Andachtsbild

Andachtsbild

Inhaltsverzeichnis

Das mittelalterliche Andachtsbild

Ein Andachtsbild ist ein Bild zur verinnerlichten Andacht mit Themen aus dem Leben oder der Passion Jesu Christi oder dem Leben Mariens und der Heiligen.[1]

Meist handelt es sich bei den seit dem frühen 13. Jahrhundert gebräuchlichen Andachtsbildern um kleine Holzplastiken, die durch Herauslösung bestimmter Motive aus den herkömmlichen Szenen entstanden. Hans Belting geht davon aus, dass wichtige Anstöße für das Andachtsbild von den insbesondere nach der Besetzung Konstantinopels 1204 in den Westen gelangten Ikonen ausgingen.

Häufige Motive von Andachtsbildern sind der stehende Christus mit der Dornenkrone (Ecce homo), der sitzende Christus mit der Dornenkrone (Christus in der Rast), die Christus-Johannes-Gruppe (Johannesminne), Christus als Schmerzensmann (Erbärmdebild), Maria oder Engel mit Jesu Leichnam (Pietà) bzw. (Engelspietà).

Die Entstehung der Andachtsbilder geht zurück auf die Ausbreitung der Mystik und Volksfrömmigkeit, die Christus nicht mehr vorrangig als strahlenden Sieger und König, sondern als Leidenden betrachteten und eine innerliche Beziehung zu erreichen suchten. Diese Entwicklung steht im weiteren Kontext einer Subjektivierung der Religiosität im 13. Jahrhundert. Der Bildtypus des Andachtsbildes setzt sich auch in der neuzeitlichen Kunst fort.

Das kleine Andachtsbild

Heiligen- und Andachtsbildchen dienen der privaten Erbauung und sind einfache, gemalte und graphisch gestaltete Bilder. Es handelt sich um kleinformatige Einzelblätter. In Abgrenzung zum kunstgeschichtlichen Begriff des Andachtsbildes bezeichnet die religiöse Volkskunde diese künstlerisch meist anspruchslosen Werke als "Kleine Andachtsbilder".[2]

In den Frauenklöstern wurden die ersten Bildchen als Dankgabe kunstvoll gefertigt. Wanderprediger verteilten die Bildchen, um die Verkündigung zu unterstützen.[3] Sie dokumentieren zudem den Fortschritt der Drucktechnik[4]: Mit Erfindung des Holzdrucks und Kupferstiches konnte ab dem 15. Jahrhundert die steigende Nachfrage der Heiligenbildchen befriedigt werden. Die Beliebtheit blieb ungebrochen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein.[3]

Zu wichtigen kirchlichen Anlässen oder Jubiläen, wie beispielsweise Ostern, wurden und werden die Bildchen als Erinnerungsstück an die Gläubigen verteilt. Schulkinder bekamen sie geschenkt und verwendeten sie als Tauschobjekte. Normaler Aufbewahrungsort ist das Gebetsbuch, wo sie als Lesezeichen dienen. Die Motive entstammen der biblischen Geschichte, stellen Heilige dar oder zeigen Maria als Mutter Gottes. Dabei sind die als Druckvorlage dienenden Bilder immer im Stil und Motiv der Spiegel ihrer Zeit. Ein Einschnitt in der Technikgeschichte der Andachtsbildchen war die Einführung der Fotografie.[4]

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Andachtsbildchen als Zeugnis der Volksfrömmigkeit deutlich an Bedeutung verloren, sind jedoch nicht verschwunden.[4] Weit verbreitet sind nach wie vor Sterbebildchen, die bei Beerdigungen als Erinnerung an Verstorbene ausgegeben werden.[3]

Literatur

  • Hans Belting: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion, 3. Auflage Berlin 2000.

Einzelnachweise

  1. Siehe: Karl Schade: Andachtsbild : die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 1996.
  2. Den Begriff prägte Adolf Spamer: Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahrhundert, Bruckmann, München 1930. Vgl.: Artikel "Andachtsbild" im ABC zur Volkskunde Österreichs; Das kleine Andachtsbild. Graphik vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, Auswahlkatalog, Museum Schnütgen. Hrsg. von Manuela Beer und Ulrich Rehm. Olms, Hildesheim 2004; Horst Appuhn: Das private Andachtsbild. Ein Vorschlag zur kunstgeschichtlichen und volkskundlichen Terminologie, in: Museum und Kulturgeschichte. Festschrift für Wilhelm Hansen. Hrsg. von Martha Bringemeier (Schriften der Volkskundlichen Kommission für Westfalen 25). Aschendorff, Münster 1978. S. 289-292.
  3. a b c Vera Romeu (vr): Andachtsbilder ziehen Blicke an. In: Schwäbische Zeitung vom 1. August 2011
  4. a b c Hermann-Peter Steinmüller (hps): Bilder mit großer Geschichte. In: Südkurier vom 4. August 2011

Siehe auch


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