Khanat der Goldenen Horde

Khanat der Goldenen Horde
Goldene Horde (1389)

Die Goldene Horde (mong. Алтан Орд Altan Ord; tatarisch: Altın Urda; russisch: Золотая Орда Zolotaya Orda) ist die Bezeichnung für ein turko-mongolisches Teilreich in Osteuropa und Westsibirien. Die Bezeichnung leitet sich angeblich von dem Palastzelt des Heerführers ab (ordu: Heer, türkisch; mong. Ордон, Ordon = Palast).

Die spätere Goldene Horde wurde 1236 von Batu Khan (reg. 1236–1255), einem Enkel Dschingis Khans, als Ulus Jochi türkisch: Volk von Khan Jochi (Cuçi) oder Khanat Kyptschak gegründet. Die Hauptstadt war bis ca. 1342 Alt-Sarai im Wolgadelta, danach das weiter nördlich an der Wolga gelegene Neu-Sarai (auch Berke-Sarai).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Machtzentren

Die Mongolen siedelten hauptsächlich an Wolga und Kama. Die Masse der Bevölkerung wurde jedoch von Angehörigen türkischer Stämme gestellt, besonders den unterworfenen Kiptschaken (daher auch Khanat Kiptschak). Vielfach entstanden die Städte der Goldenen Horde aus Zeltstädten, die als Kern eine feste Ansiedlung bekamen. Da die Khane seit Berke (reg. 1257–1267) die Landeigentümer und Pächter schützten, war die Grundlage einer städtischen Kultur gegeben, auch wenn der Großteil der Bevölkerung noch lange als Nomaden lebte. Auch die Khane selbst zogen es vor, im Sommer in Zelten und nicht im Palast zu wohnen.

Die Zentren des Staates bildeten vom 13. bis zum 16. Jahrhundert die Städte Sarai in Astrachan, Neu-Sarai, Bolgar, Kasan und Asow. Sie wurden von verschleppten Handwerkern erbaut und durch russische Steuern beziehungsweise Tribute sowie den Handel finanziert. Das Wissen dazu wurde aus Ägypten (durch Einwanderer), aus dem einstigen Wolgabulgarien und Turkestan (Wasserversorgung) entlehnt. Neu-Sarai hatte eine halbe Million Einwohner und wurde 1395 von Tamerlan zerstört.

Handel

Die Goldene Horde verfügte über weitreichende Handelsbeziehungen. Besonders der Handel über die Krim nach Ägypten war ausgeprägt und kann nur noch mit den Handelsbeziehungen zu den Italienern, hier vor allem Genua und Venedig, verglichen werden. Des Weiteren existierte ein Handelsverkehr auf dem Landweg über Kiew, auch entlang der Flüsse nach Norden, der Waren nach Mitteleuropa brachte durch Kaufleute aus Breslau, Groß-Nowgorod und Riga. Ein umfangreicher Pferdehandel existierte mit Indien.

Teilherrschaften

Doch kristallisierten sich innerhalb der sogenannten "Goldene Horde" schon früh verschiedene Teilherrschaften heraus: Die Blaue Horde von Batu Khans Nachkommen im Wolgaraum, sowie die Anhängerschaft der Nachkommen Ordas und Shibanis in Sibirien (vgl. Weiße Horde, Orda-Horde). Die Farbbezeichnungen sind aber nicht eindeutig, die Machtstellung war recht personenbedingt, auch überschnitten sich die Einflussbereiche der Herrscherklans von Zeit zu Zeit. Aufgrund der besonderen Stellung des prinzlichen Emirs Noqai († 1299) bildete sich zudem später noch die Nogaier-Horde heraus. Und da die Khane der Krim und einige andere Fürsten auf Toqa Timur, einen weiteren Bruder Batus zurückgeführt werden können, vermutet man auch hier mitunter eine (allerdings unbedeutende) Teilherrschaft.

Herrschaft über Russland

Die Khane der Goldene Horde beherrschten von 1238/1240 bis 1480 Russland, was die wirtschaftliche Stellung Russlands in Europa beeinträchtigte („Tatarenjoch“). Die russischen Fürsten mussten sich in Sarai in ihrem Amt bestätigen lassen, mongolische Steuer- und Tributeintreiber unterstützen und Truppen stellen. Die Khane förderten die Aufspaltung Russlands in bedeutungslose Fürstentümer und unternahmen deswegen wiederholt Kriegszüge in dem Land (besonders 1259, 1281, 1293, 1317, 1327, 1382, 1408 - siehe Mongolische Invasion in Rus). Zu guter Letzt unterstützten sie Iwan Kalita (reg. 1325-1341) von Moskau, der ihnen eine verhältnismäßige Ruhe und damit den Tribut garantierte, aber auch den Aufstieg Moskaus begründete.

Kriegszüge nach Europa

Die Goldene Horde unter Batu Khan belagerte 1241 u.a. Krakau und Breslau und drang in Teile Brandenburgs vor. Sie blieben bei der Schlacht bei Wahlstatt (Schlesien) und der Schlacht bei Muhi (Ungarn) ungeschlagen. 1242 stießen sie bis Wiener Neustadt bzw. an die Adria (Dubrovnik) vor und fielen erneut 1259 und 1285/86 in Polen, 1262 in Ungarn, 1259 und 1275 in Litauen, sowie 1264, 1277/80 und 1285 in die Walachei und Bulgarien ein.

Militärische Überlegenheit

Der militärische Erfolg, der dazu führte, dass ihnen besonders im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert der Ruf der Unbesiegbarkeit vorauseilte, war begründet in einer der europäischen Heeresform des Mittelalters überlegenen, leicht gepanzerten und sehr beweglichen Reiterei (Kavallerie). Während das klassische Feudalheer in zwei oder mehr Teile geteilt war, einer schwer gepanzerten und mit langen Lanzen bewaffneten Reitereinheit, die vom Adel oder reichen Grundbesitzern gestellt wurde, und dem nicht gepanzerten und mit einfachen Waffen ausgerüsteten Fußvolk (Infanterie), so war das Heer der Goldenen Horde meist vollständig beritten und mit leichten Waffen wie Pfeil und Bogen, Speeren oder Säbeln bewaffnet. Es war zudem taktisch geschult und (anders als die ritterlichen Einzelkämpfer, die sich nach einem ersten Ansturm meist in Grüppchen auflösten) in der Lage, seine Schlachtordnung zu halten. Trotzdem waren die Russen schließlich in der 2. Hälfte des 14. Jh. in der Lage, Truppen aufzustellen und Taktiken zu entwickeln, die es mit der Kavallerie der Goldenen Horde aufnehmen konnten (1380 Schlacht auf dem Kulikowo Pole).

Islamisierung

Eine Minderheit der Mongolen und Tataren hatte schon im 13. Jahrhundert zusammen mit Berke Khan und Nogai Khan den Islam angenommen. Im 14. Jahrhundert fand unter Sultan Usbek (reg. 1312-1341/2) eine umfassende Islamisierung der Goldenen Horde statt, was – verbunden mit einer staatlichen Neuordnung – zu einer Blütezeit führte. Die Oberschicht trat gleichsam auf Befehl zum Islam über, aber in der Bevölkerung duldete man noch lange schamanistische und auch viele christliche (Assyrische Kirche, Orthodoxe Kirche) Türken und Mongolen. Analog dazu setzte sich unter Usbek das islamische Recht durch, man hielt sich im 14. Jahrhundert nur noch an einige wichtige Bestimmungen der Jassa. Anders als die mongolischen Ilchane in Persien oder später Tamerlan, erkannten die Khane der Goldenen Horde das von den Mameluken errichtete Schatten-Kalifat der Abbasiden in Kairo formal an.

Die Khane der Goldenen Horde zeigten kein übermäßiges Interesse an staatlichen Einrichtungen. Von Usbek Khan wird beispielsweise gesagt, dass er sich nur im allgemeinen um die Belange seines Reiches kümmerte, mit den ihm zufließenden Geldern zufrieden war und nicht weiter danach fragte, wie sie eingenommen und wieder ausgegeben wurden. Heer und Regierungsapparat waren wie auch im Ilchanat nach Funktionsbereichen aufgeteilt, doch hatten die ranghöchsten Wesire und Emire nicht das gleiche Bestimmungsrecht wie dort. Die Frauen der Khane hatten auch größeren Einfluss.

Ab 1346 wurde die Goldene Horde von der Großen Pest in Mitleidenschaft gezogen (85.000 Todesopfer allein auf der Krim), wobei sich die Tataren und Ägypter gegenseitig die Schuld zuwiesen. Sie kam über den Handelsverkehr (vielleicht aus China, wo sie 1344 ausbrach) und hat sich – der Legende nach über genuesische Flüchtlinge aus Kaffa – weiter nach Europa verbreitet.

Konfrontation mit Litauen und Moskau

Nach 1357 begann der Niedergang der Goldenen Horde durch inneren Streit: Thronanwärter hielten sich nur ein oder zwei Jahre, mächtige Emire wie Mamai auf der Krim schwangen sich zu den faktischen Herrschern auf. Weite Teile des Territoriums um den Dnepr gingen an das Großfürstentum Litauen verloren. Außerdem sah sich die Goldene Horde den von Moskau angeführten, erstarkenden russischen Fürstentümern gegenüber. Der Versuch Mamais, Russland mittels eines neuen großen Plünderungszuges zu schwächen, mündete 1380 in der vollständigen Vernichtung seines Heeres durch vereinigte russische Kräfte unter Dmitri Donskoi in der Schlacht von Kulikowo.

Beginn des Untergangs

Das Treffen am Ugra-Fluss 1480

Die Niederlage öffnete aber den Weg zu einer vorübergehenden erneuten Einigung der Goldenen Horde unter Toktamisch (reg. 1380-1395). Erst 1395 wurde der Khan Toktamisch von dem mittelasiatischen Eroberer Tamerlan besiegt, welcher sämtliche seiner Städte einschließlich Neu-Sarai zerstörte und den Staat dadurch an den Rand des Untergangs brachte. Allerdings erhielt das wankende Staatsgebilde durch den von Tamerlan eingesetzten Emir Edigü († 1419) noch einmal eine gewisse Stabilität. Edigü wies mehrere Einmischungsversuche des litauischen Großfürsten Vytautas zurück und behauptete um 1408 die Oberherrschaft in Russland.

Nach mehreren Thronwechseln spalteten sich unter Ulug Mehmed (reg. 1419-1438/45) das Khanat Kasan (1438/1445) und das Khanat der Krim (1424/1449), später noch Khanat Astrachan (1466/85) ab, was die unablässigen Machtkämpfe an der Wolga zusätzlich verkomplizierte. Trotzdem blieb die Horde noch eine Weile gefährlich, so kam es 1445 zur Gefangennahme des Großfürsten Wassili II. von Moskau. Erst 1480 verlor sie unter Akhmat Khan (reg. 1465-81) die Oberherrschaft über Russland. Das russische und das tatarische Heer standen sich mehrere Wochen lang im Großes Gegenüberstehen an der Ugra zur Schlacht gegenüber, bevor Akhmat Khan schließlich nahezu kampflos abzog. Er wurde kurz darauf von Rivalen beseitigt, die sich als Khanat Sibir abspalteten.

Im Jahr 1502 wurde der letzte Khan, Shaykh Ahmad (reg. 1481-1502) von Meñli I. Giray (reg. 1467-1514), dem Khan der Krimtataren besiegt und wenig später in Litauen hingerichtet.

Nachfolgestaaten und -völker

Siehe auch

Literatur

  • German A. Dawydow: Die Goldene Horde und ihre Vorgänger. Koehler & Amelang, Leipzig 1972.
  • René Grousset: Die Steppenvölker. Attila, Dschingis Khan, Tamerlan („L'empire des steppes“). Magnus-Verlag, Essen 1975.
  • Henry H. Howorth: History of the Mongols from the 9th to the 19th Century. Ch'en Wen Publ., Taipeh 1970 (Nachdruck der Ausgabe London 1876-1923)
  • Klaus Lech (Hrsg.): Das mongolische Weltreich. Al-Umaris Darstellung der mongolischen Reiche. Harrassowitz, Wiesbaden 1968.
  • Tilman Nagel: Timur der Eroberer und die islamische Welt des späten Mittelalters. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37171-X.
  • Raschid ed Din: The successors of Genghis Khan. University Press, New York 1971, ISBN 0-231-03351-6 (übers. von John Andrew Boyle)
  • Fahreddin Rizaeddin: Altın Ordu ve Kazan Hanları. İstanbul 2003
  • Emanuel Sarkisyanz: Die orientalischen Völker Russlands vor 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Rußlands. Oldenbourg Verlag, München 1961.
  • Bertold Spuler: Die Goldene Horde. Die Mongolen in Rußland; 1223-1502. Harrassowitz, Wiesbaden 1965.
  • Michael Weiers (Hrsg.): Die Mongolen. Beiträge zu ihrer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-017206-9 (Urban-Taschenbücher; 603).
  • A.Y. Yakubovski: Altın Ordu ve İntihatı. İstanbul 1955

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