Andreas Schlüter (Architekt)

Andreas Schlüter (Architekt)
Darstellung Schlüters in einem Hamburger Porträtrelief (c. 1890)

Andreas Schlüter (* 1659 in Danzig;[1] oder 1664 in Hamburg[2]; † 1714 in Sankt Petersburg) war ein preußischer Architekt und Bildhauer.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werke

Der Schlüterhof im Stadtschloss Berlin, Gemälde von Eduard Gaertner um 1830
Das restaurierte Bernsteinzimmer

Geburt und Ausbildung

Verschiedene Jahresdaten werden als Geburtsjahr berichtet. Er wurde als 1664 in Hamburg geboren dokumentiert. Nach anderen Angaben soll er bereits 1659 in Danzig geboren sein. Andreas Schlüter und Familie sind in Hamburg und in Danzig nachgewiesen. Manche Stellen geben an, dass Andreas Schlüter als Sohn eines Wilhelm und einer Regina Schlüter im Jahr 1659 in Danzig geboren, am 13. Juli getauft wurde. Er wuchs in Danzig auf. In die Lehre soll er bei dem ortsansässigen Bildhauer Christoph Sapovius gegangen sein, welcher nicht dokumentiert ist.

Polen und Johann III.

In den frühen 1680er Jahren ging Schlüter nach Polen, wo er bis 1693 vom polnischen König Johann III. Sobieski angestellt war. In diesen Lebensabschnitt fällt unter anderem eine mutmaßliche Reise nach Italien, die Heirat mit seiner aus Danzig stammenden Frau Anna Elisabeth Spangenberg und die Geburt seiner Kinder. Seit 1681 arbeitete er vermutlich als Stuckateur und Bildhauer unter Agostino Locci am Königlichen Palast in Wilanów und unter Tylman van Gameren am Hauptportal der königlichen Kapelle an der Marienkirche in Danzig. Außerdem stammen von ihm wohl die Giebelreliefs am Palais des Grafen Krasiński in Warschau. Schon in diesen frühen Werken Schlüters äußern sich Variationsreichtum und ausgeprägte Individualisierung von Gesichtstypen. Auch unabhängig von den Aufträgen des polnischen Königs war Schlüter offenbar als Bildhauer tätig, bzw. lieferte Entwürfe für Stuckdekorationen, wie beispielsweise für eine Stuckdecke, die sich bis Kriegsende im Haus Langer Markt 7/8 in Danzig befand. In den letzten Jahren seines Aufenthaltes in Polen ist das Wirken des Danziger Bildhauers in Żołkiew bei Lemberg, dem Stammsitz der königlichen Familie, nachweisbar, wo in der dortigen Kirche im Jahr 1694 mehrere Grabmäler für Angehörige des polnischen Königs aufgestellt wurden, die zwar nicht mehr alle erhalten sind, von denen aber die noch existierenden von Stanisław Daniłłowicz und Jakub Sobieski – vor allem aufgrund von stilistischer Gemeinsamkeiten zu Stuckfiguren im Schloss von Wilanów – sicher Schlüter zugeschrieben werden können.

Berlin und Friedrich III.

Der Große Kurfürst vor Schloss Charlottenburg in Berlin
Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg vor Schloss Charlottenburg in Berlin
Schlussstein im Hof des Zeughauses in Berlin

1694 wurde Schlüter vom Kurfürsten Friedrich III. (und späteren König Friedrich I.) als Hofbildhauer nach Berlin gerufen. Bevor er als kurfürstlicher Bildhauer tätig wurde, unternahm er in den Jahren 1695 und 1696 Reisen nach Frankreich, in die Niederlande und nach Italien; dort sollte er Gipsabgüsse antiker Skulpturen für die Akademie in Berlin beschaffen, an der er auch einen Lehrauftrag hatte. Spätestens auf diesen Reisen kam Schlüter mit Werken von Michelangelo Buonarroti und Gian Lorenzo Bernini in Kontakt, die ihn nachhaltig prägen sollten. Erste Berliner Arbeiten Schlüters sind vermutlich antikische Fluss- und Meeresgottheiten, die sich einst an der Langen Brücke befanden. Das erste wirklich große Projekt für Schlüter stellte dann das im Jahr 1695 nach Plänen Arnold Nerings begonnene Zeughaus dar, dessen Fensterbögen er mit skulptierten Schlusssteinen schmückte (an der Außenfassade Prunkhelme, im Innenhof Schilde mit den Köpfen sterbender Krieger, die auf den Triumph Europas über das Osmanenheer vor Wien hindeuten sollten). Nebenher fertigte Schlüter auch die Modelle für ein Standbild Friedrichs III., das ursprünglich im Hof des Zeughauses aufgestellt werden sollte, und für ein Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, das für eine Aufstellung auf der Langen Brücke gedacht war. Nach Nering und Martin Grünberg erhielt Schlüter 1699 die Stelle als Bauleiter am Zeughaus und wurde noch im gleichen Jahr zum Schlossbaudirektor ernannt. In dieser Position gestaltetet er die Außenfassade des Berliner Schlosses zur Stadt hin um und schuf den heute nach ihm Schlüterhof benannten Innenhof mit Elementen des italienischen Barock und des aufkeimenden Klassizismus.

Schlüter fertigte außerdem Entwürfe für das Gießhaus und den Kleinen Marstall, sowie für die Parochialkirche und einen Turm (die letzteren beiden wurden allerdings verworfen). Von 1702 bis 1704 wurde in der Berliner Burgstraße nach Plänen Schlüters die Alte Post erbaut, die zugleich als Wohnpalais für den Grafen Johann Casimir von Kolbe-Wartenberg diente, und die Schlüter mit Reliefmedaillons mit Allegorien von Tugenden des Postwesens wie Pünktlichkeit oder Umsicht schmückte. Nebenher vollendete er das Modell des Reiterstandbildes, das 1700 von dem Erzgießer Johann Jacobi gegossen und als das erste monumentale Reiterstandbild Deutschlands 1703 unter freiem Himmel aufgestellt wurde.[3] Das bekannte Bernsteinzimmer entwarf er ursprünglich für das Schloss Lietzenburg. Es wurde ab 1701 angefertigt und dann entgegen der ursprünglichen Planung für einen Raum im Berliner Stadtschloss verwendet. 1716 wurde es schließlich dem russischen Zaren Peter dem Großen geschenkt. Schlüter fertigte außerdem eine Portraitbüste des Landgrafen Friedrich II. von Homburg-Hessen und die ebenfalls von Jacobi – zwischen 1701 und 1704 – gegossen wurde. Im Jahr 1700 entstand das Grabmal für den Hofgoldschmied Daniel Männlich und seine Frau mit dem Motiv des Todes, der einen Knaben ergreift. Kurz zuvor hatte Schlüter den Tod seines jüngsten Sohnes Gotthardt zu beklagen. Des Weiteren schuf Schlüter 1703 die Kanzel in der Berliner Marienkirche. Hier ist sehr deutlich der Einfluss Berninis spürbar durch die Ähnlichkeiten mit dessen Cathedra Petri. Im Jahr 1705 starb die Königin Sophie Charlotte, weswegen Schlüter beauftragt wurde, einen Prunksarkophag zu entwerfen, den dann wiederum Jacobi goss. Zusätzlich zu all seinen Tätigkeiten hatte Schlüter von 1702 bis 1704 auch noch das Amt des Direktors der Berliner Akademie der Künste inne.

Münzturmunglück und Niedergang der Berliner Karriere

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt, bekam Schlüter den folgenschweren Auftrag, das alte Gebäude, welches die kurfürstliche Münze beherbergte, durch einen der neuen Königswürde des Landes angemessenen Bau zu ersetzen. Mehrere kühne Entwürfe für einen Turm, der ursprünglich bis in 96 Meter Höhe ragen, einen Speicher für die Wasserkünste des Schlossgartens und zuoberst ein Glockenspiel enthalten sollte, fertigte Schlüter an. Bereits 1702 wurde mit dem Bau begonnen, doch es stellten sich rasch statische Probleme ein, die vor allen Dingen durch den sumpfigen, offenbar nicht genügend gesicherten Grund verursacht wurden, der die Fundamente des Turmes ins Rutschen brachte und in den Mauern tiefe Risse hervorrief. Trotz massiver Verstärkungen des Fundamentes und der Mauern geriet der nach vier Jahren bis in 60 Meter Höhe hochgezogene Turm ins Wanken, sodass sogar ein Gerüst einstürzte, das Bauleute unter sich begrub. Seine eisernen Anker und Stützen sind die erste nachweisliche Eisenkonstruktion. Zu diesem Unglück gesellte sich ein weiteres: Schlüter hatte für den König ein Lustschloss in dem Kurort Freienwalde errichtet. Es befand sich direkt an einem Sandhügel, der prompt während des dortigen Aufenthalts des Königs durch ein Unwetter ins Rutschen kam, weswegen dieser den Ort nie wieder aufsuchte und Schlüter noch mehr in Ungnade fiel. Darüber hinaus besaß Schlüter wohl viele Neider – besonders Johann Friedrich von Eosander – welche die Gelegenheit nutzten, auf bereits früher aufgetretene Baumängel am Zeughaus und am Berliner Schloss hinzuweisen und Schlüters Ruf damit weiter zu schaden. Nach mehreren Jahren, die Schlüter bis auf einige wenige bildhauerische Aufträge, wie den Ziersarg eines früh verstorbenen Prinzen, mehr oder weniger untätig, zurückgezogen und angeblich mit dem Konstruktionsversuch eines Perpetuum mobile verbracht hatte, bekam er ein letztes Bauprojekt in Berlin zugeteilt: das Landhaus für den Geheimrat Ernst Bogislaw von Kamecke, welches Schlüter von 1711 bis 1712 in der Dorotheenstraße errichtete.[4]

Russland, Peter der Große und Tod

Nach dem Tod Friedrichs I. im Jahr 1713 wurde Schlüter endgültig aus dem Hofdienst entlassen. Noch im Sommer desselben Jahres reiste er nach Russland, wo er wohl in die Dienste Zar Peters des Großen trat, der gerade damit begonnen hatte, Petersburg ausbauen zu lassen. Überliefert ist jedoch nichts über diesen letzten kurzen Lebensabschnitt Schlüters, außer schließlich seinem Tod im Jahr 1714.

Film

  • 1942 wurde Schlüters Leben mit Heinrich George in der Hauptrolle verfilmt (Herbert Maisch). Aspekte seiner Biographie wurden dabei jedoch sehr frei gehandhabt.

Büste für Schlüter in der Siegesallee

Für die ehemalige Berliner Siegesallee gestaltete der Bildhauer Gustav Eberlein eine marmorne Büste Schlüters als Seitenfigur der Denkmalgruppe 26 zu dem zentralen Standbild für den ersten preußischen König Friedrich I., enthüllt am 3. Mai 1900. Die Büste zeigt Schlüter in einem schlichten Bildhauerkittel, wie er die Maske eines sterbenden, von Schmerzen gezeichneten Kriegers prüft. Die Büste ist mit leichten Beschädigungen erhalten und wird seit Mai 2009 in der Zitadelle Spandau aufbewahrt.[5]

Literatur

  • Robert BruckSchlüter, Andreas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 184–194.
  • Nicolai, Bernd: Andreas Schlüter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 111–113.
  • Helmut Börsch-Supan, in: Heinz Ladendorf: Andreas Schlüter. Baumeister und Bildhauer des Preussischen Barock. Leipzig 1997, S. 142–158.
  • Isolde Dautel: Andreas Schlüter und das Zeughaus in Berlin. Petersberg 2001.
  • Edith Fründt (Hrsg.): Andreas Schlüter und die Plastik seiner Zeit. Eine Gedächtnisausstellung anlässlich der 250. Wiederkehr seines Todesjahres. Kat. Ausst. Berlin 1964.
  • Edith Fründt: Der Bildhauer Andreas Schlüter. Leipzig 1969.
  • Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloss. Der Umbau durch Andreas Schlüter. Berlin 2003.
  • Erich Hubala: Das Berliner Schloss und Andreas Schlüter. In: Margarethe Kühn, Louis Grodecki (Hrsg.): Gedenkschrift Ernst Gall. München / Berlin 1965, S. 311–344.
  • Karl Friedrich von Klöden: Andreas Schlüter. Ein Beitrag zur Kunst- und Bau-Geschichte von Berlin. In: Biographien berühmter Baumeister und Bildhauer 1, Berlin und Potsdam 1855.
  • Heinz Ladendorf: Andreas Schlüter. Baumeister und Bildhauer des Preussischen Barock. Leipzig 1997.
  • Eva Mühlbächer, Edith Fründt: Andreas Schlüter und die Plastik seiner Zeit. Berlin 1964.
  • Paul Ortwin Rave: Andreas Schlüter. In: Hermann Heimpel, Theodor Heuss, Benno Reifenberg (Hrsg.): Die Großen Deutschen. Deutsche Biographie (4 Bde) 1, Berlin-West 1956, S. 600–666.
  • Horst Büttner: Andreas Schlüter zum 250. Todesjahr. In: Deutsche Architektur, Heft 3, Jahrgang 1964, S. 302f–308.

Weblinks

 Commons: Andreas Schlüter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. In der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts wurde noch Hamburg als sein Geburtsort genannt, wo er angeblich 1662 geboren sein sollte, vgl. z. B. Klöden, S. 2-6; etwa seit den 1930er Jahren scheint man sich einig zu sein, dass er 1659 in Danzig auf die Welt kam, vgl. hierzu Hinterkeuser, S. 9.
  2. 1664 in Hamburg geboren, Seite 5
  3. Berliner Stadtschloss.de Reiterstandbild des Großen Kurfürsten (PDF)
  4. Villa Kamecke
  5. Uta Lehnert: Der Kaiser und die Siegesallee. Réclame Royale, Dietrich Reimer, Berlin 1998, ISBN 3-496-01189-0, S. 196

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