Kardieren

Kardieren
Historische Kardiermaschine

Das Kardieren (auch kardätschen, krempeln, manchmal umgangssprachlich fälschlich auch kratzen) dient im Prozess des Spinnens zur ersten Ausrichtung der losen Textilfasern zu einem Flor oder Vlies. Maschinen zum Kardieren werden Krempel oder Kardiermaschine oder einfach Karde genannt. Der Ort, an dem kardiert wird, heißt Karderie oder Karderei.

Davon zu unterscheiden ist das Kämmen von Langfasern und das Aufrauen von Geweben durch Kratzen (Weberkarden) bzw. Kratzmaschinen.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsbeschreibung

Die bereits gut gereinigten Faserflocken werden der Karde möglichst gleichmäßig vorgelegt. Auf der Karde werden die Fasern auf den Tambour, eine Walze von großem Umfang besetzt mit leicht gebogenen Drahthäkchen, gegeben. Der Tambour dreht sich und befördert die Fasern oben über die Walze. Auf der Oberseite des Tambours befinden sich Bretter oder kleine Walzen, welche ebenfalls mit Häkchen bestückt sind. Die Fasern werden durch diese Häkchen unten und oben parallel ausgerichtet. Wenn die Fasern eine halbe Umdrehung auf dem Tambour zurückgelegt haben, werden sie hinten von einer Abnehmerwalze abgenommen. Die Abnehmerwalze dreht sich in die gleiche Richtung wie der Tambour, aber viel langsamer. Dadurch werden die Fasern aus den Häkchen des Tambours „ausgehängt“. Da die Fasern untereinander verhaken und schlecht auf der Abnehmerwalze haften, kann ein breites Faserband, der Flor oder das Vlies, von der Abnehmerwalze abgezogen werden. Er wird in einem Trichter zu einem runden Band, dem Kardenband, geformt und in Schlaufen in einer Kanne abgelegt.

Das Kardenband wird anschließend zusammen mit weiteren Kardenbändern in der Strecke (früher Streckbank) verstreckt, um Ungleichmäßigkeiten der einzelnen Kardenbänder auszugleichen. Anschließend kann das verstreckte Band über mehrere Schritte zu einem Garn gesponnen werden.

Umgangssprachlich bezeichnet man als kardieren auch das Zurechtrücken von Vorstellungen und Idealen im zwischenmenschlichen Bereich.

Geschichte

Die Irreler Bauerntradition zeigt Kardieren, Spinnen und Stricken im Freilichtmuseum Roscheider Hof
  • 1748 erhielt der Engländer Daniel Bourn aus Leominster ein Patent auf eine Walzenkarde.
  • Im selben Jahr erhielten die Engländer Lewis Paul und John Wyatt aus Birmingham ein Patent auf eine ähnliche Karde mit Handantrieb.
  • 1769 wurde die Waterframe, die mechanische Spinnmaschine, erfunden. Durch deren größere Geschwindigkeit wurde das Kardieren noch stärker zum Engpass beim Spinnen.
  • 1775 erhielt Richard Arkwright ein Patent auf eine Karde, bei der die Walzen oberhalb des Tambours durch Stäbe ersetzt wurden.
  • Dieses Prinzip beider Systeme ist bis heute erhalten geblieben, lediglich feinere, genauere und stabilere Ausführungen haben höhere Maschinengeschwindigkeit und Arbeitsbreite ermöglicht. Die Produktivität ist so auf ein Vielfaches gestiegen. Eine Deckelkarde kann bei 1,5 Meter Arbeitsbreite bis 200 Kilogramm Kardenband pro Stunde produzieren, eine Walzenkarde mit 3,5 Meter Breite erreicht sogar das Fünffache.

Im Kunsthandwerks- und Hobbybereich werden kleinere Trommelkarden eingesetzt, die mit einem Elektromotor oder einer Handkurbel bedient werden. Bei Handkarden ist ein Häkchenbelag auf zwei etwa 10x20cm² großen Brettern mit Handgriffen befestigt. Die Faserflocken werden zwischen die Brettchen gelegt und die Karden auseinandergezogen. Eine Kratz- oder Flickkarde ist eine noch kleinere Handkarde. Sie wird einzeln benutzt zum Auflockern der Wolle, etwa beim Handspinnen.

Anwendungsgebiet

Literatur

  • Hermann Kirchenberger, Spinnerei 2000. Verlag Bondi, Wien-Perchtoldsdorf 1986, ISBN 3-900008-10-8
  • Nötzold: Handbuch der Streichgarn- und Vigognespinnerei. Fachbuchverlag, Leipzig 1970

Weblinks


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  • kardieren — kar|die|ren vgl. ↑karden …   Das große Fremdwörterbuch

  • kardieren — kar|die|ren vgl. karden …   Die deutsche Rechtschreibung

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