Andreas Bodenstein

Andreas Bodenstein
Andreas Bodenstein von Karlstadt, Holzschnitt 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Andreas Bodenstein von Karlstadt, Holzschnitt 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Gedenktafel am Haus Kirchplatz 11, in Lutherstadt Wittenberg

Andreas Rudolf Bodenstein, auch: Andreas Rudolff-Bodenstein von Karlstadt, häufig auch nur als Karlstadt bezeichnet, (* um 1482 in Karlstadt; † 24. Dezember 1541 in Basel) war ein deutscher Reformator des 16. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wittenberg

Als Sohn eines Kellermeisters in Karlstadt geboren, immatrikulierte er sich 1499 an der Universität Erfurt. Er wechselte an die Universität Köln, wo er mit den Gedanken des Thomas von Aquin vertraut gemacht wurde. Daraufhin begab er sich 1505 an die Universität Wittenberg. Ab 1507 war er Dozent an der Wittenberger Universität. Dort setzte er sich vor allem mit den Schriften Wilhelm von Ockhams auseinander. 1510 promovierte er im Fach Theologie. Er wurde Professor der Theologie und Diakon an der Stiftskirche Allerheiligen, die zur Universität gehörte. Martin Luther wurde unter Karlstadt promoviert.

Durch die Lektüre von Staupitz und Augustinus entwickelte er eigene reformatorische Ansätze. Wie Luther ging er in Opposition zum Papst. Seiner Meinung nach hat kein Mensch, auch nicht der Papst, das Recht, die Bibel nach eigenem Ermessen auszulegen. Gemeinsam mit Luther schrieb und disputierte er 1519 in der Leipziger Disputation gegen den katholischen Theologen Dr. Johannes Eck, dem er jedoch rhetorisch nicht gewachsen war. Für eine kurze Zeit wirkte er in Dänemark, kehrte aber bald nach Wittenberg zurück.

1521/22 kam es zur Wittenberger Bewegung. Luther befand sich auf der Wartburg, und Karlstadt trieb – zusammen mit Johann Drach – die Reformation in Wittenberg voran. Er predigte gegen die Bilder(verehrung), den Zölibat und für ein Abendmahl in beiderlei Gestalt. Im Gegensatz zur damaligen Praxis sollten Brot und Wein – und nicht nur Brot – an die Gemeinde ausgeteilt werden. Zum Weihnachtsfest 1521 feierte Karlstadt in weltlicher Kleidung einen Gottesdienst mit Abendmahl in beiderlei Gestalt und hielt seine Predigt auf Deutsch.

Durch seine anstachelnden Predigten kam es im Februar zum Bildersturm. Der Rat der Stadt wusste auf die Predigten Karlstadts keine Antwort, und auch Melanchthon war in den theologischen Aussagen unsicher. Karlstadt berief sich nämlich nicht mehr nur auf die Bibel, sondern auch auf eine geistige Berufung. Das Verhältnis von Geist und Schrift war bei Melanchthon zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgearbeitet. Der Rat rief nach Luther, der die Unruhen beenden sollte. Luther kam gegen den Rat des Kurfürsten Friedrich von der Wartburg und hielt im März 1522 in Wittenberg seine Invokavitpredigten. Darin bezeichnete er die Reformationen Karlstadts als gut, kritisierte aber dessen Umsetzungen. Karlstadt nehme in seiner Reformation keine Rücksicht auf die Schwachen. Nach diesen Unruhen legte Karlstadt seinen Prälatenrock ab und kleidete sich mit dem Bauernrock. Auch den Doktortitel legte er ab und ließ sich von da ab Bruder Andreas nennen. Luther erwirkte für Karlstadt ein Kanzelverbot sowie eine Zensur seiner Schriften [1]. Er musste Wittenberg verlassen und ging nach Orlamünde.

Orlamünde

1523 ging Karlstadt als Pfarrer ins sächsische Orlamünde.[2] Dort führte er die Reformation, unterstützt durch die Gemeinde, in seinem Sinne durch. Karlstadt reformierte die Liturgie, schaffte die Kindertaufe ab und entfernte Orgel und Heiligenbilder. In vielen Punkten wie der Bilderfrage und der Abendmahlsfrage ähneln seine Positionen denen Zwinglis und Calvins. Kurze Zeit stand er auch mit den Zwickauer Propheten und Thomas Müntzer in Verbindung, lehnte jedoch Gewalt als Mittel der Reformation ab. Die Gemeinde in Orlamünde verhielt sich in den Bauernunruhen entsprechend passiv. In der Ablehnung von Gewalt und in der Konzeption einer abseits der Welt stehenden Gemeinde ähnelten seine Positionen auch denen der ab 1525 in Erscheinung tretenden Schweizer Täufer. Im August 1524 kam es zu zwei heftigen Streitgesprächen mit Luther in Jena und Orlamünde. Im selben Jahr wurde er aus Sachsen vertrieben.

Weitere Stationen

Obwohl Karlstadt ein Bündnisangebot Thomas Müntzers abgelehnt hatte, musste er nach der Niederschlagung der Aufstände fliehen. Luther erwirkte für ihn politisches Asyl in Sachsen, nachdem Karlstadt seine Abendmahlslehre widerrufen hatte. 1529 kehrte er Sachsen endgültig den Rücken. In Norddeutschland traf er auf Melchior Hofmann, einen Täufer. Auch ein Aufenthalt in Pilsum in Ostfriesland ist historisch zu belegen. Sein gesamter Aufenthalt in Ostfriesland beschränkte sich auf acht Monate.

Schweiz

1530 erneut auf der Flucht, ging Karlstadt nach Basel und Zürich. Für ein Jahr hatte er eine Pfarrstelle in Altstätten inne. Auf Fürsprache Heinrich Bullingers wurde er 1534 Professor und Pfarrer in Basel. Nach einem bewegten Leben starb er dort 1541 in der Weihnachtsnacht an der Pest.

Wirken und Werke

Titelblatt: Von der Abtuung der Bilder. 1522

Zunächst Förderer und Weggefährte Luthers, entwickelte Karlstadt bald eine eigene reformatorische Konzeption. Insbesondere in seinen Vorstellungen von der Laienkompetenz ging er weiter als viele andere Reformatoren.

Seine im Jahre 1524 erschienenen Traktate zum Abendmahl eröffneten den Abendmahlsstreit zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli.

Ob Karlstadt der Verfasser der anonymen, 1525 publizierten Bauernkriegs-Flugschrift An die Versammlung gemeiner Bauernschaft ist, ist in der Geschichtsforschung umstritten und bisher nicht belegt.

Bilderfurcht

Aber (got klag ichs) mein hertz ist von Jugend auff yn eher erbiethung vnd wolachtung der bildnis ertzogen vnd auffgewachßen. vnd ist mir ein schedliche forcht eingetragen / der ich mich gern wolt endletigen / vnd kan nit. Alßo stehn ich in forcht / das ich keynen olgotzen dorfft verbrennen. Ich hette sorg der Teuffels narr mocht mich beleydigen. Wie wol ich die schrifft (an einem teyll) hab / vnd weiß. dz Bilder nicht vermogen / haben auch weder leben / bluth / nach geyst. Idoch helt mich forcht am andern teyll / vnd macht / das ich mich vor eynem gemalten teuffell / vor eynem schatwen / vor eynem gereusch eines leychten bletlins forcht / vnd flihe das / das ich menlich solt suchen.

Zitat: Andreas Bodenstein: Von abtuhung der Bylder. Wittenberg 1522[3]


Andreas Bodensteins radikale Aufforderung zur Beseitigung der Bilder scheint als Versuch, sich in einem Gewaltakt von der eigenen Bilderfurcht zu lösen. Der Bildersturm wurde zum symbolhaften Bruch mit seiner früheren „Abgötterei“.

Literatur

Belletristik

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. Tübingen 2005, S. 44.
  2. Vgl. TRE 17, 652,12–21. Heute gehört Orlamünde zu Thüringen.
  3. Transkription auf Wikisource

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