Kindersoldaten

Kindersoldaten
„Kindersoldat in der Elfenbeinküste, Afrika“, (Gilbert G. Groud, 2007)

Es gibt keine offizielle Definition des Begriffs Kindersoldaten. Die internationale Coalition to Stop the use of child Soldiers orientiert sich an der Altersgrenze der UN-Kinderrechtskonvention und fordert, dass niemand, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in reguläre Streitkräfte oder nichtreguläre bewaffnete Gruppen rekrutiert werden darf.

UNICEF, terre des hommes und amnesty international bezeichnen „alle Kämpfer und deren Helfer, die unter 18 Jahre alt sind“ als „Kindersoldaten“.

Nach den Cape Town Principles von 1997 sollen nicht nur minderjährige kämpfende Angehörige von bewaffneten Einheiten als Kindersoldaten angesehen werden, sondern auch Träger, Informanten, Köche etc. Diese breite Definition soll einen besseren Schutz von Kindern gewährleisten und ihnen im Falle einer Demobilisierung Zugang zu Hilfsmaßnahmen gewähren.

Allerdings gibt es ein Spannungsverhältnis zum Kombattantenstatus, der mit dieser Einordnung zu den Soldaten erreicht wird. Zwar ist es danach legitim, im Kriegsfall auch gegen Kinder zu kämpfen, jedoch würde der Kombattantenstatus den Kindern wenigstens rechtlich eine Behandlung nach den Grundsätzen der Kriegsgefangenenkonventionen sichern.

Inhaltsverzeichnis

Leben als Kindersoldaten

Kindersoldat im Sezessionskrieg

Kinder und Jugendliche sind in der Regel leichter zu rekrutieren als Erwachsene. Sehr viele werden zwangsweise zu Soldaten. Insbesondere Jugendliche schließen sich aber auch freiwillig den bewaffneten Gruppen an. In der Regel kommen Kindersoldaten aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung, viele sind durch die Kriegsereignisse von den Eltern getrennt worden und suchen Schutz, es sind Kinder aus Flüchtlings- und Vertriebenenlagern sowie Straßenkinder. Unter diesen Umständen wird der Krieg für die Jugendlichen nicht nur zur Chance, ihre Existenz zu sichern, er bringt ihnen auch soziale Anerkennung sowie ein Machtgefühl, das ihnen als Unbewaffnete nie zuteil würde. Manche sinnen auf Rache, weil der Feind Vater oder Mutter getötet hat.

Die Kinder werden den gleichen Belastungen ausgesetzt wie die erwachsenen Soldaten, lassen sich meist jedoch leichter manipulieren. Sie werden oft einer brutalisierenden Behandlung unterworfen, unter Drogen gesetzt oder müssen Leichenteile essen; auf Disziplinlosigkeit wie z. B. Einschlafen auf der Wache stehen drakonische Strafen. Fortlaufen oder Desertieren wird in der Regel mit Hinrichtung bestraft. Kindersoldaten werden vor allem in den sogenannten neuen Kriegen eingesetzt, da diese Kriege überwiegend mit leichten Waffen geführt werden. Kinder werden oft auch zum Verlegen oder Entschärfen von Landminen eingesetzt. Mädchen werden häufig vergewaltigt oder zur Heirat mit älteren Soldaten gezwungen.

Zu den schärfsten Kritikern des Einsatzes von Kindersoldaten gehört der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu.

Es gibt einen Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Er wird von der Coalition to stop the use of child soldiers mit Sitz in London alljährlich am 12. Februar veranstaltet und ist (noch) kein offizieller UN-Tag.

Statistik

Nach Angaben der UNO von 1996 („Impact of Armed Conflict on Children“, so genannter Machel-Bericht) sind 300.000 Kinder unter Waffen an Konflikten beteiligt. Heute nach dem Ende einiger großer Bürgerkriege wie in Angola wird die Anzahl auf 250.000 geschätzt. Mehr als 50 bewaffnete Gruppen setzen sie ein, meist in Afrika. Fast jeder dritte Kindersoldat ist ein Mädchen. Etwa zwei Millionen Kinder sind zwischen 1990 und 2000 gefallen, schätzt Olara Ottuno, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten. Sechs Millionen Kinder sind zu Invaliden geworden, zehn Millionen Kinder haben schwere seelische Schäden erlitten.

In Uganda waren rund 90 Prozent der Lord’s Resistance Army Kinder zwischen 13 und 16 Jahren. Über 12.000 Jungen und Mädchen wurden zwangsrekrutiert. In Liberia kämpften während des Bürgerkriegs von 1989 bis 1997 etwa 20.000 Kindersoldaten. Dabei sollen bereits Neunjährige rekrutiert worden sein. In Sierra Leone gab es zwischen 1991 und 2002 6.845 Soldaten unter 18 Jahren.

Die Coalition to Stop the Use of child Soldiers hat 2004 einen Weltreport zu Kindersoldaten herausgebracht. Darin werden die Wehrgesetze aller Länder dokumentiert und diejenigen bewaffneten Gruppen benannt, die Kinder und Jugendliche rekrutieren und im Kampf einsetzen Zu den Staaten mit der weltweit höchsten Zahl an Kindersoldaten gehört Myanmar (Birma).

Verbot

Im UN-Fakultativprotokoll über Kinder in bewaffneten Konflikten (Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten) vom 25. Mai 2000 wurde vereinbart, dass Kinder unter 18 Jahren nicht zwangsweise eingezogen werden dürfen. Ausnahmen sind bei der Anwerbung von Freiwilligen für staatliche Streitkräfte zugelassen, die Altersgrenze für sie wurde auf Druck Großbritanniens, der USA, Russlands und Chinas auf 16 Jahre festgelegt. 101 Staaten haben bisher dieses Zusatzprotokoll ratifiziert (Stand: September 2005). Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Zusatzprotokoll ebenfalls ratifiziert und nimmt 17-jährige freiwillige Bewerber in die Bundeswehr auf.

Im Rom-Statut Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag wurde festgelegt, das die Rekrutierung von unter 15-jährigen ein Kriegsverbrechen ist und verfolgt wird. Thomas Lubanga, Gründer und Führer der bewaffneten Miliz Union des Patriotes Congolais in der Demokratischen Republik Kongo, wurde im August 2006 wegen dieses Verbrechens vor dem IStGH angeklagt. Er ist damit der erste Angeklagte in der Geschichte des Gerichts.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat in ihrer Resolution 182 festgelegt, dass es sich beim Einsatz von Kindern als Soldaten um eine extreme Form von ausbeuterischer Kinderarbeit handelt. Dennoch gilt die Flucht der Minderjährigen vor Zwangsrekrutierung in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Asylgrund, ehemalige Kindersoldaten bekommen in der Regel den Status einer Duldung. Eine ausführliche Dokumentation wurde von terre des hommes veröffentlicht, Titel „Ehemalige Kindersoldaten als Asylbewerber in Deutschland“.

Geschichte

Der sowjetische Kindersoldat Fedja Samodurow wird im Dezember 1944 für die Verteidigung einer Maschinengewehrstellung während der Schlacht um Ternopil ausgezeichnet.
15-Jähriger der französischen Legion, 1942 in Russland

Kindersoldaten sind keine Erfindungen der Neuzeit. Rossbuben, also jugendliche Pferdepfleger gehörten immer zur Reiterei wahrscheinlich seit es berittene Truppen gibt. Kaiser Caligula verdankt seinen Namen seiner Fußbekleidung, die er als Heranwachsender im römischen Heere trug.

Im Kinderkreuzzug bildeten Kinder und Heranwachsende ganze Armeen. Aus dem Dreißigjährigen Krieg sind literarische Gestalten überliefert (Gustav Adolfs Page, Der abenteuerliche Simplicissimus). Eine Darstellung der bildenden Kunst zeigt einen Kindersoldaten aus den Napoleonischen Kriegen. Von einem Kindersoldaten während des Amerikanischen Sezessionskrieges gibt es eine Fotografie.

Im Zweiten Weltkrieg wurden Heranwachsende als Luftwaffenhelfer eingesetzt, die Waffen-SS hat Jugendliche angeworben, in der letzten Kriegsphase kämpften Hitlerjungen im Volkssturm, einige wurden mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Auch auf sowjetischer Seite kamen Kindersoldaten zum Einsatz.

Ausstellungen

Es gab einige Ausstellungen über Kindersoldaten in der Vergangenheit. Eine Ausstellung wurde von der Hilfsorganisation terre des hommes organisiert. Sie lief vom 17. Juni bis zum 7. Juli 2003 in Münster mit dem Titel „Kinder in bewaffneten Konflikten“. Dort wurden 16 Plakate mit dem Thema „Kinder im Krieg“ ausgestellt, die Länderbeispiele aus der Projektarbeit von terre des hommes zum Thema Kinder im Krieg zeigten.

In Berlin-Schöneberg präsentiert seit 2005 die private Sammlung Empore die Dauerausstellung Der kleine Soldat, die vor allem thematische Fotodokumentationen und Originalexponate aus den beiden letzten Jahrhunderten umfasst.

Der Dokumentarfilm „Lost children“ über Kindersoldaten im Norden Ugandas war in einigen deutschen Kinos zu sehen.

Literatur

  • Ishmael Beah: Rückkehr ins Leben. Ich war Kindersoldat, Campus 2007, ISBN 978-3-593-382647
  • Alcinda Honwana: Child Soldiers in Africa. Philadelphia 2005, ISBN 978-0-8122-1987-6
  • Senait G. Mehari: Feuerherz. Droemer-Verlag 2004, ISBN 3-426-27341-1
  • China Keitetsi: Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr: mein Leben als Kindersoldatin. Ullstein-Verlag 2003, ISBN 3-548-36481-0
  • Margit & Alice Schmid: I killed people. Lamuv 2001, ISBN 3889775993
  • Michael Pittwald: Kindersoldaten, neue Kriege und Gewaltmärkte. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Sozio-Publishing 2008 ISBN 978-3935431-13-2
  • Rachel Brett, Margaret McCallinn: Kinder - die unsichtbaren Soldaten Book on Demand, ISBN 3-8311-2641-0
  • Manuel Werner: Macht und Ohnmacht jugendlicher Luftwaffenhelfer - Ein Beispiel vom Fliegerhorst und KZ Echterdingen/Filder, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg/Erzieherausschuss der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Stuttgart (Hrsg.): Durch Faszination zur Macht - die Faszination der Macht. Bausteine zum Verhältnis von Macht und Manipulation. Handreichungen für den Unterricht, Stuttgart 2003.
  • Uzodinma Iweala: Du sollst Bestie sein. Meridiane Ammann 2008, ISBN 978-3-250-60119-7

Filme

  • Lost Children: Dokumentarfilm über die Kindersoldaten in Nord-Uganda
  • Blood Diamond: Film über den Bürgerkrieg und Blutdiamanten in Sierra Leone und die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten

Weblinks


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