Kirchengericht

Kirchengericht

Ein Kirchengericht ist das Gericht einer Religionsgemeinschaft.

In Deutschland urteilten in manchen Staaten Kirchengerichte noch bis 1879 auch in weltlichen Angelegenheiten, vor allem im Bereich des Eherechts. Mit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) setzte sich der Gedanke der Staatlichkeit der Gerichte durch. Urteile geistlicher Gerichte sollten ohne bürgerliche Wirkung sein (§ 15 GVG alter Fassung), der Bestand der Kirchengerichte als solche blieb aber unberührt.

Unter dem Grundgesetz regeln die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbständig (Kirchliches Selbstbestimmungsrecht), was auch durch eine kirchliche Gerichtsbarkeit geschehen kann[1].

Inhaltsverzeichnis

Evangelische Kirche in Deutschland

In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihren Gliedkirchen und deren Zusammenschlüssen (z. B. UEK, VELKD) sind Verfassungs-, Verwaltungs-, Disziplinar-, Lehrbeanstandungs- und Mitarbeitervertretungssachen zu unterscheiden. Insgesamt erfolgt eine Orientierung am staatlichen Recht.[2]

  • Verwaltungsstreitigkeiten: Den Schwerpunkt in diesem Bereich bildet das Dienst- und Besoldungsrecht der Pfarrer und Kirchenbeamten[6]; gelegentlich sind aber sogar Nichtkirchenmitglieder verfahrensbeteiligt[7]. Zuständig sind in erster Instanz Verwaltungsgerichte (z. B. Verwaltungsgericht der UEK[8]; Kirchliches Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche im Rheinland[9]) bzw. Verfassungs- und Verwaltungsgerichte (s. o.). Rechtsmittelgerichte sind der Kirchengerichtshof der EKD, der Verwaltungsgerichtshof der UEK und das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD[10].
  • Disziplinarsachen: Rechtsgrundlage der Ahndung von Amtspflichtverletzungen bilden die Disziplinargesetze von EKD und VELKD. Zuständig sind in erster Instanz Disziplinarkammern[11] (z. B. beim Kirchengericht der EKD), in zweiter Instanz die Disziplinarsenate des Kirchengerichtshofs der EKD bzw. der Disziplinarsenat der VELKD[12].
  • Lehrbeanstandung: Die Ahndung von Lehrpflichtverletzungen[13] erfolgt durch besondere Spruchkammern bzw. -kollegien[14].
  • Mitarbeitervertretungsangelegenheiten: Für Streitigkeiten im Rahmen des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts[15] sind in erster Instanz Kirchengerichte (z. B. Kirchengericht der EKD; im Übrigen oft Schieds- oder Schlichtungsstelle genannt[16]) zuständig, für die Beschwerde der Kirchengerichtshof der EKD[17].

Eine Besonderheit des kirchengerichtlichen Verfahrens besteht u. a. darin, dass die Richter nicht nur „an Recht und Gesetz“, sondern auch an „Schrift und Bekenntnis“ gebunden sind[18]. In personeller Hinsicht findet jedoch teilweise eine Verzahnung mit der staatlichen Justiz statt[19].

Entscheidungen der Kirchengerichte werden z. B. in der vom Kirchenrechtlichen Institut der EKD jährlich als Beilage zu Heft Nr. 4 des Amtsblatts der EKD herausgegebenen Rechtsprechungsbeilage[20] publiziert.

Römisch-katholische Kirche

In der römisch-katholischen Kirche werden die Kirchengerichte je nach Diözese auch Offizialate oder Konsistorien genannt. Die Gerichtsorganisation und das Verfahren sind im Codex Iuris Canonici geregelt. Das katholische Kirchenrecht kennt Straf-, Ehe- und Verwaltungsgerichte, wobei Letztere in Deutschland nicht errichtet sind. Der Instanzenzug umfasst den Offizial[21], das Metropolitangericht[22] und als übergeordnete, päpstliche Instanzen den Gerichtshof der Römischen Rota[23] und den Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur[24] sowie in Spezialfällen auch die für Beicht- und Gewissensfragen (so gen. Forum-Internum-Sachen) sowie Verwaltungsangelegenheiten (II. Sektion) zuständige Apostolische Pönitentiarie[25].

Weblinks

Rechtsprechung evangelischer Kirchengerichte

Einzelnachweise

  1. vgl. etwa BVerwG, 30. Oktober 2002 (2 C 23.01); BVerfG, 18. September 1998 (2 BvR 1476/94)
  2. zum Ganzen Hartmut Maurer: Grundprobleme der kirchlichen Gerichtsbarkeit. In: Abhandlungen zum Kirchenrecht und Staatskirchenrecht (Jus ecclesiasticum Bd. 59). Mohr, Tübingen 1998, ISBN 3161468791, S. 137 ff. (Volltext in der Google Buchsuche).
  3. Art. 22 Verf/VELKD; §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 ErG/VELKD
  4. §§1, 11 ReHO
  5. Art. 32 Abs. 2 Nr. 1, Art. 32b, 32c GO-EKD; §§ 25-27 KiGG.EKD
  6. für die das staatliche Beamtenrecht nicht gilt, vgl. § 135 BRRG
  7. s. etwa Verwaltungskammer der Ev. Kirche von Westfalen, Urt. v. 4. Juni 2008 (VK 6/07), RsprB ABl. EKD 2009 S. 2
  8. § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwGG/UEK; gemeinsames Verwaltungsgericht für UEK, EvLKAnh und PEK
  9. Art. 163 KO/EKiR
  10. Art. 32 Abs. 2 Nr. 3 GO-EKD, § 5 Abs. 3 KiGG.EKD; § 2 Abs. 1 Nr. 2 VwGG/UEK; § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErG/VELKD
  11. § 10 Abs. 1 DG.EKD bzw. § 54 DiszG/VELKD
  12. § 10 Abs. 2 DG.EKD bzw. §§ 95, 97 DiszG/VELKD
  13. vgl. Wolfgang Strietzel: Das Disziplinarrecht der deutschen evangelischen Landeskirchen und ihrer Zusammenschlüsse (Jus ecclesiasticum Bd. 34). Mohr, Tübingen 1988, ISBN 3166453237, S. 230 ff. (Volltext in der Google Buchsuche).
  14. s. etwa § 6 LehrbeanstG/VELKD
  15. Ausschluss der Geltung staatlichen Rechts nach § 118 BetrVG, § 112 BPersVG und entspr. Landesrecht
  16. vgl. Geschäftsstellen der Kirchengerichte, Schiedsstellen, Schlichtungsstellen und -ausschüsse nach den Mitarbeitervertretungsgesetzen
  17. §§ 56, 57 MVG.EKD
  18. § 6 Abs. 1 S. 1 ErG/VELKD; § 3 Abs. 1 S. 2 VwGG/UEK
  19. s. etwa ABl. VELKD Bd. VII, S. 418
  20. http://www.kirchenrecht-ekd.de/welcome/structuretype/kabl_jahr/sort/DESC
  21. can. 1420
  22. can. 1438
  23. cann. 1443, 1444; Pastor bonus, Art. 126-130
  24. can. 1445; Pastor bonus, Art. 121-125
  25. Pastor bonus, Art. 117-120

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