Kirchliche Dogmatik

Kirchliche Dogmatik

Die Kirchliche Dogmatik (abgekürzt „KD“) ist das Hauptwerk des evangelischen Theologen Karl Barth.

Inhaltsverzeichnis

Die Gotteslehre

(vergleiche KD II,1 288–664, „Gottes Wirklichkeit“)

Gott ist bei Karl Barth Freiheit und Liebe. Diese Festlegung bestimmt die gesamte Gotteslehre Barths. Gott ist die Liebe, in der er frei ist und die Freiheit, in der er liebt (vergleiche 362.387). Dabei wird die Liebe als Grundeigenschaft Gottes von Barth aus der Trinität hergeleitet, d.h. aus einer gegebenen „sozialen“ Grundsituation, in der sich Vater, Sohn und Heiliger Geist zueinander verhalten. Die Freiheit dieser Liebe findet sich dann aber nicht nur darin, dass ohne von einer frei gewählten Liebe zu reden, überhaupt nicht von Liebe geredet werden könnte, sondern insbesondere darin, dass auch hier Gott als der „Herr“ gedacht ist, auf dessen Gnade niemand einen Anspruch hat. Denn in der aseitas Dei bleibt grundsätzlich Gottes Hoheit gewahrt. Erst so ist nach Barth letztlich auch das Geschenk der Gnade zu ermessen. Die Kritik an dieser Gottesdarstellung greift sodann auch an dem Calvinschen „Distanzpathos“ an, einer Gott unterschobenen Form der Würde, die zu ihrer „Erhöhung“ der Erniedrigung des Menschen bedarf (vgl. 288.339–350 u.a.).

Da Gottes Liebe nach Barth nun frei ist, darin Gnade ist, ergeht sie bedingungslos. Die bedingungslose Liebe Gottes ist sodann „Feindesliebe“, ist derart, wie nach Mt 5,44 LUT auch menschliche Liebe zum Anderen sein sollte. Die „Brücke über den Abgrund“ aber, die diese Liebe schlägt, ist auch insofern vom Menschen unabhängig, wie sie seiner Zustimmung nicht bedarf, nicht von der Gegenseitigkeit ausgeht, sondern als „gesetzt“ (als Gesetz ?) gilt.

Die Gnadenlehre

(vgl. KD II,2 1–563)

Die Gnadenwahl ist das Zentrum der Barthschen Dogmatik, sie ist nach Barth das ganze Evangelium, das Evangelium in nuce. Die Gnadenwahl beinhaltet Gottes Freiheit, Gottes Geheimnis und Gottes Gerechtigkeit. Sie ist verstanden als ein Akt seiner freien Gnade, ist sola gratia. Dabei wird nun vor allem der Aspekt der Freiheit betont. Gottes Wille kennt kein Warum, er ist das „Darum“ (25ff.; vgl. auch KD II,1).

Die Entscheidung Gottes zur freien Gnadenwahl aber ist eine Vorentscheidung, eine aller menschlichen Selbstbestimmung zugrunde liegende Vorher-Bestimmung, prae-destinatio. Hier also setzt Barths Gnadenbund ein, der die Schöpfung als seinen „äußeren Grund“ hat, so wie er selbst „innerer Grund“ der Schöpfung ist (vgl. KD III,1 und IV,1, Barths Bundestheologie).

Bei Barth gibt es für den Menschen keine doppelte Prädestination, keine mit einer zu der Erwählung opponierenden Verwerfung versehene praedestinatio gemina, wie sie der Calvinismus vertritt. Aus Gottes „Ja und „Nein ist dem Menschen das „Ja“ zugedacht, wohingegen das „Nein“ in Verwerfung, Verdammnis und Tod Gott selbst auf sich nimmt. Das Böse ist „die überwundene Macht“, die nur im Unmöglichen und Unwirklichen, d.i. die Abwesenheit des Guten, existiert.

Die Erwählung ist für Barth dann in Christo konkret. Christus ist der einzige, der im Sinne der praedestinatio gemina erwählt und verworfen ist, der stellvertretend die Verwerfung aller Menschen auf sich nimmt, denn „[…] Gott will verlieren, damit der Mensch gewinne“. In Christus treffen aber auch der erwählende Gott und der erwählte Mensch zusammen. Die Erwählung ist also die von und durch Christus vollzogenene und an ihm geschehene Erwählung. In ihm wird als gerichtetem Richter schließlich das Jüngste Gericht je schon überholt (vgl. KD II,2 63.111.124 sowie Eph 1,4 LUT).

Dennoch verwirft Barth eine apokatástasis pánton („Seligwerdung aller“). Da bei Barth aus der Überwindung des Bösen nun nicht dessen Wegfallen folgt, kann eine Apokatastasis (eigentl.: „Wiederherstellung“), ein „Sommerschlussverkauf“ der Gnade (Pöhlmann 1984, 44) daraus nicht in dem Sinne folgen, dass sie als ein Gesetz der Allversöhnung zu verstehen wäre – Erwählung bleibt bei Barth in der Freiheit der Gnade. Damit versucht Barth die Konsequenz zu umgehen, aus der „offenen Vielzahl der Erwählten“ eine „geschlossene Vielzahl“ zu machen (wie dies die klassische Prädestinationslehre tut) und somit das Geschehen (vgl. Barths „Aktualismus“) in eine Faktizität umzuwandeln, aus der heraus es keines lebendigmachenden Evangeliums, keiner letzten (eschatologischen) Befreiung mehr bedürfte und der Begriff von einem „Guten“ sich (ohne die Abgrenzung auf ein dann nivelliertes „Böses“ hin) nicht mehr explizieren ließe. Es gibt für Barth also sehrwohl ein außer Christus der Nicht-Erwählung, das weder übergangen werden kann noch darf, jedoch scheint sich der Primat der Erwählung gerade in der Verkündigung (unter Beachtung dieses Dualismus) durchzusetzen. Denn nicht nur, dass sich Christus gerade für die Gottlosen einsetzte (siehe unten), vielmehr ist für Barth auch der glaubende ein potentiell verworfener Mensch, ein nur in Christus nicht verworfener (vgl. 383.466ff.).

So lässt sich bei Barth die Verwerfung nicht von der Erwählung trennen. Nicht nur, dass nach Barth „Gott will, dass der Verworfene glaube und als Glaubender ein erwählter Verworfener werde“ (563), vielmehr ist dieser schon immer in Gottes Heilsplan, wie Barth an der Auslieferung Jesu (paradosis) durch Judas Ischariot ausführt: Erst durch dies weltliche Gericht wird die göttliche Gnade sichtbar, erst durch diese „Auslieferung“ beginnt die (apostolische) „Überlieferung“, die Verkündigung der ja explizit frohen Botschaft (vgl. 498.530ff.554ff.563).

Der Mensch ist nun im Glauben erwählt. Er ist erwählt, indem er in ihm (Eph 1,4 LUT) ist, in Gottes Erwählen die offenbarende Gnade Gottes begreift und bejaht (vgl. 113). Befindet sich nach Barth der Mensch „in ihm“, d.h. „in seiner Person“, „seinem Willen“, so ist er „in und mit seinem Erwähltsein“ (vgl. 125). Das Erwähltsein konkretisiert sich im Glauben. (vgl. 135). Hier nun kann die Wahlmöglichkeit für den Menschen betrachtet werden, seine Freiheit, seine Bestimmung zu erfüllen oder zu verfehlen. In diesem Zusammenhang nicht haltbar wirkt aber nun die Barthsche These von der ontologischen Unmöglichkeit des Unglaubens, die zudem in ihrem Dekret vom „Glaubensautomatismus“ ohnehin in der Kritik steht.

Gottes Erwählen hat bei Barth nun aktuellen Charakter, ist als ewiges Geschehen gefasst. In diesem Verständnis der ewigen Erwählung Jesu Christi ist es Barth möglich, aus der Gnadenlehre nicht nur die Christologie, sondern auch die Schöpfungs–, Sünden- und die Rechtfertigungslehre sowie die Ethik zu gewinnen (vgl. 202).

Das Individuum ist bei Barth nun aber der Gemeinde dadurch untergeordnet, dass in Jesu Christo die Einzelheit des Menschen negiert wird. Die Erwählung der Gemeinde aber ist Erwählung Israels und der Kirche. So wie Christus als „der gekreuzigte Messias Israels“ „der heimliche Herr der Kirche“ ist, so ist er als „der auferstandene Herr der Kirche“ „der offenbarte Messias Israels“ (vgl. a.a.O. 218). Die Gemeinde ist bei Barth also eines in beidem und beides in einem – Israel und Kirche, verbunden und in eins gefasst durch den einen Jesu von Nazareth in ihrer Mitte. Die Aufgabe der Gemeinde aber ist „exklusiv“ die Verkündigung der Frohen Botschaft, nicht die Abgrenzung zu den „Gottlosen“.

Denn auch wenn jeder, der erwählt wurde, wie ein Erwählter lebte, so gilt nach Barth doch, daß Jesus Christus gerade für die Gottlosen eingetreten ist (vgl. a.a.O. 362.383).

Die Schöpfungslehre

(vgl. KD III,1)

Die Schöpfungslehre wird bei Barth als Glaubenslehre verstanden. Damit soll vor allem einer theologia naturalis entgangen werden. Die Schöpfung gilt als das Vollbrachte (perfectum). Dieses Vollbrachte ist in der Geschichte Israels vollbracht, womit Schöpfungsgeschichte aber Heilsgeschichte ist.

Der Ansatzpunkt einer Schöpfungslehre liegt für Barth in Jesu Christi. In ihm ist Schöpfer wie Geschöpflichkeit gegeben. Dies gilt noetisch und ontisch: Jesus Christus ist „das Wort“, durch das die Schöpfung vollzogen ist, in ihm wird Gott nicht nur erkennbar, sondern ist auch da (vgl. ebd.). „Wer den Menschen als Gottes Geschöpf hier, in Jesus Christus, entdeckt hat, der hat unmittelbar damit auch den Himmel und die Erde entdeckt als Gegenstand der göttlichen Schöpfungstat“ (29). Der zum Biblizismus führende Ansatz bei den Schöpfungsgeschichten (Genesis) wird damit verworfen.

Mit Christus als Ansatzpunkt fällt Schöpfung aber bei Barth in Gottes Gnade, ist die Durchführung des Gnadenbundes (vgl. 46). So wird bei Barth die Schöpfung als äußerer Grund des Bundes in Gen 1,1–2,4a LUT lokalisiert, wohingegen Gen 2,4b ff. LUT Ausdruck den Bund als inneren Grund der Schöpfung anspricht. „Der Bund der Gnade ist das Thema der Geschichte (64), Geschichte ist damit Heilsgeschichte und Schöpfung findet als unhistorische Geschichte in der Zeit statt. Die Schöpfung geschieht genauso in der Zeit, wie Gottes „ewiger Gnaden- und Schöpfungsratschluß“ (73) außerhalb der Zeit liegt. Dennoch ist Schöpfungsgeschichte keine „historische“ Geschichte (vgl. Kähler), sondern nach Barth gerade darin, dass sie „unmittelbar zu Gott ist, an die Ewigkeit grenzt“, unhistorische Geschichte.

Damit wird von Barth nicht nur auf die Einordnung der Schöpfung gewiesen, sondern auch die Problematik der categorial fallacy hingewiesen, in der sich der Betrachtende hineinbegibt, der aus der geschaffenen Geschichte heraus diese als Ganzes zu fassen versucht, ja über sie hinaus ihre Begründung meint von der Warte seiner Immanenz erkennen zu können (vgl. zum Zeitbegriff auch 77–82). Das virulente „Nichts“ der Schöpfung ist somit keine auch nur mögliche positive Größe. Das „Nichts“ ist bei Barth, nicht zuletzt, um einem theologische Dualismus zu entgehen, vielmehr die von Gott vor der Schöpfung übergangene Möglichkeit. Licht ist, Finsternis ist nur auch, d.h. in der Abwesenheit des Lichtes, der Geschiedenheit von Licht (vgl. 117). Ebenso wird auch das Gericht bei Barth (nach Gen 1,2 LUT) nur als mögliches beschrieben, ist als faktisches nur einmal und für alle male an Jesus Christus vollzogen worden.

Dem Menschen ist nun seine imago Dei in einer analogia relationalis (nach Bonhoeffer) gegeben. Hierin spiegelt sich Barths Trinitätslehre wider, in der der ökonomische (sichtbare) Ansatz auf den immanenten (unsichtbaren) rückbezogen wird, dieser den Grund für jenen abgeben muss: In der Folge von Gen 1,26 LUT spiegelt sich die innertrinitarische Bezogenheit Gottes nun wieder in seiner Bezogenheit als der eine Gott zum Menschen, dann für den Menschen als die geschlechterspezifische Bezogenheit von Frau zu Mann. Damit wird nicht nur die auch von Brunner unter anderen vertretene thomistische Auffassung einer analogia entis, die eine qualitative Gottesebenbildlichkeit sucht, die gleiche Teilhabe am „Sein“ für Gott und Mensch nur in „unterschiedlicher Dichtigkeit“ (O.Weber 1950, 92) reklamiert, abgelehnt. Vielmehr wird auch die von dem Ansatz der analogia entis abhängende reformatorische Auffassung eines Verlustes der Reinheit, des status integritatis verworfen.

Wird die imago Dei aber als analogia relationalis beschrieben, so wird von Barth damit auf ihre Unverfügbarkeit für den Menschen hingewiesen. Im Gegensatz zur Beschreibung der Gottesebenbildlichkeit als analogia entis, wird diese so als Gabe Gottes verständlich (vgl. 226). Die Urform der analogia relationalis findet Barth aber in der Bezogenheit von Jesus Christus zur Gemeinde aufgewiesen, woraus sich dann wieder ekklesiologische Konsequenzen ergeben (vgl. 1 Kor 11,7 LUT).

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