Kammer für Arbeiter und Angestellte

Kammer für Arbeiter und Angestellte
OsterreichÖsterreich  Kammer für Arbeiter und Angestellte
Österreichische Behörde
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Staatliche Ebene
Aufsichtsbehörde(n)/-organe Bundesarbeitskammer
Gründung
Hauptsitz Wien
Behördenleitung
Website www.arbeiterkammer.at

Die Kammern für Arbeiter und Angestellte, kurz Arbeiterkammer oder AK, sind die gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in Österreich. Die gesetzliche Grundlage ist im Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG, BGBl I 626/91) geregelt. Es gibt ähnliche Interessenvertretungen in Bremen, im Saarland und in Luxemburg. Die italienischen Camere del lavoro sind dagegen örtliche Zusammenschlüsse von Gewerkschaften auf freiwilliger Grundlage.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben und Struktur

AK Wien Hauptgebäude
Das Arbeiterkammergebäude in Linz

Die Aufgaben der AK sind in § 1 AKG umschrieben: „Die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte sind berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern.“

In § 4 werden die Mittel zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags angeführt: zum Beispiel Stellungnahmen in Gesetzgebungsverfahren, Entsendung von Vertreter in Körperschaften und sonstige Organisationen, Durchführung von wissenschaftlichen Studien, Beratung und Vertretung der Mitglieder.

In jedem der 9 Bundesländer gibt es eine eigene Arbeiterkammer, die zusammen die Bundesarbeitskammer (BAK) mit Sitz in Wien bilden. Die AK Wien führt die Geschäfte der Bundesarbeitskammer.

Beschäftigte, Lehrlinge, Arbeitslose sowie Personen in Karenz sind Pflichtmitglieder der Arbeiterkammer (ausgenommen Beamte und Beschäftigte in der Landwirtschaft). Die aktiven Beschäftigten müssen eine Arbeiterkammerumlage von 0,5 Prozent des Bruttogehalts zahlen, die automatisch, als Teil des Sozialversicherungsbeitrages, vom Lohn/Gehalt abgezogen und den Arbeiterkammern zugeleitet werden. Dadurch erfolgt die Finanzierung der AK „still“ und wird von den Mitgliedern kaum wahrgenommen.

Die rund drei Millionen Mitglieder haben Rechtsanspruch auf Unterstützung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Neben der Wirtschaftskammer, dem ÖGB und der Landwirtschaftskammer ist die BAK Teil der Sozialpartnerschaft und arbeitet eng mit dem ÖGB zusammen, wobei der gewerkschaftlichen Seite der Abschluss von Kollektivverträgen vorbehalten bleibt. Die Expertenstäbe der Arbeiterkammerorganisation gelten als "Think tank" der Gewerkschaften. Sie geben Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsvorschlägen ab und kümmern sich um den Verbraucherschutz. Da die Bildung der Arbeitnehmer ein wichtiges Anliegen der Kammer ist, betreibt sie zahlreiche öffentlich zugängliche Bibliotheken. Die größte davon ist die Sozialwissenschaftliche Studienbibliothek der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien. Auch der Arbeitsklima Index wird von der Arbeiterkammer erhoben.

Alle fünf Jahre finden in den Bundesländern direkte und geheime Wahlen statt, in denen eine Vollversammlung gewählt wird.

Bei der Wahl 2009 (5.–18. Mai 2009) erzielte die FSG 70,44 Prozent der Stimmen und errang damit 36 Mandate, die ÖAAB kam auf 21,95 Prozent der Stimmen bzw. 11 Mandate, die FA lag bei 5,60 Prozent bzw. 2 Mandaten und die AUGE bei 2,01 Prozent und einem Mandat. Die Wahlbeteiligung 2009 lag bei knapp über 50 Prozent.[1]

Geschichte der Arbeiterkammern in Österreich

Forderungen nach Schaffung von Arbeiterkammern mit dem Recht der Mitwirkung an der Gesetzgebung analog zu den Handelskammern wurden schon in der Revolutionsperiode von 1848 gestellt. Anerkennung fand aber zunächst nur die Notwendigkeit einer ,,Arbeiterschutzgesetzgebung“ und die Forderung nach wissenschaftlicher Erforschung der sozialen Lage. Entsprechend formuliert war auch der Antrag auf Errichtung von Arbeiterkammern, den der liberale Reichsratsabgeordnete Ernst von Plener 1886 stellte.[2] Das Abgeordnetenhaus setzte darauf hin einen Spezialausschuss ein, der mehrere Jahre verhandelte. Anlässlich einer Enquete im Jahr 1889 lehnten allerdings gerade die Arbeitervertreter den Plener-Entwurf ab: man wollte kein bloßes statistisches Bureau sondern genau präzisierte Rechte. Auf Gewerkschaftsseite bestand auch die Sorge, die Mitwirkungsrechte der Arbeiterkammern könnten als Argument gegen die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts dienen.

Das Arbeiterkammergesetz kam nicht zustande. Die Aufgabe der „Erhebung der sozialen Lage“ wurde 1898 einem „Arbeitsstatistischen Amt“ im Handelsministerium zugewiesen. Dem ihm angeschlossene „ständigen Arbeitsbeirat“, der immer häufiger auch zur Gesetzesbegutachtung herangezogen wurde, gehörten zu einem Viertel Arbeitervertreter an.

Eine wesentliche Initiative kam 1917 noch zur Zeit der Donaumonarchie von den tschechischen Sozialdemokraten und Tomáš Garrigue Masaryk. Freie und christliche Gewerkschafter zogen in dieser Sache an einem Strang.

Die Konstituierende Nationalversammlung der Republik Österreich beschloss am 26. Februar 1920 das von Sozialstaatssekretär Ferdinand Hanusch vorgelegte Arbeiterkammergesetz, die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte für jedes der Bundesländer.[3] Hanusch, der auch einer der Vorsitzenden der Reichskommission der Freien Gewerkschaften war, wurde nach dem am 22. Oktober 1920 erfolgten Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der Regierung erster Direktor der Arbeiterkammer in Wien.

1921 wurden die Arbeiterkammern (so die Kurzbezeichnung) den Unternehmerkammern gleichgestellt. Allerdings wurde ihr Begutachtungsrecht für Gesetzesentwürfe von manchen Ministerien zunächst noch ignoriert. Die Arbeiterkammern entwickelten aber binnen relativ kurzer Zeit kompetente Expertenstäbe für ihr Lobbying im Sinn der Arbeitnehmerinteressen. 1925 wurde in Wien die erste AK-Frauenabteilung geschaffen, ihre Leiterin war die später vom NS-Regime ermordete Käthe Leichter. Als Mitarbeiterin einer AK-Hilfsaktion für Arbeitslose entwickelten die Mitglieder eines Wissenschafterteams um Marie Jahoda ihre bedeutende Studie über die Folgen von Arbeitslosigkeit im niederösterreichischen Marienthal. In der Wirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre entwickelte die AK Wien das Konzept „Jugend am Werk“ mit Werkstätten für arbeitslose Jugendliche. Diese Aktion wurde auch nach 1934 weitergeführt.

1934 bis 1938 wurden die Arbeiterkammern zwar nicht aufgelöst, aber mit Gefolgsleuten des autoritären Regimes besetzt. 1938 wurde ihr Vermögen in die Deutsche Arbeitsfront eingegliedert. Nach Kriegsende kam es am 25. August 1945 zur Konstituierung der Arbeiterkammer-Vollversammlungen Wien-Niederösterreich-Burgenland, in der Folge konstituierten sich die AKs Tirol am 13. April 1946, Oberösterreich am 11. Mai 1946, Salzburg am 11. Mai 1946, Vorarlberg am 22. Juni 1946, Steiermark am 29. Juli 1946, Kärnten am 11. September 1946, Burgenland (separat) am 4. Oktober 1948 und Niederösterreich (separat) am 6. Oktober 1948.

Schon am 20. Juli 1945 hatte die provisorische Staatsregierung das Gesetz über die Wiedererrichtung der Arbeiterkammern erlassen – anerkannt zunächst aber nur von den Sowjets, in den Besatzungszonen der USA, Großbritanniens und Frankreichs dann Ende 1945. Deshalb fanden auch die AK-Konstituierungen außer für den Bereich AK Wien-Niederösterreich-Burgenland erst 1946 statt.

Jahrzehntelang bildete das Arbeiterkammergesetz 1954 die Rechtsbasis der Tätigkeit dieser offiziellen Interessenvertretung der Arbeitnehmerseite, mit 1992 trat aber ein neues Gesetz in Kraft. Nach zunehmender Kritik an der Pflichtmitgliedschaft und steuerähnlichen Umlagenfinanzierung der gesetzlichen Interessenvertretungen führten 1996 die österreichischen Arbeiterkammern eine Mitgliederbefragung durch. Die Frage lautete: „Sind Sie dafür, dass die Kammer für Arbeiter und Angestellte als gesetzliche Interessenvertretung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen bleibt?“ Sie wurde mit deutlicher Mehrheit bejaht.[4]

Politische Gruppierungen

(**) Fraktionen nur in Kärnten

AK-Präsidenten 1921–1934

Wien und Niederösterreich: Franz Domes, Karl Weigl

Burgenland (bestellte Beiratsvorsitzende ab 1925): Theodor Meissner, Johann Böhm

Kärnten: Hans Veit, Johann Sachan

Oberösterreich: Hans Pregant

Salzburg: Franz Pühringer, Hans Geigl, Jakob Auer, Johann Elias, Karl Emminger

Steiermark: Hans Muchitsch

Tirol: Wilhelm Scheibein

Vorarlberg: Wilhelm Sieß

AK – Präsidenten der Bundesländer (nach 1945)

  • Wien, Niederösterreich, Burgenland
Karl Krisch (1945)
(AK in Wien) Karl Mantler (1945–1948)
  • Burgenland
Friedrich Szenkuröck (1948–1961)
Franz Babanitz (1961–1983)
  • Kärnten
Julius Lukas (1946)
Paul Truppe (1946–1958)
Josef Greinecker gf. Präsident (1958/1959)
Hans Scheiber (1959–1969)
Ernst Stecher (1969–1979)
Josef Quantschnig (1979–2002)
Günther Goach (ab 2002)
  • Niederösterreich
Josef Fuchs (1948–1964)
Franz Horr (1964–1974)
Josef Hesoun (1974–1991)
Karl Hundsmüller (1991–1994)
Josef Staudinger (1994–2009)
Hermann Haneder (ab 2009)
  • Oberösterreich
Heinrich Kandl (1946–1959)
Franz Thanhofer (1959–1968)
Sepp Schmidl (1968–1982)
Fritz Freyschlag (1982–1999)
Hubert Wipplinger (1999–2003)
Johann Kalliauer (ab 2003)
  • Salzburg
Hans Webersdorfer (1945/46–1955)
Ferdinand Putz (1955–1956 Geschäftsführung als Vizepräsident)
Josef Horak (1956–1965)
Karl Steinocher (1965–1966)
Josef Brunauer (1966–1983)
Herbert Suko (1983–1998)
Alexander Böhm (1998–2003)
Siegfried Pichler (ab 2003)
  • Steiermark
Otto Möbes (1946–1953)
Eduard Schwarz (1953–1975)
Franz Ileschitz (1975–1987)
Alois Rechberger (1987–1990)
Erich Schmid (1990–1995)
Walter Rotschädl (ab 1995)
  • Tirol
Josef Wilberger (1946–1949)
Josef Gänsinger (1949–1964)
Hermann Schmidberger (1964–1974)
Karl Gruber (1974–1984)
Ekkehart Abenstein (1984/85)
Josef Kern (1985–1991)
Friedrich Dinkhauser (ab 1991)
  • Vorarlberg
Anton Lindner (1946–1956)
Karl Graf (1956–1967)
Heinrich Grassner (1967–1969)
Bertram Jäger (1969–1987)
Josef Fink (ab 1987)
  • Wien (+ ÖAKT/BAK-Präsidenten)
Karl Mantler (1948–1955)
Karl Maisel (1956–1964)
Wilhelm Hrdlitschka (1964–1976)
Adolf Czettel (1976–1988)
Heinz Vogler (1988–1994)
Eleonore Hostasch (1994–1997)
Herbert Tumpel (ab 1997)

Aktuelle Kammerpräsidenten

Präsidenten der Bundesarbeitskammer (vor 1992 Arbeiterkammertag)

Erste Republik

Zweite Republik

Vor 1992 übernahm automatisch der Präsident der Wiener Arbeiterkammer die Funktion des Präsidenten des Arbeiterkammertages.

Kulturelles Engagement

Die Arbeiterkammer ermöglichte von 2001–2005 das Kunstprojekt „Arbeitswelten“. Diese umfangreiche Ausstellungsreihe von museum in progress fand im öffentlichen Stadtraum in den Medien Plakat, auf Infoscreens im Wiener U-Bahn-System und in der Tageszeitung Der Standard statt.[5]

Literatur

  • Heidemarie Uhl, Ursula Leiner: Geschichte der steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Ersten Republik. Europaverlag, Wien/Zürich 1991, ISBN 3-203-51156-8.
  • Arbeiterkammer Wien, museum in progress (Hrsg.): Arbeitswelten/Worlds of Work. Wien 2005.

Weblinks

 Commons: Kammer für Arbeiter und Angestellte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Belege

  1. Das Wahlergebnis 2009 auf der AK-Homepage (PDF; 1,05 MB)
  2. Ferdinand Seibt: Lebensbilder zur Geschichte der böhmischen Länder. Band 4, S. 206.
  3. StGBl. Nr. 100 / 1920 (= S. 171)
  4. Arbeit und Wirtschaft Die Arbeiterkammer – 60 Jahre Mitgestalterin der Zweiten Republik
  5. „Arbeitswelten“, ein Projekt von museum in progress

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