Kernkraftwerk Tricastin

Kernkraftwerk Tricastin

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Kernkraftwerk Tricastin
Die vier Reaktoren des Kernkraftwerks Tricastin
Die vier Reaktoren des Kernkraftwerks Tricastin
Lage
Kernkraftwerk Tricastin (Frankreich)
Kernkraftwerk Tricastin
Koordinaten 44° 19′ 47″ N, 4° 43′ 56″ O44.3297222222224.7322222222222Koordinaten: 44° 19′ 47″ N, 4° 43′ 56″ O
Land: FrankreichFrankreich Frankreich
Daten
Eigentümer: Electricité de France
Betreiber: Electricité de France
Projektbeginn: 1974
Kommerzieller Betrieb: 1. Dez. 1980

Aktive Reaktoren (Brutto):

4  (3.820 MW)
Eingespeiste Energie im Jahre 2010: 25.677,22 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 708.169,79 GWh
Stand: 3. Juni 2011
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Tricastin befindet sich in der Nähe von Pierrelatte im Département Drôme am Ufer der Rhône zwischen Valence (70 km flussaufwärts) und Avignon (65 km flussabwärts). Es ist Teil der Nuklearanlage Tricastin, die aus mehreren Anlagen besteht, darunter ein Kernkraftwerk mit vier Reaktorblöcken und eine Urananreicherungsanlage (Eurodif).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kernkraftwerk Tricastin

Das 1980/81 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Tricastin umfasst vier Druckwasserreaktoren mit je 915 Megawatt elektrischer Nettoleistung, die ca. 25 TWh elektrische Energie pro Jahr liefern. Die Urananreicherungsanlage benötigt allerdings ca. 17 TWh im Jahr; damit verbraucht sie 2/3 der Produktion des Kernkraftwerks Tricastin, was bedeutet, dass drei der vier Reaktoren fast ausschließlich für die Versorgung von Eurodif produzieren. Allerdings soll ab Anfang 2009[1] bis 2017 eine neue Anlage in Betrieb gehen, die statt 3 GW nur noch 50 MW benötigen wird. Die Reaktoren werden direkt durch das Flusswasser der Rhône über den Canal de Donzère-Mondragon gekühlt.

Einem Bericht der Behörde für nukleare Sicherheit (Autorité de sûreté nucléaire (ASN)) vom Oktober 2002 zufolge könnten bestimmte Vorsorgemaßnahmen zur Reaktorkühlung bei einem Erdbeben nicht mehr sichergestellt werden.[2]

Ursprünglich sollte in Tricastin der erste französische EPR gebaut werden. Jedoch wurde der Standort Flamanville am Ärmelkanal für den ersten EPR in Frankreich ausgewählt. Als Grund wurde angegeben, dass es problematisch sei, den Reaktor in Tricastin zu kühlen, da bereits 14 Kernkraftwerke an der Rhône stehen. Zudem sei der französische Strommarkt mehr auf den Norden Frankreichs ausgerichtet.[3]

Störungen

Am 1. September 1980 musste ein Reaktorblock heruntergefahren werden, nachdem ein Rohr mit radioaktivem Abwasser geborsten war. Nach offiziellen Angaben konnte das ausgelaufene Abwasser aufgefangen werden.[4]

1999 erhielt ein Arbeiter in einem der Reaktorblöcke von einem Strahlenschutzbeauftragten die Erlaubnis, eine kurze Arbeit unter dem Reaktorbehälter zu erledigen. Er erhielt eine als krebserzeugend geltende Dosis von rund 300 Millisievert binnen drei Minuten. Der Strahlenschützer hatte zuvor abgeschätzt, die Dosis betrage nur 70 Millisievert. Der Fall hatte ein juristisches Nachspiel.[5]

Vom 12. bis zum 22. Juli 2003 überschritt die Wassertemperatur des Kanals Donzère-Mondragon durch Kühlwassereinleitung des Kernkraftwerks Tricastin wiederholt die erlaubte Grenze von 27 °C. Insgesamt dauerte die Überschreitung über 44 Stunden, wobei die Temperatur bis zu 28,8 °C erreichte. Die Behörde für nukleare Sicherheit veröffentlichte diesen Zwischenfall am 1. August 2003 auf ihrer Internetseite. [6]

Eine am 2. Juli 2004 durchgeführte Inspektion der französischen Behörde für nukleare Sicherheit zum Thema Brandgefahr förderte mangelnde Erfahrung der Angestellten zutage. So habe man 37 Minuten gebraucht, um effektiv gegen einen eventuellen Brand vorzugehen. Während dieses Zeitraums nähme das ausgebrochene Feuer schon ein zu großes Ausmaß an.[7]

In der Urananreicherungsanlage Eurodif, die sich auf dem gleichen Gelände wie das Kernkraftwerk befindet, kam es 2008 zu einem Störfall, der am 8. Juli bekannt wurde. Dabei trat radioaktive Flüssigkeit in die Umgebung aus.[8][9] Die im Zuge des Zwischenfalles stattfindenden Wasseranalysen am Kraftwerk ergaben eine 100fache Überschreitung des genehmigten jährlichen Belastungsgrenzwertes. Laut IRSN-Direktor Jean-Christophe Gariel ist die erhöhte Strahlenbelastung vermutlich auf einen früheren Störfall zurückzuführen. Die Wissenschaftlerkommission CRIIRAD vermutet hingegen, dass die Verseuchung von einer nicht abgedeckten militärischen Uranmüllhalde stammt. [10] 10 Tage nach dem Unfall wurde eine sofortige Grundwasserüberprüfung in der Umgebung aller französischen Atomkraftwerke angeordnet. Der französische Zweig von Greenpeace fordert inzwischen die generelle Ausweitung der Grundwasseranalysen auf die Kraftwerksgelände, anstatt wie bisher nur Messungen bei den Kernkraftwerken selbst vorzunehmen.[11]

Zwei Wochen später wurden am 23. Juli rund 100 Menschen durch radioaktive Partikel „leicht kontaminiert“.[12] Die Partikel waren aus der Abzugsleitung eines abgeschalteten Reaktors ausgetreten. Der Zwischenfall wurde auf Stufe 0 auf der achtstufigen Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse eingeordnet. Da sich im Juli 2008 jedoch weitere Störfälle ereigneten und diese zu Ermittlungen am Kraftwerksgelände führten, fand dieser neuerliche Unfall ein überdurchschnittliches Medienecho.

Um herauszufinden, ob sich der Betreiber an die geltenden Sicherheitsbestimmungen gehalten hat, durchsuchten Polizeikräfte das Büro des Direktors.[13]

Am 16. Februar 2011 wurde festgestellt, dass in mehr als der Hälfte der Notstrom-Dieselgeneratoren der Blöcke 3 und 4 einige vor zwei Jahren zwecks Erneuerung eingesetzte Einzelteile bei etwas längerer Laufzeit des Diesels vorzeitig versagen können. Diese Qualitätsmängel erwiesen sich bei einem Test in einem anderen KKW als Totalausfalls-Ursache der Diesel, die aber dort nur zum kleineren Teil damit ausgestattet waren. Bei Ausfall des externen Stromnetzes und des Reservenetzes (Notstromfall) wäre damit bei Tricastin 3/4 die Stromversorgung zur Abfuhr der Nachzerfallswärme im Reaktorkern nicht gesichert gewesen, es hätte schlimmstenfalls sogar in beiden Blöcken zu einer Kernschmelze führen können. INES 2.[14][15]

Am 2. Juli 2011 kam es zu einem Brand in einem Transformator.[16]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Tricastin hat insgesamt vier Blöcke:

Reaktorblock[17] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Tricastin-1 Druckwasserreaktor 915 MW 955 MW 01.11.1974 31.05.1980 01.12.1980
Tricastin-2 Druckwasserreaktor 915 MW 955 MW 01.12.1974 07.08.1980 01.12.1980
Tricastin-3 Druckwasserreaktor 915 MW 955 MW 01.04.1975 10.02.1981 11.05.1981
Tricastin-4 Druckwasserreaktor 915 MW 955 MW 01.05.1975 12.06.1981 01.11.1981

Quellen

  1. Rapport environnemental, social, sociétal, de sûreté nucléaire et de radioprotection 2006 Tricastin. Areva, S.9. Stand 10. Juli 2008 [1] (französisch)
  2. Erreur de conception affectant la résistance au séisme de réservoirs d'eau de plusieurs réacteurs de 900 MWe. ASN, Stand 10. Juli 2007 [2] (französisch)
  3. HINTERGRUND: Tricastin - größte Kernkraftanlage der Welt
  4. Leak at reactor. The Times 2. September 1980 S. 6 [3] (englisch)
  5. Unfall-Chronik, s. bei 1999
  6. Dépassement de la température autorisée de rejet dans le canal de Donzère-Mondragon. ASN, Stand 10. Juli 2007 [4] (französisch)
  7. Contrôle des installations nucléaires de base EDF – CNPE du Tricastin (INB n° 87/88) Inspection n° INS-2004-EDFTRI-0023 Lutte contre l'incendie. ASN, Stand 10. Juli 2007 [5] (französisch)
  8. Streit nach dem Atomleck von Tricastin (nicht mehr online verfügbar), tagesschau.de, 11. Juli 2008
  9. Süddeutsche Zeitung: Uranunfall in Frankreich – Forscher warnen vor Strahlenbelastung abgerufen am 9. Juli 2008
  10. Störfälle in der Vergangenheit verheimlicht?, faz.net, 16. Juli 2008
  11. Tricastin: „Nicht irgendein Zwischenfall“, heise.de, 17. Juli 2008
  12. Spiegel online: 100 Menschen bei Inspektion verstrahlt vom 23. Juli 2008 (aufgerufen am 24. Juli 2008).
  13. Polizei durchsucht Büros in Atomanlage Tricastin (spiegel.de)
  14. IRSN-Analyse
  15. INES-Klassierung ASN
  16. Spiegel Online: Feuerwehr muss Transformatorbrand löschen
  17. Power Reactor Information System der IAEO: „France (French Republic): Nuclear Power Reactors“ (englisch)

Siehe auch

Weblinks


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