Andreas Khol

Andreas Khol
Andreas Khol im Pressezentrum des Parlaments, September 2006

Andreas Khol (* 14. Juli 1941 in Bergen auf Rügen, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland) war außerordentlicher Universitätsprofessor im Bereich Verfassungsrecht und ist Politiker der Österreichischen Volkspartei. Von 2002 bis 2006 war er Präsident des österreichischen Nationalrates.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Khol wurde als Sohn Südtiroler Eltern auf der Ostseeinsel Rügen in Deutschland geboren, wuchs aber in Gossensaß und in Sterzing in Südtirol auf. Dort besuchte er auch die Volksschule, bis die Familie nach Innsbruck in Tirol übersiedeln musste. Seine Familie ist seit dem 9. Jahrhundert am Ritten bei Bozen urkundlich nachgewiesen, wo es noch heute den Kholhof gibt. Bis 1848 waren die Kholen ob dem Ritten erbliche Richter des Ritten und vertraten ihn im Landtag, damit war das Recht ein Wappen zu führen und ein Bauernadel verbunden.

Nach der Matura am Akademischen Gymnasium Innsbruck im Jahr 1959 studierte Andreas Khol Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und Paris; er promovierte im Jahr 1963 (Dr. iur.). Er ist Mitglied der Studentenverbindung A.V. Raeto Bavaria Innsbruck im ÖCV. Im Jahr 1969 erfolgte seine Habilitation bei Felix Ermacora an der Universität Wien (Verfassungsrecht, Internationale Organisationen).

Während des Studiums arbeitete Khol in Tirol als Reiseleiter. Dabei lernte er seine aus Kärnten stammende Frau, die ebenfalls als Reiseleiterin arbeitete, kennen. Aus der 1965 geschlossenen Ehe gingen sechs Kinder hervor.

1966 wurde Khol Sekretär beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof, gleichzeitig Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik. 1969-1973 war er Internationaler Beamter im Sekretariat des Europarates. Dort arbeitete er im internationalen Menschenrechtschutz.1971 wurde er von den Beamten des Europarates zu ihrem Vertreter gewählt, der eine Arbeitsverfassung für die Beamten des Europarates ausverhandelte. In der Folge wurde er zum 1. Präsidenten der neuen Personalvertretung gewählt. 1974 folgte er einem Ruf an die Spitze der Politischen Akademie der ÖVP, die er bis 1993 als Direktor leitete. Er war Gründungs-Exekutivsekretär der Europäischen Demokratischen Union 1978, die von Josef Taus als Parteiobmann mit Helmuth Kohl, Margaret Thatcher und Jacques Chirac als Internationale der Christdemokraten und Konservativen Parteien als Gegengewicht zur Sozialistischen Internationale gegründet wurde. Dieses Amt übte er bis 1994 aus und machte daraus ein wichtiges Hilfswerkzeug für die Integration Österreichs in die EU und des Einbaus der neuen gleichgesinnten Parteien in den neuen Demokratien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Zwischen 19. Mai 1983 und 30. Oktober 2006 war Khol Abgeordneter zum Nationalrat. Von 1994 bis 1999, sowie von 2000 bis 2002, war er Klubobmann der Parlamentsfraktion der ÖVP. In der Debatte um die Nachfolge für Erhard Busek als ÖVP-Parteiobmann nach der Nationalratswahl 1995 galt Khol als der Kandidat des konservativen Parteiflügels. Neuer Parteichef wurde jedoch Wolfgang Schüssel. Mit ihm verband ihn bald eine enge politische Weggemeinschaft. Mit Schüssel, Elisabeth Gehrer und Wilhelm Molterer bereitete er die Koalition mit Jörg Haider vor und gehörte zum ÖVP - Küchenkabinett. Vom 20. Dezember 2002 bis zum 30. Oktober 2006 war Andreas Khol (Erster) Präsident des Nationalrates. In dieser Zeit erwarb er das Palais Epstein für das Parlament und setzte es mit der BIG in Stand, gleichzeitig baute er das Parlamentsgebäude umfassend um, vor allem erhielt das Parlament ein zeitgemässes Besucher- und Pressezentrum. Die Besucheranzahl verdreifachte sich auf 160.000. Er reformierte auch die Geschäftsordnung und führte die Europatage ein. Außerdem war er Vorsitzender der Südtirolkommission im Nationalrat. Daneben übte er noch Funktionen als Vorstands- und Präsidiumsmitglied der ÖVP und als Bundesobmann des ÖVP-Seniorenbundes aus. Diese Funktionen übt Khol auch nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik weiter aus.

Weltanschauung

Khol definiert sich selbst als „christlich-sozialer Konservativer“, und empfindet die Bezeichnung „Erzkonservativer“ als Auszeichnung. Politisch gilt Khol als führender Vertreter des christlich-konservativen Flügels der ÖVP. Ausdruck findet dies beispielsweise in seinem Eintreten für die Bürgergesellschaft, in einer konservativen Sichtweise mit Fokus auf ehrenamtlicher Mitarbeit. Khol regte 2002 einen Österreich-Konvent zur Verfassungsreform an. Dessen Ergebnisse nahm er als Präsident des Nationalrats auf und fasste die Verfassungsreformvorschläge aller Parteien in einem Besonderen Ausschuss des Nationalrats bis 2006, unter seinem Vorsitz zusammen. Die Regierung Gusenbauer-Molterer berief ihn in ihrer Regierungerklärung zusammen mit Volksanwalt Peter Kostelka an die Spitze einer sechsköpfigen Expertengruppe zur Staatsreform. Bis Ende 2007 führte diese zur Wahlrechtsreform, zur Verfassungsbereinigung, zum Bundesasylgericht usw. In der Diskussion um die Reform der Österreichischen Bundesverfassung in den Jahren 2003 bis 2005 trat er, wie auch Kardinal Christoph Schönborn, für eine Bezugnahme auf Gott bzw. „christliche Grundwerte“ in einer erst zu schaffenden Präambel ein. Er unterstützte auch Kardinal Schönborns Vorschläge zu einer solcherart orientierten Präambel in den Debatten zum Vertrag über eine Verfassung für Europa.

Rhetorik

In mehreren Fällen wurden Aussagen Andreas Khols zu geflügelten Worten und oft zitierten Sätzen in der politischen Landschaft Österreichs. In den Diskussionen, die mit der unter Führung Jörg Haiders in den 1990er Jahren erstarkenden FPÖ und Überlegungen zur Zusammenarbeit mit dieser Partei einhergingen, bezeichnete er diese in einer Parlamentsrede als „außerhalb des Verfassungsbogens“ stehend. Dazu führten ihn folgende Charakteristika der FPÖ: Das Streben nach einer 3. Republik, die Deutschtümelei und das Naheverhältnis zum Nationalsozialismus, die Ablehnung der Europäischen Union, sowie die quasirevolutionäre, radikale Phrase. Nachdem Haider sich von der Deutschtümelei und der Forderung nach der 3. Republik verabschiedet hatte und in den Regierungsverhandlungen die EU ausdrücklich akzeptierte revidierte er diese Einschätzung wenig später, als die ÖVP nach der Nationalratswahl 1999 Verhandlungen über eine Koalitionsregierung mit der FPÖ führte. Im vorhergehenden Wahlkampf hatte ÖVP-Parteichef Wolfgang Schüssel versprochen: „Wenn wir Dritte werden, gehen wir in Opposition!“. Als die nach der Wahl drittplatzierte ÖVP schließlich doch eine Koalitionsregierung mit der FPÖ einging, kommentierte Khol dies mit den Worten: „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“ - ursprünglich ein Zitat des römischen Schriftstellers Aulus Gellius ("Alius quidam veterum poetarum, cuius nomen mihi nunc memoriae non est, Veritatem Temporis filiam esse dixit.", Noctes Atticae 12,11,7)[1], das im lateinischen Text jedoch in der Bedeutung von "Am Ende kommt die Wahrheit ans Licht" gebraucht und nicht im Sinn einer Relativierung aller Wahrheiten im Lauf der Geschichte verstanden wird. Die Änderungen und Reformen, die die ÖVP-FPÖ-Koalition nach 1999 initiierte und durchführte, stellte er unter das Motto „Speed kills“. Dieser Slogan wurde auch oft (mit negativer Konnotation) von der Opposition zitiert.

Ab 2006

Nach der Nationalratswahl 2006, in der die ÖVP ihre relative Mandatsmehrheit verlor, kündigte er am 11. Oktober 2006 an, von seinem Mandat keinen Gebrauch zu machen. Als Obmann des Seniorenbunds der ÖVP, Mitglied des Parteivorstands und Kommentator in der Tageszeitung Presse steht er aber auch weiterhin in der Öffentlichkeit. Daneben gibt er weiterhin wie seit 1976 das Standardwerk "Österreichisches Jahrbuch für Politik" heraus. Gemeinsam mit ÖVP-Politikern wie Erhard Busek und Herbert Kohlmaier gründete er ein katholisches Laienbündnis, das die Abschaffung des Zölibats im römisch-katholischen Priestertum und die Weihe von Frauen zu Diakoninnen fordert.[2]

Familie

Sein jüngster Sohn Julian (* 1979) studiert Malerei und ist Model. Er lebt in Düsseldorf und ist mit der RTL-Moderatorin Nazan Eckes liiert.

Werke

  • Marxismus mit Zuckerguss (1978; Analyse des Parteiprogramms der SPÖ aus konservativer Sicht)
  • Die Kampagne, 1987 (Hg.)
  • Fragen und Antworten zur EG-Integration, 1989
  • Fragen und Antworten zu Europa, 1991
  • Den besten Weg für Österreich gehen, 1991 (Hg.)
  • Neue Außenpolitik in einer neuen Welt, 1993 (Hg.)
  • Mein politisches Credo, 1998
  • Durchbruch zur Bürgergesellschaft, 1999
  • Die Wende ist geglückt. Der schwarz-blaue Marsch durch die Wüste Gobi, 2001
  • Die Freiheit hat kein Alter. Senioren. Zukunft. Leben, 2006

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Gellius: Noctes Atticae, Liber XII (Latein)
  2. der Standard: Weg mit dem Zölibat, her mit den Frauen
  3. a b c d e f g Biographie auf den Seiten des Österreich-Konvents

Weblinks


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