Kathedrale von Le Mans

Kathedrale von Le Mans
Die Kathedrale. Gut zu erkennen ist der Chor, der ganz in der Tradition von Bourges liegt.

Die Kathedrale Saint-Julien du Mans in ist ein dem heiligen Julian geweihter Sakralbau und Bischofssitz in Le Mans, Frankreich. Das Kulturdenkmal wurde im Jahr 1862 als Monument historique klassifiziert und steht als solches unter Denkmalschutz.

Die Kirche gehört zu den wenigen, in der Tradition der Kathedrale von Bourges errichteten Bauwerken. Bourges hatte 1195 eine eigene Bauschule in Konkurrenz zu Chartres entwickelt, der aber nur wenige Kathedralen gefolgt waren. Eine davon ist der große Chor von Le Mans.

Inhaltsverzeichnis

Gotischer Chor

Inneres des Chores

Dieser fünfschiffige, mit doppeltem Umgang versehene Chor besitzt ein ungewöhnliches Strebewerk, das auf den ersten Blick aussieht wie ein hochkompliziertes Skelettsystem. Hier wird im Bereich des Chorhauptes der einzelne Strebepfeiler aufgesplittet, d. h. zwei zusammengehörige Strebepfeiler vereinen sich mit ihren Bögen auf dem Weg zum Obergaden des Schiffes, so dass im Endeffekt nur ein Bogen an der Mauer ansetzt. Diese aufwändige und komplizierte Konstruktion ermöglicht im Chorinneren Lichtverhältnisse, die zu den faszinierendsten der gesamten Gotik zählen. Durch die Technik dieses Aufsplittens konnten die Pfeiler viel weiter nach außen weg geschoben werden, als wenn sie jeweils nur alleine stünden. Und dadurch war es möglich, zwischen ihnen Kapellen einzuziehen, die zusätzlich Licht hereinlassen und auch zwischen diesen Kapellen konnten in den verbleibenden Wandstücken Fenster eingesetzt werden. Dadurch ist eine beeindruckende Staffelung von Lichtschichten entstanden.

Der Chorbau von St-Julien wurde 1217 begonnen. Da man mit dem Bau nach Osten über die Stadtmauer hinwegging, musste eine Genehmigung des Königs eingeholt werden. Es folgten mehrere Bauphasen. Zunächst wurde der Kapellenkranz errichtet. Das innere Chorseitenschiff zeigt Formen der normannischen Gotik, so durchbrochene Laubwerkrosetten, wie sie im Kreuzgang des Mont Saint-Michel auftreten. Der Obergaden dagegen ist durch einen Pariser Architekten aus dem Umkreis des Königshofes Ludwigs IX. um 1240 entstanden. Die Höhenstaffelung des fünfschiffigen Baus geht von 11 Metern in den äußeren Seitenschiffen über 22 Meter in den inneren Seitenschiffen, die über ein Triforium und eine eigene Fensterreihe verfügen, auf 35 Meter im Mittelschiff. Das Wandsystem im Hoch-Chor ist im Gegensatz zu Bourges zweiteilig, da die Arkaden bis zu den Fenstern hochgezogen sind, also eine außerordentliche Höhe erreichen. Der Chorumgang dagegen ist dreigeschossig mit eigener Fensterzone und eigenem Triforium, wie es dem Bourgeser System entspricht. Die Glasfenster des Chor-Umgangs sind aus der Zeit um 1230/40 und zeigen noch Einflüsse von Chartres, während die jüngeren Fenster des Obergadens bereits das Vorbild der Sainte-Chapelle in Paris aufnehmen. Die einzelnen Zonen des optischen Grundes sind auf verschiedene Raumschichten verteilt, so dass der erste Umgang im Vergleich zum zweiten das basilikale Motiv des Kernraumes wiederholt. Die Lichtintensität nimmt daher nach oben hin zu.

Der Grundriss der Kathedrale, auf dem der Übergang vom romanischen auf den gotischen Teil gut zu erkennen ist.

Romanisches Langhaus

Das romanische Langhaus (1135–1158), an das der Chor angebaut wurde, zeigt in den Gewölben bereits frühgotische Formen. Ein erster Bau der Zeit um 1100-1120 war flachgedeckt. Von diesem Bau stammen noch die Seitenschiffsmauern mit ihren kleinformatigen braunen Steinquadern aus Granit und die im Mittelschiffsmauerwerk steckenden Rundbogen. Nach mehreren Bränden entstand ab 1137 ein neues Mittelschiff aus großen Kalksteinquadern. Mächtige Pfeiler im Stützenwechsel mit Rundpfeilern tragen den neuen Obergaden mit der frühgotischen Rippenwölbung – entstanden ungefähr im selben Jahr, als in St-Denis der Grundstein der ersten gotischen Kirche gelegt wurde. Der dreizonige Wandaufriss hat ein aufgeblendetes, alternierend durch Öffnungen zu den Seitenschiffsdächern belebtes Triforium mit kleinen Blendarkaden. Hier im romanischen Teil des Langhauses herrscht noch die Betonung des Volumens von Mauern und Pfeilern. Die Gewölberippen steigen zum Scheitel weit höher auf als die Gewölbeschildbögen und bilden so ein Domikalgewölbe, wie es für die Region typisch ist.

Die Kapitelle im Langhaus weisen als große Seltenheit noch Farbreste auf, die zumindest andeutungsweise den ursprünglichen Zustand deutlich machen, als solche Bauteile durchgehend bemalt waren. Überhaupt ist die plastische Ausstattung dieses englisch beeinflussten Baues hervorragend. Das Zickzackband der Normannen, die auch in Nordfrankreich vertreten waren, bestimmt die Gestaltung von Gesimsen und Bogenverzierungen.

Querhaus

In Richtung Chor kommt dann innerhalb der Kirche ein radikaler Bruch. Die gesetzte Romanik stößt übergangslos an hoch gesteigerte Gotik. Das romanische Langhaus kommt im unteren Teil des Querhauses an und muss von einem Maßwerkfenster überhöht werden, um die Gewölbehöhe zum Querhaus, die zehn Meter höher liegt, auszugleichen. Nach Vollendung des Chores 1245 war er zunächst an die bestehende romanische Vierung angeschlossen worden, die damals niedriger war. Zur Zeit des Chorneubaus stand dort eine massive Mauer, die den wesentlich höheren Neubau nach Westen abschloss. Diese Mauer hat man später abgerissen, als auch das Querhaus fertig war und man anstelle der Mauer ein neues, schmales Gewölbe eingezog. Dabei ist eine Skurrilität entstanden, ein Trapezgewölbe in der Mitte.

Das Querhaus entstand am Ende des 14. Jahrhunderts als letzter Bauteil. Von dem romanischen Querhaus blieb nur der rechte Querhausturm erhalten. Der spätgotische Querhausbau besteht aus riesigen Glasflächen. Auch das Triforium ist verglast. Das Nordquerhaus zeigt Glasfenster kniender Stifter des französischen Königshauses.

Übrige Teile

Die Sakristei ist ein filigraner gotischer Bau der Zeit um 1300. Sie ist mit Wandvertäfelungen des späten 16. Jahrhunderts mit Reliefs des Lebens Christi verziert. Die Chorscheitelkapelle ist durch Wand- und Deckenmalereien des Schönen Stils um 1400 verziert. Eine barocke Grablegungsgruppe aus Terracotta ist in einer rechten Chorkapelle zu sehen. Das Langhaus verwahrt romanische Glasfenster des 12. Jahrhunderts. Das Langhaus-Südportal ist ein frühgotisches Portal in der Nachfolge des Westportals der Kathedrale von Chartres.

Orgel

Die Orgel geht zurück auf ein Instrument, das zwischen 1529 und 1535 von dem Orgelbauer Pierre Bert in einem Renaissance-Gehäuse erbaut wurde. Die Orgel hatte ursprünglich 42 Register auf drei Manualen und Pedal. Sie wurde im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert erweitert. Das denkmalgeschützte Instrument hat heute 52 Register auf vier Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[1]

I Positif de Dos C–g3
Montre 8'
Bourdon 8'
Flûte 4'
Nazard 22/3'
Doublette 2'
Tierce 13/5'
Larigot 11/3'
Septième 11/7'
Fourniture IV
Cymbale III
Trompette 8'
Cromorne 8'
Clairon 4'
II Grand Orgue C–g3
Montre 16'
Bourdon 16'
Montre 8'
Flûte 8'
Bourdon 8'
Flûte 4'
Prestant 4'
Grosse Tierce 31/5'
Nazard 22/3'
Doublette 2'
Tierce 13/5'
Cornet V
Grande Fourniture II
Petite Fourniture IV
Cymbale IV
Bombarde 16'
Trompette 8'
Clairon 4'
III Récit expressif C–g3
Quintaton 16'
Diapason 8'
Flûte harmonique 8'
Gambe 8'
Voix céleste 8'
Flûte 4'
Prestant 4'
Doublette 2'
Fourniture IV
Cymbale III
Bombarde acoustique 16'
Trompette 8'
Clairon 4'
IV Echo C–g3
Quintaton 8'
Salicet 4'
Quarte 2'
Piccolo 1'
Cymbale IV
Cornet V
Voix humaine 8'
Basson-Hautbois 8'
en chamade
Trompette 8'
Clairon 4'
Pédale C–g1
Soubasse 32'
Soubasse 16'
Flûte 16'
Flûte 8'
Basse 8'
Flûte 4'
Fourniture IV
Bombarde 16'
Trompette 8'
Clairon 4'

Siehe auch

Literatur

  • Günther Binding: Was ist Gotik? Eine Analyse der gotischen Kirchen in Frankreich, England und Deutschland 1140 – 1350. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000.
  • Werner Schäfke: Frankreichs gotische Kathedralen. DuMont, Köln 1994.

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zur Orgel

Weblinks

 Commons: Kathedrale von Le Mans – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
48.0092150.198789

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Julianus von Le Mans — Der heilige Julian(us) (oder auch Sankt Julian; frz. Saint Julien du Mans; † 348) war der erste Bischof von Le Mans und ist seit 1158 Namenspatron des französischen Bistums und der Kathedrale. Er darf nicht mit dem heiligen Julian (ägyptischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale von Bourges — Die Kathedrale von Bourges Di …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale von Bordeaux — Nordquerhausfassade Blick auf den Chor …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale von Tours — Die spätgotische Fassade am Westwerk mit den beiden Türmen …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale von Coutances — Stich der Kathedrale von Coutances, 1822 Kathedrale von Norden …   Deutsch Wikipedia

  • Unfall beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955 — Der Unfall beim 24 Stunden Rennen von Le Mans 1955 am 11. Juni 1955 gilt als bislang schwerste Katastrophe im Motorsport.[1] Infolge einer Kollision der Wagen des Franzosen Pierre Levegh und des Briten Lance Macklin starben insgesamt 84 Menschen …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale Saint-Julien — Die Kathedrale. Gut zu erkennen ist der Chor, der ganz in der Tradition von Bourges liegt. Die Kathedrale Saint Julien du Mans in Le Mans ist dem heiligen Julian geweiht und gehört zu den wenigen Bauwerken, die in der Tradition der Kathedrale von …   Deutsch Wikipedia

  • Kathedrale Saint-Gatien — Die Kathedrale Saint Gatien in Tours Die spätgotische Fassade am Westwerk mit den beiden Türmen …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Grabstätten europäischer Monarchen — Diese Liste enthält eine Übersicht über die Grabstätten europäischer Kaiser, Könige und Regenten und deren Gemahlinnen sowie bedeutender Thronfolger seit dem Mittelalter. Die einzelnen Tabellen beginnen entweder mit der Ausrufung zum Königreich… …   Deutsch Wikipedia

  • Berengaria von Navarra — Statue der Berengaria im Kloster L’Épau Berengaria (Spanisch: Berenguela, Französisch: Bérengère) (* etwa zwischen 1165 und 1170; † 23. Dezember 1230) war als Gattin von König Richard Löwenherz von 1191 bis 1199 Königin von England. Inhaltsverzei …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”