Kalkmarsch

Kalkmarsch

Die Kalkmarsch ist ein Bodentyp der Jungmarschen aus holozänen, maritimen Ablagerungen. Kalkmarschen besitzen einen hohen Kalkgehalt, welcher sie zu einem guten Lebensraum für Regenwürmer macht. Entwässert bringen sie höchste Erträge. Dieser Boden ist charakteristisch für die Marschgebiete der niedersächsischen Küstenregion. In der Deutschen Bodensystematik wird er der Abteilung der semiterrestrischen Böden der Klasse M (Marschen) zugeordnet. Die Abkürzung des Bodentyps lautet MC.

Die Kalkmarsch ist der Boden des Jahres 2009.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Verbreitung

Die Entwicklung einer Marsch folgt einem zeitlichen Verlauf über mehrere Stadien. Das erste Stadium, das Watt, ist ein extremer Lebensraum, welcher wegen der zweimal täglichen Überschwemmung eine schnelle Bodenbildung und eine ebenso schnelle Bodenerosion aufweist.[1] Wächst das Watt auf eine Höhe, welche vom Tidenhub nicht mehr erreicht wird, beginnt das zweite Stadium, die Marsch. Nach dem Zwischenstadium der Rohmarsch, die noch episodisch überflutet wird, folgen die nur noch in Ausnahmefällen vom Meer erreichten Jungmarschen. Deren erste Form ist ein bereits gut entwickelter aber noch nicht ausgewaschener Bodentyp: Die Kalkmarsch. Mit der Zeit entwickelt sich dieser zur Kleimarsch weiter. Auf die Jungmarschen folgen im zeitlichen Verlauf die Altmarschen. [1][2]

Kalkmarschen weisen ein maximales Alter von etwa 300 Jahren auf, bevor sie zur Kleimarsch werden. Es muss beachtet werden, dass dieser Bodentyp große Teile seiner Fläche in Deutschland der aktiven Landgewinnung der Küstenbewohner in den letzten Jahrhunderten verdankt. Aus zwei Gründen wird diese seit Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr betrieben: Zum einen kommt den Deichen in Deutschland nur noch eine Küstenschutzfunktion zu. Zum anderen stehen Rohmarschen mit ihrer typischen Vegetation (Salzwiese) unter strengem Naturschutz. Da "neue" Jungmarschen nur noch natürlich gebildet werden, ist in den nächsten Jahrhunderten eine Flächenabnahme dieses Bodentyps zu erwarten.

Die weltweiten Flächen des Marschlands sind eher gering. Eines der größten zusammenhängenden Gebiete erstreckt sich in Mitteleuropa entlang der Nordseeküste von Dänemark bis Belgien und auch an der südöstlichen Küste der britischen Inseln.[3]

Horizontfolge

Eine Jungmarsch ist in der KA5 als Kalkmarsch definiert, wenn in den obersten 40 cm des Bodens freier Kalk nachweisbar ist (Knackgeräusche oder Bläschenbildung nach Zugabe von Salzsäure). Ebenfalls in den ersten 40 cm muss der Grundwassereinfluss beginnen. Die Tiefe des Bodens beträgt 120 cm oder mehr. Neben einem Oberbodenhorizont (A-Horizont) treten mindestend zwei grundwasserbeeinflusste Horizonte (G-Horizonte) auf.

In der weltweiten Bodenansprache der WRB werden Marschen nicht eigens unterschieden. Sie gehören dort zu anderen wasserbeeinflussten Bodengruppen. Möglich sind calcaric Fluvisols oder calcaric Gleysols.

Horizontierung: (e)Ah/eGo/(z)eGr

  • Das 'e' steht für mergelig und deutet auf den Kalkanteil durch Muschelschalen hin, der im Oberboden bereits stark abgenommen haben kann.
  • Das 'z' bedeutet salzhaltig. Wegen der Aussüßung ist Salz auf tiefere Horizonte beschränkt. Es liegt nur in marinen Kalkmarschen vor (siehe Subtypen).
  • Ap bzw. Ah – Der Oberboden ist durch eine braun-schwarze Färbung gekennzeichnet. Der oft feinsandig-schluffige Lehm dieses Horizonts ist gut durchwurzelbar, stark belebt und besitzt eine mittlere Humosität. Er ist ausgesüßt, belüftet und hat ein stabiles Gefüge. [4] Ah-Horizonte ('A' - Oberboden; 'h' - humos) sind selten, da Kalkmarschen eigentlich immer landwirtschaftlich genutzt werden. In der Regel kann von einem Ap ('A' - Oberboden; 'p' - gepflügt) ausgegangen werden. Die Tiefe des Horizonts beträgt wegen der Pflugtiefe etwa 30 cm.
  • Go – Unter dem belüfteten Oberboden folgt ein vom Grundwasser beeinflusster G-Horizont, in dem allerdings noch Oxidationsprozesse vorherrschen ('o' - oxidativ). In ihm laufen Prozesse der Vergleyung ab. Er weist rotbraune Rostflecken auf und muss in den obersten 40 cm beginnen.[4]
  • Gr – Bis zum pleistozänen Untergrund schließt sich ein weiterer grundwasserbeeinflusster Horizont an, in dem reduktive Prozesse ('r') dominieren. Die dunkle, nahezu schwarze Farbe entsteht durch das hier noch in großen Mengen vorliegende Eisensulfid.[4]

Teilweise sind Übergänge zwischen Go und Gr möglich (Gor bzw. Gro).

Subtypen

Das Wasser, das im Boden schwankt, kann Salz- und Süßwasser sein oder auch Brackmarsch. Dies ist in Flussdeltas häufig der Fall.[2] In der KA5 werden drei Subtypen unterschieden:

  • Normkalkmarsch: tm(e)Ah... 'tm' steht für tidal-marin. Die Sedimente stammen aus dem Tidenhub des Meeres (Typische Kalkmarsch; Seemarsch).
  • Brackkalkmarsch: tb(e)Ah... 'tb' steht für tidal-brackisch. Die Sedimente stammen aus dem Tidenhub der Brackwasserzonen.
  • Flusskalkmarsch : tp(e)Ah... 'tp' steht für perimarin (tidal-fluviatil). Die Sedimente stammen aus dem Tidenhub eines Flusses.

Eigenschaften

Im Wesentlichen sind die vom Meer angespülten litoralen Sedimente entscheidend für die charakteristischen Eigenschaften der Kalkmarsch. Die Sedimentpakete aus Schlick reichen bis zum pleistozänen Untergrund in vielen Metern Tiefe. Wenn das Stadium der Kalkmarsch erreicht wurde, sind die Böden weiter entwickelt als die Rohmarschen. Die einst hohen Salzfrachten sind durch Niederschläge ausgewaschen (Aussüßung). Wegen der Küstennähe kommt es aber über Gischt und Meerwind zur kontinuierlichen, geringen Salzzufuhr (ca. 200 kg/ha a).

Durch die bodenbildenden Prozesse ist ein lockeres, stabiles Krümelgefüge entstanden, das leicht zu bearbeiten ist. Die Bodenarten sind mehr oder weniger schluffreich. Ein wesentliches Erbe des Meeres ist der hohe Kalkgehalt durch zerriebene Muschelschalen. Deshalb weist der Boden relativ hohe pH-Werte im leicht sauren bis neutralen Bereich auf. [2] Als Humus bildet sich bei diesen Bedingungen leicht abbaubarer Mull (Humusform). [3]

Der gesamte Bodenkörper enthält große Mengen leicht zersetzbarer organischer Substanz aus den ehemaligen Gezeitenströmen. Dieses Substrat stellt ein optimales Habitat für Bodenlebewesen wie tiefgrabende Regenwürmer (Lumbricus terrestris) dar. Die Böden der Kalkmarschen sind stark belebt und unterliegen einer hohen biologischen Durchmischung (Bioturbation). Der Bodenkörper wird noch von feinen Sturmflutschichten durchzogen, die allerdings langsam unkenntlich werden.

Durch das Zurückziehen des Wassers, die beginnende Vegetation auf dem A-Horizont und die anthropogene Drainage hebt sich der Boden an. Dies hat eine zunehmende Entwässerung zur Folge. Durch die Belüftung nimmt der ehemals sehr geringmächtige sauerstoffhaltige Oxidationsbereich (Go) zu. Der vernässte Reduktionsbereich (Gr) sinkt ab. [3] Die im Watt in großen Mengen gebildeten schwarzen Eisensulfide werden unter Einfluss von Sauerstoff rasch oxidiert. Im A und Go-Horizont, sind sie deshalb nicht mehr nachweisbar. Durch die Oxidation der Schwefelverbindungen sinkt aber der pH-Wert ab und der Kalk wird rascher als normal ausgewaschen (Schwefeldynamik der Marschen.

Zusammenfassend basiert die hohe Fruchtbarkeit der Kalkmarschen auf folgenden Parametern:

Nutzung

In gerade eingedeichten Gebieten wird die Jungmarsch noch als Weideland genutzt.[3] Dieser Zustand wurde aber in der Vergangenheit wegen der extrem hohen Bodenfruchtbarkeit möglichst schnell durch Drainagen und Eindeichung verändert. Eine Entwässerung kann durch Gräben stattfinden, heute werden Rohrentwässerungen genutzt. Sobald der Boden stark genug entwässert ist, wird die Nutzbarkeit erhöht. Kalkmarschen werden, wann immer es möglich ist, intensiv landwirtschaftlich genutzt.[2] Die Erträge der Kalkmarsch sind sehr gut, da die Vegetation gut wurzeln kann und die Umsetzung des organischen Materials im Boden die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt. Wald siedelt sich nicht an, da verbreitete Baumarten salzempfindlich sind. [1] Die Kalkmarschen an der Nordseeküste weisen höchste Bodenwertzahlen bis über 100 auf, die zum Teil gleichhoch wie die der Schwarzerden in den Bördelandschaften sind. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei etwa 85 Bodenpunkten. Dies ist der Grund für den historischen Reichtum der Marschbauern. Typische Kulturen sind Weizen oder Kohl (Dithmarschen).

Literatur

  • Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden; Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Dienstern der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Bodenkundliche Kartieranleitung. 5. überarb. u. erw. Aufl Auflage. Hannover 2005, ISBN 3-510-95920-5, S. 438.
  • Hintermaier-Erhard, Gerd und Zech, Wolfgang: Wörterbuch der Bodenkunde. Enke Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-43229971-6.
  • Mückenhausen, Eduard: Die Bodenkunde und ihre geologischen, geomorphologischen, mineralogischen und petrologischen Grundlagen. DLG-Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-7690-0511-0.
  • Scheffer, Fritz und Schachtschabel, Paul: Lehrbuch der Bodenkunde. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 978-382741324-6.
  • Scheffer, Fritz und Schachtschabel, Paul: Lehrbuch der Bodenkunde. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-1444-1.
  • Schlichting, Ernst: Einführung in die Bodenkunde. Verlag Paul Parey, Hamburg/Berlin 1986, ISBN 978-3-49020015-0.

Einzelnachweise

  1. a b c siehe Schlichting 1986, S. 90–92
  2. a b c d siehe Mückenhausen 1993, S. 470 f.
  3. a b c d siehe Scheffer/Schachtschabel 2002, S. 511–514
  4. a b c siehe Mückenhausen 1993, Anhang Tafel 21

Weblinks


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