Kapitolinische Wölfin

Kapitolinische Wölfin
Kapitolinische Wölfin

Die Kapitolinische Wölfin (lat. Lupa Capitolina) ist eine lebensgroße Bronzefigur einer Wölfin, die Romulus und Remus, die mythischen Gründer der Stadt Rom, säugt. Die Skulptur ist 75 cm hoch und 114 cm breit und befindet sich in den Kapitolinischen Museen in Rom. Nach der seit dem 18. Jahrhundert lange Zeit allgemein akzeptierten Sichtweise soll es sich um eine etruskische Skulptur aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. handeln; in jüngster Zeit sind jedoch erhebliche Zweifel an dieser Datierung laut geworden.[1] Nachdem Fachleute im Zuge von Restaurationsarbeiten einen ersten Verdacht geäußert hatten, da die verwendeten Techniken vor dem 11. Jahrhundert n. Chr. unbekannt gewesen seien, scheint die anschließend veranlasste C-14-Datierung ergeben zu haben, dass die Wölfin im Mittelalter, genauer: zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert, gefertigt wurde. Eine abschließende Klärung der Frage steht bislang noch aus.

Die beiden Knaben wurden zweifellos erst in der Renaissance, wahrscheinlich von dem Bildhauer Antonio del Pollaiuolo, hinzugefügt.

Inhaltsverzeichnis

Mythos

Heinrich Aldegraver: Rhea Silvia, der Hirte Faustulus mit Romulus und Remus, Kupferstich, 16. Jh.

Eine der zahlreichen Mythen über die Anfänge der Stadt Rom ist die Gründungsgeschichte von Romulus und Remus, wie sie von dem römischen Geschichtsschreiber Fabius Pictor erzählt wird. Danach hatte Amulius, der König der Stadt Alba Longa in den Albaner Bergen seinen Bruder Numitor Silvius entmachtet und dessen Tochter Rhea Silvia im Tempel der Vesta, der Göttin des heimischen Herdes, untergebracht. Trotz des für die Vestalinnen geltenden Keuschheitsgebots hatte Rhea Silvia dem Kriegsgott Mars Zwillinge geboren. Daraufhin ließ Amulius Rhea Silvia in den Tiber werfen und die Zwillinge im Tiber aussetzen. Der Flussgott Tiber rettete jedoch die Vestalin und heiratete sie.

Das Floß, auf das die Knechte des Königs die Kinder aus Mitleid gesetzt hatten, strandete am Fuß des Palatin. Eine Wölfin, ein dem Mars heiliges Tier, fand die Kinder und säugte sie, bis sie von dem Hirten Faustulus und dessen Frau Acca Larentia aufgezogen wurden. Als sie herangewachsen waren, töteten sie ihren Großonkel Amulius und setzen ihren Großvater Numitor Silvius wieder als König ein. Sie selbst gründeten eine neue Stadt. Als sie sich friedlich nicht einigen konnten, wer die Stadt regieren sollte, tötete Romulus seinen Bruder im Laufe eines Streits. König der neuen Stadt wurde Romulus, nach dem die Stadt Rom benannt ist.

Ikonographie der Lupa Romana

Römische Münze, 137 v. Chr.

Die Lupa Romana ist ein außerordentlich beliebtes Motiv auf Medaillen, Münzen, Gemmen, Reliefs, Mosaiken usw. vor allem in der römischen Kaiserzeit. Die Wölfin erscheint zunächst ohne Romulus und Remus, die erst ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert regelmäßig abgebildet werden. Die Haltung der Kapitolinischen Wölfin, die ihren Kopf zurückwendet mit den unter ihr sitzenden Zwillingen, ist Vorbild für die meisten späteren Varianten des Motivs. Die Lupa Romana dient als Symbol für die göttliche Herkunft des Stadtgründers Romulus, Sohn des Kriegsgottes Mars sowie des Ewigkeitsanspruchs, der aeternitas, der Stadt und des Imperiums. [2] In der Bedeutung als Symbol für Ewigkeit und Unsterblichkeit, erscheint die Wölfin gelegentlich auf Grabmonumenten, als Zeichen des imperialen Anspruchs vor allem auf Objekten in den unterworfenen Provinzen.

Die Tradition der Wölfin mit Romulus und Remus als Symbol für die Stadt Rom ist ungebrochen seit römischer Zeit. Als Instrument der Propaganda wurde sie von Mussolini, der sich selber als Begründer eines Neuen Rom sah, verwendet, der drei Kopien in US-amerikanische Städte schickte. Bei den Olympischen Spielen von 1960 diente sie als Emblem. Bis heute ist sie auf Schildern der Kommune Rom zu sehen, und sie wird in der Werbung für römische Firmen und Produkte gelegentlich als unverwechselbares Markenzeichen eingesetzt.

Geschichte der Skulptur

Kapitolsplatz, rechts der Konservatorenpalast; Stich von E. Duperac 1568

Nach der Tradition ist die Kapitolinische Wölfin eine der wenigen antiken Skulpturen Roms, die nie unter der Erde lagen sondern immer öffentlich sichtbar geblieben sind. Cicero erwähnt in seiner Schrift De divinatione die Statue einer Wölfin, die auf dem Kapitol in Rom aufgestellt war, und die im Jahr 65. v. Chr. von einem Blitz getroffen wurde. Manche Autoren möchten in der Wölfin die von Cicero erwähnte Statue sehen. Die von anderen antiken Autoren erwähnten Spuren des Blitzeinschlags konnten jedoch an dieser Figur nicht festgestellt werden.

Nach Quellen aus dem 10. Jahrhundert [3] war die Statue vor dem alten Lateranpalast aufgestellt. 1471 schenkte Papst Sixtus IV. im Zuge der Umgestaltung des Kapitolsplatzes durch Michelangelo und der Ausstattung des Platzes mit Antiken die Wölfin den Konservatoren der Stadt Rom. Die Zahlung von 10 Goldflorin durch Sixtus diente möglicherweise als Honorar für Pollaiuoulo, der um diese Zeit die Zwillinge hinzugefügt haben soll. Bis 1583 war die Statue auf einem Sockel im Portikus des Konservatorenpalastes aufgestellt. Seit 1586 steht sie auf einem Podest in der Mitte der Sala della Lupa im Konservatorenpalast.

Datierung

Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Statue allgemein als ein Meisterwerk der etruskischen Kunst angesehen. Im 19. Jahrhundert datierte sie Giulio Quirino Giglioni um das 5. vorchristliche Jahrhundert und schrieb sie einer etruskischen Werkstatt zu, der deutsche Archäologe Friedrich Matz datierte sie um 480 – 470. Die Zwillinge galten als Zufügung der Renaissance.

Nach der These des römischen Archäologen und Professors an der Universität La Sapienza in Rom, Adriano La Regina, die er in der Tageszeitung La Repubblica veröffentlicht hat, kann die Wölfin jedoch erst im Mittelalter gegossen worden sein. Er stützt sich dabei auf Ergebnisse der römischen Restauratorin Anna Maria Carruba, die die Figur 1997 im Zuge einer umfassenden Restaurierung genau untersucht hat. Nach Carruba wurde die Figur in einem Stück gegossen, eine Technik, die für mittelalterliche Bronzegüsse charakteristisch sei. Antike – griechische, hellenistische und römische – Bronzen dieser Größe wurden jedoch in einzelnen Teilen gegossen, die anschließend zusammengefügt und nachbearbeitet wurden. Die typischen Kennzeichen dieser Technik fehlen aber bei der Wölfin.

Die Ergebnisse Carrubas sind bei Wiederaufstellung der Wölfin in der sala della lupa nicht publiziert worden, und die Kapitolinischen Museen bleiben bis jetzt bei der alten Datierung.

In der Forschung sind La Reginas Thesen nicht unumstritten. Argumentiert wird, dass es zwar viele griechisch-römische Vergleichsstücke gibt, aber (mit Ausnahme der Chimäre von Arezzo) bisher keine etruskische Bronze in ähnlicher Größe. Ob die etruskische und die griechisch-römische Gußtechnik identisch sind, müsse erst nachgewiesen werden. Nach Maurizio Sannini ist das Material, aus dem die Wölfin gegossen worden ist, zwar in römischer Zeit verwendet worden, aber nicht mehr in nachantiker Zeit. [4] Die sichere Datierung der Statue dürfte die Wissenschaft in Zukunft also noch beschäftigen.

Weitere Vorkommen

Siena

Die Wölfin; Siena, Palazzo Pubblico

Die Kapitolinische Wölfin wird ebenfalls in der Stadt Siena verehrt. Nach der Sage waren die Söhne des Remus, Ascanius und Senius, gezwungen aus Rom zu fliehen, nachdem ihr Vater von seinem Bruder Romulus erschlagen worden war. Auf ihrer Flucht nach Norditalien gelangten sie in das heutige Siena, wo sie auf einem Hügel ein Kastell errichteten. Dieses Kastell, genannt Castelvecchio oder Castel Senio, gilt als Gründungsort der Stadt Siena. Eine Bronzeskulptur der Wölfin ist im Palazzo Pubblico aufgestellt.

Timișoara

In Rumänien steht seit 1926 die Kapitolinische Wölfin in Timișoara.

Aquileia

In Aquileia in Norditalien steht die Kapitolinische Wölfin auf dem Vorplatz der Kathedrale.

Literatur

  • Maria Radnoti-Alföldi, Edilberto Formigli und Johannes Fried: Die römische Wölfin. Ein antikes Monument stürzt von seinem Sockel, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011 ISBN 978-3-515-09876-2
  • Anna Maria Carruba: La Lupa Capitolina. Un bronzo medievale (presentazione di Adriano La Regina). De Luca Editori d’Arte. Roma 2006.
  • Weigel, Richard: Lupa Romana. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae. Bd 6/1. Zürich und München 1992. S.292-296.

Weblinks

 Commons: Kapitolinische Wölfin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Die Zeit, 22. Februar 2007.
  2. Weigel S. 296.
  3. Benedictus von St. Andrea: Chronicon
  4. Fabio Isman: A questo punto la Lupa Capitolina è solo un mistero. in: Il Messagiero. 1. März 2007.
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