Karl Carstens

Karl Carstens
Karl Carstens, 1973
Carstens' Signatur

Karl Carstens (* 14. Dezember 1914 in Bremen; † 30. Mai 1992 in Meckenheim) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1976 bis 1979 Präsident des Deutschen Bundestages und von 1979 bis 1984 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Beruf

Karl und Veronica Carstens, 1949

Carstens wurde in der Fitgerstraße 36 des Bremer Stadtteils Schwachhausen geboren. Er war der Sohn des gleichnamigen Karl Carstens, Oberlehrer und Studienrat an der Handelsschule in Bremen (Oberrealschule), der kurz vor seiner Geburt in Frankreich gefallen war. Seine Patentante war die Bremer Kindermalerin Agnes Sander-Plump.

Nachdem er 1933 das Abitur am Alten Gymnasium in Bremen erlangt hatte, absolvierte Carstens ein Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main, Greifswald, Dijon, München, Königsberg und Hamburg, welches er 1936 mit dem ersten und 1939 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. 1938 schloss er seine Promotion zum Dr. jur. ab. Er wurde Referendar am Landgericht Bremen. Von 1939 bis 1945 nahm er dann als Soldat bei der Flakartillerie, zuletzt als Leutnant, am Zweiten Weltkrieg teil.

Als Staatssekretär 1963 im Gespräch mit US-Präsident Kennedy

Nach Kriegsende wurde er in Bremen als Rechtsanwalt zugelassen und begann seine Tätigkeit in der Kanzlei Ahlers & Vogel. Er war zudem vom Juni 1945 bis 1947 ganz oder zeitweise für Bürgermeister und Justizsenator Theodor Spitta tätig und wirkte auch an der Erstellung der Bremer Verfassung mit. [1] 1948 begann Carstens ein Studium an der Yale-Universität in New Haven (Connecticut), welches er 1949 mit dem Grad eines Masters of Laws (LL.M.) beendete.

Von 1949 bis 1954 war er Rechtsberater des Bremer Senats und Bevollmächtigter Bremens beim Bund. Ab 1950 hatte er einen Lehrauftrag an der Universität zu Köln, wo er sich 1952 habilitierte. 1954 trat er dann in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein. Bis 1955 war er Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Europarat in Straßburg und war danach im Auswärtigen Amt in Bonn tätig, wo er als Experte für Europafragen zum Stellvertreter des Bundesaußenministers aufstieg und 1958 die Leitung der Abteilung „West I Europa“ übernahm. 1960 erfolgte seine Berufung zum Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Köln. Von 1970 bis 1972 leitete er das Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Bonn.

Familie

1944 heiratete Carstens Veronica Prior (* 1923). Veronica Carstens wurde später Fachärztin für Innere Medizin. Die Ehe blieb kinderlos. Das Ehepaar gründete 1982 die Karl und Veronica Carstens-Stiftung mit dem Ziel der Förderung von Naturheilkunde und Homöopathie.

Parteimitgliedschaften

Carstens war seit 1934 Mitglied im Sturm 5/75 der SA. Von 1940 bis 1945 war er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 5.736.988). Den Aufnahmeantrag von 1937 soll er als Referendar auf Veranlassung des Landgerichtspräsidenten und unter der Androhung beruflicher Nachteile gestellt haben. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur NSDAP mobilisierte ein Bündnis aus kommunistischen und sozialistischen Organisationen, Gewerkschaften und Einzelpersonen – darunter Hanne Hiob – am 23. Mai 1979 zu einer Demonstration auf Grundlage des Brecht-Gedichts Der anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy.[2] Seit 1955 war er Mitglied der CDU.

Abgeordneter

Carstens spricht als Bundespräsident am 28. Juni 1982 beim Bundesnachrichtendienst

Von 1972 bis 1979 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von Mai 1973 bis Oktober 1976 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer. Nach der Bundestagswahl 1976 wurde Carstens am 14. Dezember 1976 zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.

Karl Carstens ist 1972 über die Landesliste Schleswig-Holstein und 1976 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Ostholstein in den Bundestag eingezogen.

Öffentliche Ämter

Karl Carstens auf der Veranstaltung „25 Jahre Bundesamt für Zivilschutz“, 1983.

Von Juli 1960 bis Dezember 1966 war er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in der Zeit der Großen Koalition von Dezember 1966 bis 1968 Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. Von 1968 bis 1969 war er dann als Staatssekretär Chef des Bundeskanzleramtes bei Bundeskanzler Kiesinger.

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1979 wählte ihn die Bundesversammlung am 23. Mai 1979 zum 5. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er löste damit Walter Scheel ab. Carstens war während seiner Amtszeit bekannt als der „Wanderpräsident“, wegen seiner Vorliebe für das Wandern. Er nutzte diese Wanderungen zur Begegnung mit sehr vielen Menschen, von denen er sich gern streckenweise begleiten ließ und mit denen er unterwegs einkehrte. Aus Altersgründen verzichtete er auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit und schied damit am 30. Juni 1984 aus dem Amt.

Der wandernde Bundespräsident Karl Carstens

Staatsbesuche

Jahr Monat Staaten
1980 April/Mai Irland
Mai Jugoslawien
Juli Portugal
1981 Januar Österreich
März Indien
Juli Vereinigtes Königreich
September/Oktober Spanien
Oktober Belgien (EG und NATO), Ägypten, Rumänien
1982 Februar Griechenland
April Brasilien, Jamaika
Mai Dänemark
Juni Saudi-Arabien
August Schweiz
Oktober VR China, Italien, Vatikan
November Sowjetunion
1983 Januar Frankreich (Europarat)
September Jugoslawien
Oktober USA, Frankreich
November Elfenbeinküste, Niger
1984 Februar/März Indonesien, Thailand

Ehrungen (Auszug)

Grab auf dem
Riensberger Friedhof

1979 erhielt er das Großkreuz mit Großer Ordenskette des Verdienstordens der Italienischen Republik nachdem er schon 1965 das Großkreuz bekam.
1984 wurde er mit dem Karlspreis der Stadt Aachen, den Ehrenbürgerwürden der Städte Bonn und Berlin sowie der Universität Köln ausgezeichnet.
1984 erhielt Carstens die Bremische Ehrenmedaille in Gold als erster Bevollmächtigter Bremens beim Bund und seine Unterstützung bei der Sicherung der Selbständigkeit Bremens.
1987 erhielt er den Hanns-Martin-Schleyer-Preis und die Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft.
1990 wurde ihm die Goldmedaille der „Fondation Jean Monnet pour l'Europe“ verliehen.
1991 erhielt er den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Die Freie Hansestadt Bremen benannte die vierte und zuletzt gebaute Weserbrücke zwischen den Ortsteilen Hastedt und Habenhausen nach ihm (Karl-Carstens-Brücke). Seit 2003 steht in der oberen Rathaushalle des Bremer Rathauses eine Bronzebüste des Bildhauers Ernemann Sander. [3]

Tod

Carstens starb in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1992 in seinem Wohnort Meckenheim bei Bonn an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen bestattet. Sein Grab (Grabnummer U 612) liegt in der Nähe des hohen und auffälligen Grabsteins von August Hammerschlag (→Lage53.0933416666678.8629833333333).

Verschiedenes

Im Jahr 1974 veröffentlichte der Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll seine Erzählung Die verlorene Ehre der Katharina Blum, die ihm wegen unterstellter Sympathien zum RAF-Terrorismus heftige Kritik von konservativer Seite einbrachte. Auch Carstens äußerte sich, jedoch offensichtlich in Unkenntnis wesentlicher Fakten und des Inhalts des Buches: „Ich fordere die ganze Bevölkerung auf, sich von der Terrortätigkeit zu distanzieren, insbesondere den Dichter Heinrich Böll, der noch vor wenigen Monaten unter dem Pseudonym Katharina Blüm [sic] ein Buch geschrieben hat, das eine Rechtfertigung von Gewalt darstellt.“[4] Dies setzte Carstens zahlreichen spöttischen Attacken aus, der Spiegel zitierte den Satz später sogar in seinem Nachruf.[5] Der Grafiker und Polit-Aktivist Klaus Staeck entwarf auf Bölls Bitte in Folge dieser Äußerung ein Plakat, auf dem Carstens auf einer Kuh reitend dargestellt war, mit der Überschrift „Professor Carstens reitet für Deutschland“ und dem vollen Zitat.[4]

Schriften

  • Der gutgläubige Erwerb von Pfandrechten an Grundstücksrechten. Dissertation, 1938.
  • Grundgedanken der amerikanischen Verfassung und ihre Verwirklichung. Habilitation, 1952/54.
  • Das Recht des Europarates, 1956
  • Politische Führung – Erfahrungen im Dienst der Bundesregierung. 1971.
  • Bundestagsreden und Zeitdokumente. Bonn 1977.
  • Reden und Interviews. 4 Bände, Bonn 1979–1983.
  • Deutsche Gedichte. (Hrsg.) 1983.
  • Erinnerungen und Erfahrungen. 1993.

Literatur

  • Tim Szatkowski: Karl Carstens. Eine politische Biographie. Böhlau-Verlag, Köln-Weimar-Wien 2007, ISBN 978-3-412-20013-8.
  • Daniel Lenski: Von Heuss bis Carstens. Das Amtsverständnis der ersten fünf Bundespräsidenten unter besonderer Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen. EKF, Leipzig/Berlin 2009, ISBN 978-3-933816-41-2.

Weblinks

 Commons: Karl Carstens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Theodor Spitta: Neuanfang aus Trümmern; Tagebuchaufzeichnungen, Hinweise auf Seite 99, 117, 123, 153, 171, 177, 180, 185, 232, 239, 275, 321, 340, 356, 358, 398, 430, 439, 441, 443, 446, 476, 447, 481, 490, 493, 496, 512
  2. http://www.kverlagundmultimedia.de/Archivb/Chronolog_2000/Anachronistischer_Zug_Intervie/anachronistischer_zug_intervie.html
  3. Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon, Edition Temmen, Bremen, 2003
  4. a b Klaus Staeck:Er fehlt! Berliner Zeitung, 22. Juli 2010
  5. Gestorben: Karl Carstens. Der Spiegel, Nr. 24, 1992

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