Kirchturm Dargelütz

Kirchturm Dargelütz
Turm und Kirchhof im April 2008
Dorfkirchen-Gedenkstein
Unter Denkmalschutz stehendes Grab von Johanna Beitzer († 1845) auf dem Kirchhof

Die Dorfkirche Dargelütz war ein Kirchengebäude der evangelisch-lutherischen Landeskirche Mecklenburgs in Dargelütz, einem heutigen Ortsteil der Kreisstadt Parchim. Nach Abtragung des Kirchenschiffs ist ein freistehender, heute ungenutzter, gotischer Kirchturm im Ort verblieben. Das Kirchenschiff ist nach Wiedererrichtung im Freilichtmuseum des Ribnitz-Damgartener Ortsteils Klockenhagen zu besichtigen und wird weiter für kirchliche Zwecke genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Dargelütz wurde 1370/71 erstmals in einer Kriegsschadenrechnung bei Auseinandersetzungen zwischen Albrecht von Mecklenburg und dem Kurfürsten Otto von Brandenburg erwähnt. Eine Dorfkirche gab es in Dargelütz bereits 1379. Zu dieser Zeit wurde der Kirche laut einer Urkunde eine Lübische Mark vermacht.[1] Das letzte Kirchenschiff ist ein Fachwerkbau aus den Jahren um 1790.[2] Friedrich Schlie beschreibt die Kirche um 1900 als Fachwerkbau ohne Schmuck und Zierrat. Im Innern existierte eine flache Bretterdecke. Dem Altar, der Kanzel und dem Gestühl sprach er keine Bedeutung zu. An der Westseite des Gebäudes befand sich im Abstand von etwa einem Fuß ein freistehender Glockenturm mit vierseitigem Dach und einer achtseitigen, pyramidenförmigen Spitze. Der Turm war mit zwei Glocken ausgestattet. Das größere Exemplar maß 86 Zentimeter im Durchmesser und wurde 1863 in Wismar umgegossen. Die zweite Glocke mit einem Durchmesser von 66 Zentimetern enthielt die Inschrift: „AERNDT * VON * MOLLENDORF * DER * ELTER * ANNO * 1662“[1] Auch 40 Jahre später besaß die Kirche zwei Glocken, eine davon wurde zur Verwertung in der Munitionsindustrie gegen Ende des Zweiten Weltkrieges eingeschmolzen, die zweite 1986 einer anderen Kirchengemeinde überlassen. Zum genannten Turm existieren keine Abbildungen oder genaueren Beschreibungen.[2]

Zur ursprünglichen Ausstattung der Kirche gehörte das monumentale zwei mal viel Meter große Holzepitaph von 1652, auf dem die ehemaligen Besitzer des Dorfes Arndt von Möllendorff und seine Gemahlin Elisabeth Wardenberg als Ganzfiguren in zeitgenössischer Tracht des 17. Jahrhunderts dargestellt sind. Zudem enthält es zwei Alliance-Wappen.[1].

Das Kirchenschiff wurde 1908/09 restauriert, das Gebäude dabei völlig demontiert und es wurden Teile des Fachwerks erneuert. Der Fußboden erhielt eine neue Deckschicht aus industriell gefertigten Fliesen. Im Zuge der Arbeiten erschuf man den heute verbliebenen gotischen Westturm[2] aus Backsteinen mit Feldsteinfundament und einzelnen in die Wände vermauerten Feldsteinen. Dieser ersetzte den Vorgängerbau.[2] Die Kirche wurde bis 1978 genutzt[3] und dann aufgegeben. Der Kirchhof wurde zum Treffpunkt Jugendlicher und die Kirche erlitt Vandalismusschäden.[4] Auch um es vor dem Verfall zu retten[5], wurde das Kirchenschiff 1992 abgetragen und im Freilichtmuseum Klockenhagen wieder aufgebaut. Vom Gebäude zeugen heute noch die Bodenplatte, die giebelförmig teilverputzte Wand des Turms und der gemauerte Giebelansatz am Turm. Der Kirchturm selbst wurde saniert.[2]

Der zum Teil durch eine Feldsteinmauer abgegrenzte Kirchhof in Dargelütz wurde bis 2008 starkem vegetativem Bewuchs preisgegeben. An die Dorfkirche erinnert heute ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Dorfkirche Dargelütz / 1379–1992 / Wiederaufgebaut in Klockenhagen“. Der Kirchturm und das Grabmal Johanna Beitzers werden in der Baudenkmalliste der Stadt Parchim geführt.[6] Am 7. Juli 2006 wurde der Kirchhof durch den Kirchgemeinderat der Gemeinde St. Georgen Parchim als Bestattungsplatz entwidmet.[7] Eine anliegende Straße erhielt nach Abtragung des Fachwerkgebäudes den Namen „Am Kirchturm“. Ende 2008 wurde das Dach des Turms abgedichtet und der Kirchhof, sowie die ihn umgebende Trockenmauer von Unkraut und Gestrüpp befreit. Für diese Arbeiten wurden 30.000 Euro bereitgestellt. Nachgedacht wird über eine Nutzung des Geländes für kirchliche Veranstaltungen oder das Aufstellen von Kunstobjekten.[8][9]

Kirchenschiff in Klockenhagen

Kirchenschiff im Freilichtmuseum Klockenhagen
Ausmauerung der Gefache

Im Freilichtmuseum Klockenhagen sind historische Gebäude aus 18 Dörfern Mecklenburg-Vorpommerns zusammengetragen worden.[10] Bei Wiedererrichtung des Fachwerk-Kirchenschiffs 1993[3] (eine andere Quelle spricht von 2001[11]) wurde dieses um einen Windfang ergänzt, die Gefache sind mit Backsteinen mit ornamentalen Mustern ausgemauert worden. Man hielt sich weitgehend an den baulichen Zustand um 1900, spätere Umbauten wurden nicht übernommen. So wurde beispielsweise das Ziegelpflaster freigelegt und auf den Fliesenboden verzichtet.[2] Neugotische Zierrate der Kirche wurden nicht weiter verwendet.[3] Der Innenraum ist flachgedeckt.[11]

Zur heutigen Ausstattung gehört ein Altaraufsatz von 1647, der Leihgabe der Kirchengemeinde Gresse-Greven ist, 1682 bemalt wurde und das Gemälde Abendmahl und Kreuzigung sowie die Schnitzfiguren Mose und Johannes der Täufer und der Evangelisten Markus, Lukas und Johannes enthält. Bekrönt wird der Altar durch die Figur des auferstandenen Christus. Der Altaraufsatz gehörte bis 1908 zum Inventar einer Fachwerkkirche in Greven, in deren Nachfolgerbau er nicht mehr genutzt wurde.[2] Das Gestühl der Kirche besteht aus zwei im 19. Jahrhundert gefertigten Bänken aus der Dorfkirche Rostocker Wulfshagen, das übrige Gestühl ist nachgebildet. Übernommen wurde der bereits in Dargelütz vorhandene Epitaph.[11][12]

Vor dem Fachwerkgebäude befindet sich ein freistehender, mit handgefertigten Dachsteinen bedeckter, hölzerner Glockenstuhl, der eine Nachbildung des 1874 entstandenen Exemplars der Dorfkirche Zislow ist. Die am Ostersonntag des Jahres 2003 geweihte Glocke wurde durch die Gießerei Bachert aus Bad Friedrichshall nach historischem Vorbild gegossen.[11][13] Sie besteht aus Bronze, hat einen Durchmesser von 53 Zentimetern und wiegt 120 Kilogramm. Die Inschrift lautet: "O REX GLORIE CHRISTE VENI CUM PACE" (dt.: O Christe, König der Herrlichkeit, komm in Frieden). Am unteren Rand befindet sich der Schriftzug: „FREILICHTMUSEUM KLOCKENHAGEN, GEGOSSEN VON A.BACHERT IM JAHRE 2003“.[2]

Die heute zur evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Ribnitz gehörende Kirche im Freilichtmuseum wurde geweiht und wird für Gottesdienste, Konzerte, Lesungen, Taufen und Trauungen genutzt.[12][10]

Trivia

Die Dargelützer Dorfkirche ist Handlungsort einer Sage. Fünf Löcher in einem großen, „Teufelsklaue“ genannten Stein, der eine achtel Meile entfernt vom Dorf Dargelütz liegt, werden als Spuren der Hand des Teufels gedeutet. Dieser habe den Stein aus dem Granziner Forst in hohem Bogen auf die neu errichtete Dorfkirche schleudern wollen. Der Brocken erreichte die Kirche jedoch nicht und liegt seitdem in der Dargelützer Feldmark.[14][15]

Einzelnachweise

  1. a b c Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. Die Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz und Plau, Schwerin i.M. 1901
  2. a b c d e f g h Museumsverein Klockenhagen e.V.: Häuser und Geschichten aus Mecklenburg-Vorpommern: Freilichtmuseum Klockenhagen, Ribnitz-Damgarten 2003, S. 10−13
  3. a b c Freilichtmuseum Klockenhagen – Zentrale für Unterrichtsmedien
  4. E-Mail des ehemaligen Baupastors der Kirchengemeinde St. Georgen Parchim nach Anfrage
  5. ZEBI e. V./ START e. V. (Hrsg.): Dorf- und Stadtkirchen im Kirchenkreis Parchim. Edition Temmen, Bremen/Rostock 2001, ISBN 3-86108-795-2.
  6. Baudenkmalliste der Stadt Parchim (PDF-Datei)
  7. Amtliches Mitteilungsblatt Uns Pütt der Stadt Parchim vom 9. September 2006 (PDF-Datei)
  8. Veröffentlichung des Vereins Dorfkirchen in Not
  9. „Kirchhof aus Schlaf erweckt“ - Schweriner Volkszeitung, Lokalseite Parchim, S. 17, 15. November 2008
  10. a b freilichtmuseum-klockenhagen.de
  11. a b c d Klockenhagen, ev. Kirche – kirche-mv.de
  12. a b Die Dorfkirche in Klockenhagen – kirchen-im-ostseeland.de
  13. Freilichtmuseum Klockenhagen – agrarkulturerbe.de
  14. Die Teufelsklaue – digitale Bibliothek auf zeno.org
  15. F. Dümmler: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde. 1954

Siehe auch

Weblinks

53.48370211.8554957Koordinaten: 53° 29′ 1″ N, 11° 51′ 20″ O


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