Kanonenboot

Kanonenboot
Das portugiesische Kanonenboot Diu von 1889

Kanonenboote sind eine Klasse von kleineren Kriegsschiffen. Sie sind zum Einsatz im küstennahen Bereich, auf Flüssen und anderen Binnengewässern konzipiert. Sie werden zur Artillerieunterstützung der Landstreitkräfte, zum Wach-, Geleit- und Kolonialdienst eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Kanonenboote

Die frühen Kanonenboote ab dem 18. Jahrhundert waren zunächst kleine, mit bis zu drei leichten Kanonen oder Mörsern bewaffnete Kriegsschiffe, die mit Muskelkraft und durch Segel angetrieben wurden. Diese Boote wurden von den Marinen ausschließlich für den Einsatz an der Küste und zum Schutz von Flussmündungen eingesetzt. Napoleon ließ hunderte Kanonenboote für die geplante Invasion Englands bauen und mit Obusiers ausrüsten.

Geruderte und mit Hilfsbesegelung ausgerüstete Kanonenboote waren vor allem auch bei den Flotten der Ostsee-Anrainerstaaten vertreten. In der preußischen Flotte von 1840 bis 1848 wurden diese Fahrzeuge als Kanonenjolle und Kanonenschaluppe bezeichnet.

Bis etwa 1850 fanden solche Kanonenboote Verwendung bei Seelandungen und bei der Belagerung von Küstenfestungen. Mit Einführung des Dampfmaschinenantriebs auf Schiffen wurden ab 1830 auch maschinengetriebene Kanonenboote gebaut. Zunächst wurden Kanonenboote mit Rad-, später mit Schraubenantrieb zunächst noch mit Hilfsbesegelung in Dienst gestellt. Das erste Schraubenkanonenboot Europas war die 1850 für Schleswig-Holstein in Dienst gestellte Von der Tann.

Während des Krimkriegs konnten sich Kanonenboote als eigene Kriegsschiffklasse etablieren. Ab etwa 1860 wurden nur noch dampfgetriebene Kanonenboote der so genannten I. und II. Klasse gebaut. Die Größe der Fahrzeuge nahm von ca. 290 Tonnen auf bis zu 1200 Tonnen zu, ebenso das Kaliber der Artillerie von 8,8 cm bis max. 15 cm. Ab 1900 wurden in der deutschen Kaiserlichen Marine die Aufgaben der Kanonenboote immer mehr den schnelleren und stärker bewaffneten Kleinen Kreuzern übertragen. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden in der deutschen Marine keine Kanonenboote mehr geplant. Allerdings beschlagnahmte die deutsche Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg drei noch im Bau befindliche Mehrzweckboote der niederländischen Marine sowie ein ebenfalls noch nicht fertiggestelltes Fischereischutzschiff der belgischen Marine und stellte die ersteren als Kanonenboote K 1 bis K 3 und das letztere als Kanonenboot K 4 in Dienst. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden weltweit praktisch keine Kanonenboote mehr gebaut. Sie blieben jedoch noch jahrzehntelang in den Flottenlisten. Ihre Aufgaben werden heute von anderen Schiffsklassen wahrgenommen (z. B. Patrouillenboote, Artillerieschnellboote).

Da in der Vergangenheit Kanonenboote von den Seemächten häufig zur Durchsetzung eigener Interessen vor die Küsten fremder Länder und Gebiete entsandt wurden (z. B. das deutsche Kanonenboot SMS Panther vor Marokko – der sog. Panthersprung und das deutsche Kanonenboot SMS Iltis in China), entstand der Begriff der Kanonenbootpolitik. Dieser Begriff findet auch heute noch im Zeitalter von Flugzeugträgern und Atom-U-Booten Anwendung.

Typbeispiele

  • Kanonenjolle (Preußen um 1840)
    • Länge: ca. 15 m
    • Breite: ca. 3,2 m
    • Antrieb: 20 Ruderriemen und 2 Masten für Segel
    • Bewaffnung: eine 60-pfündige Bombenkanone
  • Kanonenschaluppe (Preußen um 1840)
    • Wasserverdrängung: ca. 40 Tonnen
    • Länge: ca. 20 m
    • Breite: ca. 3,5 m
    • Antrieb: 26 Ruderriemen für je 2 Mann und 3 Masten für ca. 120 m² Segelfläche
    • Bewaffnung: 2 Karronaden
  • Kanonierschaluppe (Schweden um 1810)
    • Länge: ca. 20 m
    • Breite: ca. 4,5 m
    • Antrieb: 12 Ruderriemen
    • Bewaffnung: zwei 24-pfündige Kanonen
  • Kanonenboot Iltis-Klasse (Deutsches Reich ab 1900)
    • Wasserverdrängung: ca. 1200 Tonnen
    • Länge: 67 m
    • Breite: 9,7 m
    • Antrieb: 2 Dampfmaschinen mit 1382 PS
    • Besatzung: 130 Mann
    • Bewaffnung:
  • Kanonenboot Spanien, Baujahr 1934)
    • Wasserverdrängung: 1600 Tonnen
    • Länge: 86 m
    • Breite: 12 m
    • Antrieb: Dampfturbinen mit 6500 PS
    • Besatzung: 140 Mann
    • Bewaffnung:
      • 4 Geschütze Kaliber 12 cm
      • 2 Fla-Geschütze Kaliber 8,8 cm
      • 3 Fla-Geschütze Kaliber 2 cm

Panzerkanonenboot

Aus der Klasse der Kanonenboote wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Unterklasse der Panzerkanonenboote entwickelt. Diese stark gepanzerten Fahrzeuge hatten eine Wasserverdrängung von über 1000 Tonnen und sollten der Verteidigung von Flussmündungen gegen feindliche Invasoren dienen. Sie waren mit ein bis zwei Geschützen des Kalibers 21 cm bis 30,5 cm extrem stark bewaffnet (30,5 cm war das damals auf Linienschiffen gebräuchliche Hauptkaliber). Panzerung und Gewicht der Artillerie führten jedoch dazu, dass Panzerkanonenboote kaum seetauglich waren. Sie wurden daher relativ schnell wieder aus den Flottenlisten gestrichen. Ihre Aufgaben wurden von anderen Schiffstypen (z. B. von Küstenpanzerschiffen) übernommen. Nur wenige Länder verfolgten die Idee des Panzerkanonenboots, allerdings mit veränderter Aufgabenstellung, weiter. So ließ die Marine Thailands zwischen 1925 und 1938 insgesamt vier Panzerkanonenboote bauen. Bei diesen Schiffe handelte es sich jedoch um eine gepanzerte Variante der „normalen“ Kanonenboote.

Eine andere Klasse schwergepanzerter Kanonenboote wird nach dem ersten seiner Art Monitor genannt und ist eine Unterklasse der Panzerschiffe (Ironclads).

Typbeispiele

Die deutsche SMS Natter von 1880
  • Wespe-Klasse (Deutsches Reich)
    • Wasserverdrängung: 1109 Tonnen
    • Länge: 44 m
    • Breite: 11 m
    • Antrieb: 2 Dampfmaschinen mit je 700 PS
    • Besatzung: 88 Mann
    • Bewaffnung:
      • 1 Geschütz Kaliber 30,5 cm
      • 2 Geschütze Kaliber 8,7 cm
      • 2 Maschinenkanonen Kaliber 3,70 cm
      • 2 Torpedorohre 35 cm
    • Panzerung: 50 bis 203 mm
  • Bearbeiten] Torpedokanonenboot

    Im Zuge der Entwicklung der Klasse der Kanonenboote kam es zur Entwicklung einer Reihe von Unterklassen. Eine solche Unterklasse waren die Torpedokanonenboote. Sie führten zusätzlich zur Artillerie- noch Torpedobewaffnung. Die Weiterentwicklung der Torpedobootwaffe führte ziemlich schnell zum Ende dieser Unterklasse

    Typbeispiele

    Flusskanonenboot

    Neben den seetauglichen Kanonenbooten waren und sind in zahlreichen Flotten auch spezielle Flusskanonenboote im Einsatz. Sie sind ausschließlich zum Einsatz auf Flüssen und anderen Binnengewässern gebaut und verfügen meist nur über einen geringen Tiefgang (unter 2 m). Neben dem Dienst auf europäischen und amerikanischen Gewässern wurden Flusskanonenboote vielfach auf Flüssen und Seen der europäischen Kolonien in Afrika und Asien zu Wach-, Sicherungs- und Polizeiaufgaben eingesetzt. Flusskanonenboote waren meist ungepanzert und oft mit Steilfeuerwaffen (z. B. Mörsern, Minenwerfer, Granatwerfer) bewaffnet. Flusskanonenboote sind vereinzelt bis heute im Einsatz (z. B. Brasilien, Russland, Paraguay), wobei sie heute meist als Flusskampfboote bezeichnet werden. In den britischen Feldzügen gegen den Mahdi-Aufstand im Sudan spielten Flusskanonenboote eine wesentliche Rolle.

    Die Klasse der schwergepanzerten Flusskanonenboote wird Flussmonitor genannt.

    Typbeispiele

    • Maschinengewehre
  • USS Panay (USA, Baujahr 1927)
    • Wasserverdrängung: 560 Tonnen
    • Länge: 60 m
    • Breite: 9,5 m
    • Antrieb: Dampfmaschine
    • Besatzung: 80 Mann
    • Bewaffnung:
      • 2 Geschütze Kaliber 7,6 cm
      • 10 Maschinengewehre
  • Paraguay, Baujahr 1984)
    • Wasserverdrängung: 360 Tonnen
    • Länge: 46 m
    • Breite: 8,5 m
    • Antrieb: Dieselmotor mit 1350 PS
    • Besatzung: 54 Mann
    • Bewaffnung:
      • 2 Mörser Kalilber 8,1 cm
      • 1 Geschütz Kaliber 4 cm
      • 6 Maschinengewehre

Siehe auch

Literatur

  • Bryan Perrett: Gunboat! Small ships at war, London 2000.

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