Kannenpflanzengewächse

Kannenpflanzengewächse
Kannenpflanzen
Nepenthes maxima

Nepenthes maxima

Systematik
Abteilung: Bedecktsamer (Magnoliophyta)
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Nelkenähnliche (Caryophyllidae)
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Kannenpflanzengewächse
Gattung: Kannenpflanzen
Wissenschaftlicher Name der Familie
Nepenthaceae
Dum.
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Nepenthes
L.

Kannenpflanzen (Nepenthes) bilden die einzige Gattung in der Familie der Kannenpflanzengewächse (Nepenthaceae). Es sind mittlerweile rund 100 Arten bekannt, neue Arten werden jedoch noch immer regelmäßig entdeckt und beschrieben. Alle Arten sind tropische fleischfressende Pflanzen.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Kannenpflanzen sind immergrüne, ausdauernde Pflanzen, je nach Art Halbsträucher oder Lianen. Manche Arten bilden auch Rosetten und sind von eher gedrungenem Wuchs. So weit bekannt, haben alle Arten eine konstante Chromosomenanzahl (2n=80), weshalb auch alle Arten fruchtbar miteinander gekreuzt werden können.

Wurzeln

Wurzelwerk von Nepenthes mirabilis

Kannenpflanzen haben üblicherweise ein gut entwickeltes, reich verzweigtes Wurzelsystem, sind aber flachwurzelnd. Die Wurzeln sind bei vielen Arten von brüchiger Struktur und störungsempfindlich. Es gibt aber auch Arten, deren Wurzeln stark verdickt sind und der Pflanze helfen, Trockenzeiten zu überstehen, z. B. Nepenthes kampotiana oder Nepenthes mirabilis (siehe Abb.).

Blätter

Blattwerk von Nepenthes

Die Blätter stehen wechselständig von der Sprossachse ab. Die ledrige, lanzettlich bis längliche oder eiförmige scheinbare Blattspreite stellt im strengen Sinne nur einen umgebildeten Blattgrund dar. Dieser wird geteilt von einer starken Mittelrippe, die in eine dicke Ranke übergeht, welche am Kannenansatz endet. Erst die aufrechten und von einem Deckel überdachten Kannen selbst sind dann die eigentlichen Blattspreiten.

Kannen

Die Nepenthes-Kannen sind passive Fallgruben, der Deckel ist feststehend. Mit Hilfe des Kannenstieles verankern sich die Pflanzen in den Bäumen. Die Verdauungsflüssigkeit der Kanne ist sehr sauer (pH3) und mit vielen Enzymen angereichert. So kann die Verdauung weichhäutiger Beute schon innerhalb von zwei Tagen abgeschlossen sein. Die meisten Arten bilden unterschiedlich geformte Bodenkannen und Hochkannen an den Langtrieben aus, dies ist eine Anpassung an die kriechende oder fliegende Beute. Zudem sehen die Kannen an jungen Pflanzen völlig anders aus als Kannen an ausgewachsenen Pflanzen. Nach Angabe der TU Darmstadt können sie bis max 2 Liter Inhalt erreichen.

Blüten und Samen

Blütenstand

Kannenpflanzen sind zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch). Sie bilden aus Cymen zusammengesetzten Rispen oder traubenförmige Blütenstände. Die Schäfte der Blütenstände sind zwischen 15 und 100 cm lang, die Blüten stehen also weit über den Pflanzen.

Die Blüten haben meist vier, selten drei Blütenblätter. Die eingeschlechtigen Blüten haben keine Rudimente des anderen Geschlechtes. Männliche Blüten haben 4 bis 24 Staubblätter, weibliche Blüten haben meist vier, selten drei, Fruchtblätter.

Die Blüten werden von Käfern und Fliegen bestäubt. Die dreigefächerten Samenkapseln enthalten bis zu 10.000 feine Samen, die vom Wind verteilt werden.

Verbreitung und Habitat

Das Verbreitungszentrum der Gattung liegt in Indonesien, Malaysia und den Philippinen, besonders reich an (vielfach endemischen) Arten sind die Inseln Borneo und Sumatra. Disjunkte Vorkommen finden sich westlich bis Madagaskar (2 Arten) und den Seychellen (1 Art), südlich bis Australien (2 Arten), Neukaledonien (1 Art) sowie im Norden bis Indien (1 Art), Sri Lanka (1 Art) und China (1 Art).

Die folgende Tabelle stellt die Verbreitung der Gattung unter Berücksichtigung von Arten- und Endemitenzahl dar.

Gebiet Anzahl Arten Anzahl Endemiten
Australien 2 1
Seychellen 1 1
Sri Lanka 1 1
Indien 1 1
Neu-Kaledonien 1 1
Java 2 1
Madagaskar 2 2
Molukken 3 0
Indochina 3 1
Celebes 9 4
Malaya 11 4
Philippinen 10 8
Neuguinea 10 8
Sumatra 29 16
Borneo 34 25

Viele Arten (z. B. Nepenthes rafflesiana) leben in den heißen, feuchten Tieflandbereichen, aber die meisten sind Bewohner des tropischen Berglands mit ganzjährig warmen Tagen und kühlen bis kalten, feuchten Nächten. Einige wenige Arten (z. B. Nepenthes clipeata) leben in Bergregionen mit kühlen Tagen und Nächten nahe dem Gefrierpunkt. Die meisten Kannenpflanzen bevorzugen feuchte, helle, nicht vollsonnige Standorte, in einigen Regionen gibt es aber auch solche, denen volle Sonne nichts ausmacht (z. B. Nepenthes neoguineensis).

Botanische Geschichte

Die erste greifbare Erwähnung und Beschreibung von Nepenthes stammt aus dem Jahr 1658, als der französische Gouverneur Etienne de Flacourt Madagaskar bereiste und dort auf Nepenthes madagascariensis stieß. Er bewunderte das ausgefallene Erscheinungsbild der Pflanze, betrachtete allerdings die Kannen als Blüten, nicht als Insektenfallen[1].

Eine zweite Beschreibung einer Nepenthes-Art erfolgte 1680 durch den deutschen Reisenden und Abenteuerforscher Jacob Breyne. Er brachte ein Exemplar von Nepenthes mirabilis mit, taufte die Pflanze allerdings „Bandura cingalensis“. Auch er betrachtete die Kannen als Blüten, nicht als Insektenfallen.

Der Naturforscher Carl von Linné verfasste um 1753 sein revolutionäres Werk Species Plantarum und führte den heute gültigen Gattungsnamen Nepenthes ein. Er berief sich bei seiner Auswahl auf den Namen einer antiken griechischen Droge namens Népênthos, von der es hieß, sie werde aus einer fernöstlichen Pflanze hergestellt und lasse den Konsumenten alle Sorgen vergessen[2].

Ab dem 19. Jahrhundert wuchs die Beliebtheit der Kannenpflanzen, in erster Linie war dies dem englischen Botaniker und Züchter Peter C. M. Veitch zu verdanken, der alle nur erdenklichen Arten und Hybriden von Nepenthes züchtete und sie auch der Öffentlichkeit zugänglich machte[3]. Ab 1960 erlebten die Kannenpflanzen einen erneuten "Boom" durch die Literatur des japanischen Botanikers Shigeo Kurata.

Heute sind etwa 104 Arten und mehrere hundert Hybriden bekannt, von denen einige in Blumengeschäften, Gartencentern und sogar Baumärkten angeboten werden.

Gefährdungsstatus

Durch Absammlung und Verkauf sowie die Abholzung der Regenwälder sind viele Arten unmittelbar vom Aussterben bedroht, über 50 Arten werden daher von der IUCN auf ihrer Roten Liste als stark bedroht, bedroht oder gefährdet geführt. Mittlerweile sind alle Nepenthes-Arten durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützt, N. rajah und N. khasiana im Anhang 1, alle anderen Arten im Anhang 2.

Paläobotanik und Evolution

Fossile Pollenfunde der 1930er aus dem europäischen Tertiär wurden 1985 als von drei ausgestorbenen Arten stammend eingestuft (Nepenthes echinosporus, Nepenthes echinatus, Nepenthes major). Möglicherweise stammen die Nepenthes also ursprünglich aus Europa und wanderten mit den sukzessiven Klimaveränderungen von dort in das heutige Verbreitungsgebiet, wo das tropische Klima ihnen entsprechende Bedingungen gewährleistete.

Verwendung

Verwendung in der Ethnobotanik

Kannenpflanzen sind in ihren Heimatländern vielseitig verwendet worden. Die Kannenflüssigkeit wird als Getränk verwendet, aus Borneo wird eine Verwendung des Sprosses als Baumaterial sowie der Einsatz der Kannen als Reiskochtopf berichtet.

In der Volksheilkunde gilt der Saft als Mittel gegen Husten und Blasenleiden sowie bei Augenerkrankungen und Hautentzündungen, Abkochungen von Wurzeln und Stängel sollen z. B. bei Dysenterie oder Malaria hilfreich sein.

Verwendung als Zierpflanze

Kannenpflanzen sind insbesondere in den USA, aber auch bei uns beliebte Zierpflanzen. Bis auf einige einfachere Arten (z. B. Nepenthes alata, Nepenthes ventricosa, Nepenthes rafflesiana oder Nepenthes truncata) ist die Kultur mancher Arten jedoch nicht ganz unkompliziert und bedarf mindestens eines Terrariums, besser noch eines temperierten Gewächshauses mit hoher Luftfeuchtigkeit. Vor allem Hochlandarten gelten in der Kultur als schwierig, da sie in der Nacht eine starke Abkühlung brauchen.

Viele der im Handel erhältlichen Nepenthes sind Hybriden, die in der Regel starkwüchsiger und robuster sind als die reinen Arten und auch unter Raumbedingungen gedeihen können. Besonders häufig findet man die Hybriden 'Ventrata' (N. alata x N. ventricosa), 'Mixta' (N. northiana x N. maxima) und 'Coccinea' (N. alata x N. ampullaria).

Systematik

Die Systematik folgt Jebb & Cheek, 1997 und wurde um Neubeschreibungen unter anderem aus der CP-Database von Jan Schlauer ergänzt.

Einzelnachweise

  1. Etienne de Flacourt: Histoire de la Grand Isle des Madagascar; 1660
  2. Carl von Linné: Species Plantarum; 1753
  3. Peter C. M. Veitch: The Gardeners´ Chronicle; 1872

Quellen

Weblinks


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