Karl Gengenbach

Karl Gengenbach

Karl Gengenbach (* 9. November 1911 in Pforzheim; † 25. Januar 1944 bei Bad Tölz) war Jurist, im nationalsozialistischen Deutschen Reich SS-Standartenführer, Leiter der Amtsgruppe III A (Fragen der Rechtsordnung und des Reichsaufbaus) im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Oberster SD-Führer in den besetzten Niederlanden.

Inhaltsverzeichnis

Studium

Gengenbach studierte zunächst Physik an der TH München, dann von 1931 bis 1935 Rechtswissenschaften an der LMU München. Seit 1930 war er Mitglied der NSDAP.[1] Vom Sommersemester 1932 ab vertrat er den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund im Allgemeinen Studentenauschuss der LMU, dem er auch als Erster Vorsitzender vorstand. Bis zum Sommer 1933 trat er als "Führer der Studentenschaft der Universität München" auf. Als fanatischer studentischer Redner bei der Münchner Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 warf er die Werke Heinrich Heines mit folgenden Worten ins Feuer: „Volkskultur soll volksgebunden, rein und deutsch sein ... Heinrich Heine ist ins Feuer zu werfen und durch Eichendorff zu ersetzen“.[2] Im selben Jahr stieg er zum Kreisführer des Kreises Bayern (Kreis VII) im Deutschen Studentenbund auf. Durch geschickte Ausnutzung seiner Ämter und mit Unterstützung gewaltbereiter Mitglieder des NSDStB spielte er eine zentrale Rolle bei der nationalsozialistischen Gleichschaltung der Münchner Universität. Auf einen Vorschlag Gengenbachs vom September 1933 an den Bayerischen Kultusminister ging außerdem die für viele Emigranten folgenreiche Praxis zurück, die Ausbürgerung emigrierter Wissenschaftler mit der Aberkennung ihrer Doktorwürde zu verbinden.

Beim Sicherheitsdienst der SS (SD) und im Reichssicherheitshauptamt

Gengenbach war 1933-1935 Mitglied der SA, trat zur SS über und war seit 1935 hauptamtlich im SD-Oberabschnitt Süd in München tätig. Mit Gründung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) im September 1939 wurde er als Leiter der Amtsgruppe III B (Gemeinschaftsleben) nach Berlin versetzt und übernahm dort zugleich die Leitung der Referate III B 1 (Recht) und III B 2 (Verwaltung). Seit Sommer 1940 war Gengenbach als Führer des SD beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Niederlanden, Hans Nockemann, eingesetzt. SD-Kommandos durchsuchten in Amsterdam die deutschsprachigen Verlage für Emigrantenliteratur und beschlagnahmten einen Großteil des vorgefundenen Bestandes.

Nach der Umorganisation des RSHA Anfang 1941 wurde Gengenbach Amtsgruppenleiter III A (Fragen der Rechtsordnung und des Reichsaufbaus) in der Amtsgruppe III (Deutsche Lebensgebiete – SD-Inland) unter SS-Standartenführer Otto Ohlendorf. Zum Aufgabengebiet seiner Amtsgruppe gehörte auch die Sichtung der Strafurteile der deutschen Justiz, mit dem Ziel alle Urteile zu erfassen, die dem gesunden Volksempfinden gröblich widersprechen“, um von seiten des RSHA auf die Justizorgane im Sinne einer Verschärfung hinzuwirken.

Gengenbach war Teilnehmer einer Tagung der Abwehrdienststellenleiter der Stapostellen (Staatspolizei) und der SD-Abschnittsführer am 18. Mai 1942 in Prag, die eine bessere Koordinierung der verschiedenen Aufgabenträger zum Ziele hatte und mit einem deutlichen Kompetenzzuwachs des RSHA gegenüber der militärischen Abwehr endete. Weiterhin nahm er, wie nahezu alle Amtsgruppenleiter, an einer von Adolf Eichmann geleiteten Nachfolgebesprechung zur „Wannseekonferenz“ über die „Endlösung der Judenfrage“ am 27. Oktober 1942 im RSHA teil.

Im Frühjahr 1943 hielt Gengenbach in Tallinn mit den SD-Mitarbeitern der Abteilung III beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Estland eine Besprechung ab, bei der er als Richtlinie für die deutsche Besatzungspolitik vorgab, in erster Linie eine prodeutsche, statt einer proestnischen politischen Ausrichtung vorzunehmen.

Am 25. Januar 1944 verunglückte Gengenbach auf einer Dienstfahrt zusammen mit Heinz Gräfe, dem Amtsgruppenleiter VI C des RSHA in der Nähe von Bad Tölz tödlich.

Literatur

  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Synchron, Heidelberg 2004, S. 57. ISBN 3935025688.
  • Sefanie Harrecker: Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus. Utz, München 2007 (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2), ISBN 3-8316-0691-9
  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH, 2002, ISBN 3-930908-75-1
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt am Main: S. Fischer, 2003; 2. Aufl. 2005, 732 S., ISBN 3-596-16048-0.

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 178.
  2. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch 2005, S. 178.

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