Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich

Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich

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Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Lage
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz)
Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich
Koordinaten 50° 24′ 28″ N, 7° 29′ 23″ O50.4077777777787.4897222222222Koordinaten: 50° 24′ 28″ N, 7° 29′ 23″ O
Land: Deutschland
Daten
Eigentümer: RWE
Betreiber: RWE
Projektbeginn: 1973
Kommerzieller Betrieb: 1. Aug. 1987
Stilllegung: 9. Sep. 1988

Stillgelegte Reaktoren (Brutto):

1  (1302 MW)
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 10.291 GWh
Website: Seite bei RWE
Stand: 6. Okt. 2006
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich befindet sich am Rhein, etwa 10 Kilometer nordwestlich von Koblenz nahe der Stadt Mülheim-Kärlich. Betreibergesellschaft ist die Société Luxembourgeoise de Centrales Nucléaires, eine Tochter des Energiekonzerns RWE. Das einzige Kernkraftwerk in Rheinland-Pfalz wurde 1986 fertiggestellt, musste aber wegen einer fehlerhaften Baugenehmigung schon 1988 wieder vom Netz genommen werden. Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung aus dem Jahr 1998 darf die Anlage nicht wieder in Betrieb genommen werden. Der Rückbau des Kühlturms soll 2013, der des Reaktorgebäudes 2014 erfolgen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ende der 1960er Jahre begannen die Planungen für ein Kernkraftwerk im Raum Koblenz. Neben Mülheim-Kärlich waren auch Bad Breisig und Neuwied als mögliche Standorte im Gespräch. Bad Breisig scheiterte aus Platzgründen, Neuwied wegen mangelnden Hochwasserschutzes. Weil mit einem steigenden Energiebedarf gerechnet wurde, wurde am Standort Mülheim-Kärlich ein weiterer Kernkraftwerksblock geplant, dessen Planungen dann aber verworfen wurden.[2]

Das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde von 1975 bis 1986 gebaut. Schon während der Bauzeit kam es wegen Klagen durch Kommunen und Privatpersonen zu Verzögerungen[3]. Das Bundesverfassungsgericht entschied am 6. Februar 1980, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie mit dem Grundgesetz vereinbar sei und wies eine Verfassungsbeschwerde zum Genehmigungsverfahren ab.[4] Das Werk war auch deswegen umstritten, da es im leicht erdbebengefährdeten Neuwieder Becken liegt.[5] Wegen dieser Gefährdung wurde das Reaktorgebäude ohne neues Baugenehmigungsverfahren 70 Meter vom ursprünglich geplanten Standort errichtet.

Aus diesem Grund musste das Kernkraftwerk im September 1988 jedoch nach knapp zwei Jahren im Probe- und genau 100 Tagen im Regelbetrieb aufgrund einer richterlichen Entscheidung abgeschaltet werden. Die rheinland-pfälzische Landesregierung erteilte 1990 zwar eine veränderte Baugenehmigung, die vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz 1995 jedoch aufgehoben wurde. Diese Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin 1998 in letzter Instanz. Nach Meinung des Gerichts hätten die Erkenntnisse über die Erdbebengefährdung ein vollständig neues Genehmigungsverfahren erfordert.

In den folgenden Jahren wurde das Kernkraftwerk betriebsbereit gehalten, bis es 2001 von der RWE endgültig stillgelegt wurde. Die Entfernung des atomaren Kernbrennstoffs folgte ein Jahr später. Es konnten nun die Arbeiten für den Rückbau des Werks beginnen, der bis 2013 soweit fortgeschritten sein soll, dass nur noch die Dampferzeuger und der eigentliche Reaktordruckbehälter in der Anlage verbleiben.

Die Turbine, der Generator sowie weitere Bauteile des Maschinenhauses wurden an einen ägyptischen Energieversorger verkauft.[6]

In der Zeit zwischen Bau und endgültiger Stilllegung gab es eine Reihe von meldepflichtigen Ereignissen, die mit der niedrigsten Stufe 0 der INES-Skala bewertet wurden.[7]

Streit um Übertragung der Reststrommenge

Mit der Novellierung des deutschen Atomgesetzes (AtG) 2002 wurde der 2000 verhandelte sogenannte Atomkonsens gesetzlich festgeschrieben. Das Gesetz sieht in dieser Fassung für jeden der im Jahr 2000 in Betrieb befindlichen Reaktoren eine Reststrommenge vor, nach deren Produktion die Betriebsgenehmigung erlischt.

Aufgrund der kurzen Laufzeit des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich wurde für dieses Kraftwerk eine Sonderregelung getroffen: Dem Kraftwerk wurde eine Reststrommenge von 107,25 TWh zugestanden, die nur auf die Kraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Gundremmingen B und C (alle mit einer genehmigten Restlaufzeit über 2015 hinaus) sowie bis zu einer Elektrizitätsmenge von 21,45 TWh auf Biblis B übertragen werden darf (siehe § 7 Abs. 1d bzw. Anlage 3[8]). Die beiden Energiekonzerne RWE und Vattenfall versuchten eine Übertragung auf die zum Zeitpunkt der Anträge ältesten noch aktiven Kraftwerke Biblis A und Brunsbüttel zu erreichen, für die eine Abschaltung bevorstand. Rechnerisch ging es bei dieser Regelung um einen Gesamtzeitraum von etwa 10 Jahren.

Versuchte Übertragung auf Biblis A

Im September 2006 beantragte RWE die Übertragung der Reststrommenge des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den Reaktor Biblis A, der nicht in Anlage 3 des Atomgesetzes genannt wird (siehe auch Kernkraftwerk Biblis). Der Antrag von RWE wurde im Mai 2007 vom Bundesumweltministerium abgelehnt[9]. Eine Klage der RWE gegen den Ablehnungsbescheid scheiterte Ende Februar 2008 vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH)[10]. Die Revision wurde am 26. März 2009 durch das Bundesverwaltungsgericht abgelehnt[11].

Versuchte Übertragung auf Brunsbüttel

Im März 2007 beantragte der Betreiber Vattenfall, die Reststrommenge des RWE-Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Kernkraftwerk Brunsbüttel zu übertragen, das ebenfalls nicht in der Liste der zulässigen Reaktoren in Anhang 3 AtG aufgeführt wird. Dieser Antrag wurde im August 2007 ebenfalls vom Bundesumweltministerium abgelehnt[12]. Vattenfall scheiterte mit einer Klage gegen den Ablehnungsbescheid im Januar 2008 vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig, die Revision wurde aber zugelassen[13]. Vattenfall ließ das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht prüfen, das am 26. März 2009 das Schleswiger Urteil bestätigte.

Technische Daten

  • Eigentümer: Société Luxembourgeoise de Centrales Nucléaires (RWE-Tochtergesellschaft)
  • Betreiber: RWE
  • Baufirma: Konsortium Deutsche Babcock (Reaktorsystem)/ABB
  • Typ: Druckwasserreaktor
  • Nennleistung (elektrisch): 1302 MW
  • Erste Stromproduktion: 14. März 1986
  • Lagerkapazität: 362 Brennelemente
  • Höhe des Kühlturms: 162 m
  • Höhe des Abluftkamins: 161,5 m

Kosten

  • Baukosten: 7 Mrd. DM (3,58 Mrd. Euro)
  • Kosten des Rückbaus: rund 725 Millionen EUR[14]

Bilder

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. KKW-Abriss im Plan. 2013 ist der Kühlturm weg. In: Rhein-Zeitung.de. 10. Juni 2010, abgerufen am 20. März 2011.
  2. KKW Mülheim-Kärlich - eine endlose Geschichte, die nun zu Ende geht Quelle: Projekt "Schüler lesen Zeitung" - Klasse 8b des Martinus-Gymnasiums Linz am Rhein in Zusammenarbeit mit dem Bonner General-Anzeiger
  3. Der Mülheim-Kärlich-Prozess der Klägergemeinschaft "Forum Humanum - Hartmut Gründler - Klägerverband für Volksgesundheit und biologische Sicherheit" - Dokumentation eines Justizskandals - Reihe "Beweismittelbände zu Atomfragen", Band 1, herausgegeben von Roland Bohlinger, Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur, 1982
  4. Chroniknet, abgefragt am 5. Februar 2009]
  5. http://www.geowiss.uni-hamburg.de/i-geogr/staff/grimmel/atomweb/atomkr.htm#anchor1160319 Eckhard Grimmel: „Wie sicher sind Atomkraftwerke in Deutschland bei Erdbeben?“ Vortrag, gehalten am 7. September 1996 in Wuppertal für den "Freiwirtschaftlichen Jugendverband Deutschland e.V."
  6. Ägypter schlachten deutsches AKW aus. Handelsblatt, 2. November 2009, abgerufen am 26. Februar 2011.
  7. Jahresberichte zu meldepflichtigen Ereignissen des Bundesamts für Strahlenschutz
  8. Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)
  9. BMU – Bundesumweltministerium lehnt RWE-Antrag ab. Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden / Antrag widerspricht dem Atomgesetz
  10. ngo-online.de – Gericht lehnt Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerk Biblis A ab
  11. Kostenlose Urteile - Bundesverwaltungsgericht lehnt längere AKW-Laufzeiten ab
  12. BMU – Bundesumweltministerium lehnt Vattenfall-Antrag ab. Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel übertragen werden/Antrag widerspricht dem Atomgesetz
  13. NDR Online – Gericht: Keine längere Laufzeit für AKW Brunsbüttel
  14. www.rwe.de – RWE-Seite über Anlage Mülheim-Kärlich (Stand: 2008-06)

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