5. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Atlantis, Zürich, 1977, ISBN 3-7611-0291-7, Seite 275

Literatur

  • Joachim Kaiser: Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten. Fischer Verlag GmbH, 1984, ISBN 3-10-038601-9 .
  • Jürgen Uhde: Beethovens Klaviermusik. Band II: Sonaten 1-15, Reclam, Stuttgart 1970, ISBN 3-15-010146-8.
  • Edwin Fischer: Ludwig van Beethovens Klaviersonaten - Ein Begleiter für Studierende und Liebhaber. Insel-Verlag, 1956.
  • Carl Czerny: Über den richtigen Vortrag des sämtlichen Beethovenschen Klavierwerke.
  • Richard Rosenberg: Die Klaviersonaten Ludwig van Beethovens - Band I. Urs Graf-Verlag, 1957.
  • Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten. Ein musikalischer Werkführer. C.H.Beck, 2001, ISBN 3-406-41873-2.
  • Udo Zilkens: Beethovens Finalsätze in den Klaviersonaten. Tonger Musikverlag, Köln 1994, ISBN 3-920950-03-8.
  • Paul Badura-Skoda und Jörg Demus: Die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven. F.A. Brockhaus, Leipzig 1970, ISBN 3-7653-0118-3.
  • Patrick Dinslage: Studien zum Verhältnis von Harmonik, Metrik und Form in den Klaviersonaten Ludwig van Beethovens. Katzbichler, 1987, ISBN 3-87397-073-2.

Weblinks

 Commons: Klaviersonate Nr. 8 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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