Andreas Gruschka

Andreas Gruschka

Andreas Gruschka (* 1950) ist ein deutscher Pädagoge und Hochschullehrer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Andreas Gruschka studierte nach dem Abitur Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Soziologie in Münster. Er selber war während seiner Schulzeit zweimal sitzengeblieben.[1] 1992/23 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Ab 1994 war Gruschka Professor an der Universität-Gesamthochschule Essen, seit 2000 lehrt er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Erziehungswissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Schulpädagogik und der Allgemeinen Pädagogik.

Leistungen

Ab 1972 arbeitete Gruschka mit Herwig Blankertz an der Evaluation der Kollegschule (s. Berufskolleg) in Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit Schulkollegien und einzelnen Lehrern. Das Projekt Kollegschule stellte eine Reform des berufsbildenden Schulwesens in NRW dar, das über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung hat. Von 1990 bis 1994 leitete Gruschka deren wissenschaftliche Begleitung.

Gruschka hat zusammen mit Kollegen das Institut für Pädagogik und Gesellschaft e.V. gegründet, das unter seiner Mitwirkung seit 1987 die Fachzeitschrift Pädagogische Korrespondenz herausgibt, die zweimal im Jahr erscheint. Bekannt geworden ist Gruschka vor allem durch zwei Hauptwerke:

1. "Negative Pädagogik" - Gruschka geht in der Folge der "Negativen Dialektik" von Theodor W. Adorno davon aus, dass die Normsetzung, welche pädagogisches Handeln legitimieren und anleiten soll, notwendig durch die Funktionen, die Pädagogik hierfür entwickeln muss, unterwandert werde. Der normative Anspruch an Mündigkeit und Emanzipation wird systematisch negiert durch eine Praxis, die gerade die Einlösung der Norm verweigert und somit dem Misslingen geweiht ist. Pädagogik könne somit theoretisch nicht mehr zur Anleitung einer Praxis beitragen, ohne sich gegenüber dem Zögling des Verstoßes gegen dessen Anspruch an Mündigkeit und Emanzipation schuldig zu machen. Seit der "Negativen Pädagogik" wird somit emanzipatorisch und systematisch der unauflösbare Widerspruch von Norm und Funktion in der Pädagogik thematisiert.

2. "Bürgerliche Kälte und Pädagogik" - Hier bearbeitet er die Frage, wie sowohl Erzieher als auch Edukand vor sich und dem anderen die Praxis des Misslingens rechtfertigen und in ihr leben können. Er geht diese Frage mit einer Übersetzung der Kategorie der "bürgerlichen Kälte" aus der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule in die Pädagogik an: Indem im bürgerlichen Zeitalter - so die Perspektive der frühen Kritischen Theorie von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno - das Interesse an Emanzipation aus allen Herrschaftsbedingungen normativ zugrunde gelegt ist, aber zugleich es im gesellschaftshistorischen Vollzug nur über die systematische Reproduktion von Herrschaft auch im Sinne öffentlich legitimierter Ungleichheit realisiert werden kann, zwingt diese Antinomie die Menschen zur Unterwerfung unter einen nicht auflösbaren Widerspruch. Dieser durchwandert alle Gesellschaftsfunktionen und schweißt sie zusammen zum Ganzen der Gesellschaft.

Seine Forschungsschwerpunkte sind Kritische Theorie der Pädagogik, Pädagogische Rekonstruktion des Unterrichtens, Schultheorie und Theorie zum Wandel der Schule, das DFG-Projekt zur Schulprogrammarbeit, Ontogenese bürgerlicher Kälte als Entwicklung des moralischen Urteils, Pädagogische Einsichten in Bildern und durch Bilder sowie die Arbeit im Archiv für pädagogische Kasuistik.

Reflexionsmethoden nach Gruschka Mit dieser Methode kann man das Verhalten von Kindern oder bestimmte Situationen im Erzieherbereich reflektieren, um aus Fehlern zu lernen, Handlungsalternativen kennenzulernen, das Verhalten von Kindern zu erklären und sich in anderen Situationen sicherer und wohler zu fühlen. Die Methode besteht aus 6 Schritten: 1. Welches Motiv hatte die Erzählerin/der Erzähler die Geschichte zu erzählen? 2. Welche Kompetenzen zeigt die Erzählerin? (Positive Fähigkeiten der Erzieherin, die im Handeln und Reflektieren deutlich werden.) 3. Welche übergreifende Zielsetzung verfolgte die Erzieherin? (Welche(s) Ziel war für die Erzieherin das Wesentlichste, das Wichtigste, und welche Methode hat sie angewandt, um dieses Ziel zu erreichen?) 4. Welche Handlungsalternativen hätte es noch gegeben? (Wie hätten Sie in dieser Situation noch erfolgreicher das angestrebte Ziel erreichen können?) 5. Welche alternativen Ziele des Handelns wären noch möglich gewesen? (Andere pädagogische Zielsetzungen, die die Erzieherin auch (noch) hätte verfolgen können?) 6. Verallgemeinerung des Themas (Wie kann man sich das Verhalten des Kindes bzw. die Situation anhand von (verschieden) Fachtheorien (Freud, Erikson, Piaget, Goffman etc.) erklären? Was lässt sich Allgemeingültiges für die Praxis ableiten und lernen? Welche Erkenntnisse lassen sich formulieren?)

Aspekte der Reflexion von Handlungsweisen

1. Warum ist Ihnen gerade dieses Handeln des Adressaten aufgefallen (Wahrnehmung)?

2. Wie bewerten Sie das Wahrgenommene (Bewertung)? Welche Bedeutung messen Sie Ihrer Wahrnehmung bei?Finden Sie das Handeln des Kindes angemessen/ nicht angemessen? Welche Bedeutung hat für Sie die Beziehung zum Adressaten? Stimmt das Wahrgenommene mit den eigenen Wertvorstellungen überein/ nicht überein?

3. Was Könnte das Kind/den Jugendlichen veranlasst haben, so zu handeln (Handlungsplanung)? Sehen Sie Zusammenhänge zu seiner bisherigen Situation? Haben Sie schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht? Können Sie theoretische Hintergründe für das Handeln heranziehen?

4. Begründen Sie Ihre Reaktion auf das des Adressaten (Handlung)? Erläutern Sie z. B. Absichten und Ziele.

5. Was hat Ihre Reaktion erbracht? Welchen Effekt hatte es auf den Adressaten (Effekte meines Handelns)?

6. Würden Sie in einer vergleichbaren Situation zukünftig wieder ähnlich oder anders handeln? Versuchen Sie eine Begründung.

7. Können Sie darlegen, was in Ihrem Handeln als typisch für Sie gelten könnte (Orientierungsmuster)? Wäre längerfristig eine Intensivierung oder Differenzierung bzw. eine Veränderung dieses Ihres Verhaltensmusters sinnvoll und denkbar?

Schriften

  • Wie Schüler Erzieher werden. Studie zur Kompetenzentwicklung und fachlichen Identitätsbildung in einem doppeltqualifizierenden Bildungsgang des Kollegschulversuchs NW, Wetzlar 1985.
  • Negative Pädagogik. Einführung in die Pädagogik mit Kritischer Theorie, Wetzlar 1988.
  • Bürgerliche Kälte und Pädagogik. Moral in Gesellschaft und Erziehung, Wetzlar 1994.
  • Bestimmte Unbestimmtheit. Chardins pädagogische Lektionen, Wetzlar 1999.
  • Didaktik – Das Kreuz mit der Vermittlung. Elf Einsprüche gegen den didaktischen Betrieb, Wetzlar 2002.
  • Entdeckt aber nicht erobert. Paolo Veronese malt Kinder und Jugendliche, Wetzlar 2003.
  • Auf dem Weg zu einer Theorie des Unterrichtens. Die widersprüchliche Einheit von Erziehung, Didaktik und Bildung in der allgemeinbildenden Schule. Vorstudie. Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft, Forschungsberichte, Bd. 5. Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main 2005.
  • Fotografische Erkundungen zur Pädagogik , Wetzlar 2005.
  • So nah und so fern - O. Ph. Runge malt Kinder , Wetzlar 2008.
  • Präsentieren als neue Unterrichtsform , Opladen 2008.
  • An den Grenzen des Unterrichts , Opladen 2010.
  • Verstehen lehren. Ein Plädoyer für guten Unterricht., Originalausgabe, Stuttgart 2011. ISBN 978-3-15-018840-8
  • Kritische Theorie und Pädagogik. Eine Begegnung und ihre Folgen, in: Widersprüche 29 (1988).
  • (Hg.): Ein Schulversuch wird überprüft. Das Evaluationsdesign für Kollegstufe NW als Konzept handlungsorientierter Begleitforschung, Kronberg 1976.
  • (Hg.): Wozu Pädagogik? Die Zukunft bürgerlicher Mündigkeit und öffentlicher Erziehung, Darmstadt 1996.
  • (mit Ulrich Oevermann -Hg.-): Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie. Dokumentation der Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno, Wetzlar 2004. ISBN 978-3-88178-324-8.
  • Pädagogische Forschung als Erforschung der Pädagogik. Eine Grundlegung., Opladen 2011. ISBN 978-3-86649-417-6

Literatur

Weblinks

Fußnoten

  1. Vgl. Henning Sußebach: Liebe Marie,. In: Die Zeit. Nr. 22., zusätzlicher Text.

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