Kalavrita

Kalavrita

Kalavryta oder Kalavrita (griechisch Καλάβρυτα (n. pl.)) ist mit ca. 2000 Einwohnern ein kleiner Ort in der Präfektur Achaia im Norden der Peloponnes und erlangte aufgrund eines Massakers vom 13. Dezember 1943 traurige Berühmtheit.

Der Ort liegt im fruchtbaren Hochtal des zum Golf von Korinth entwässernden Flusses Vouraikos am südlichen Hang in ca. 740 m Höhe, westlich flankiert vom Gebirgsmassiv des Erymanthos, 2221 m, vgl. (das Panoramabild). Östlich dominiert, in großer Nähe, das Gebirgsmassiv des Aroania, 2338 m.

In dieser Gebirgslandschaft kommt es zwischen Dezember und April zu reichlichen Niederschlägen. Der Fluss führt daher normalerweise das ganze Jahr über Wasser, obwohl diese Landschaft, wie fast der ganze Peloponnes, durch Karstphänomene und sehr regenarme Sommer geprägt ist.

Inhaltsverzeichnis

Kalavrita heute

Nach Klima, Gebirgslage und Verkehrsanbindungen gehört Kalavrita wie der Großteil des inneren Peloponnes zu den durch Strukturschwächen und Landflucht geprägten Städten und Dörfern, in welchen landwirtschaftliche Produktion ohne wirtschaftliche Zukunft ist und arbeitsplatzschaffende, umfangreiche Infrastrukturentwicklungen nicht finanzierbar sind. In der Region wurde daher der Tourismus, heute auch Agro-Tourismus, gefördert. Die wichtigste Straßenanbindung nach Diakopto an der Nordküste (ca. 40 km) gehört auch nach den erfolgten guten (2005) Ausbaumaßnahmen zur Kategorie der kurvenreichen „Landstraßen mit lokaler Bedeutung“. Die weiteren Verbindungen nach Nordwesten (Patras, 75 km) und Südosten (Tripolis, 90 km) bleiben ebenfalls kurvenreiche Trassen durch Gebirgslandschaft. Die Zahnradbahn von Diakopto nach Kalavrita, eine 1885 geschaffene Schmalspurbahn mit einer Spurweite von 750 mm hat heute große Bedeutung für den touristischen Verkehr und ist durch die Beschaffung neuer Triebfahrzeuge langfristig im Bestand gesichert.

Der Ort ist ein gepflegtes Häuser- und Straßenensemble mit einer baumbestandenen Platia, mehreren Hotels, einem Museum und einer nationalen Gedenkstätte. Wirtschaftlich gesehen ist der überwiegend innergriechische Tourismus (Sommerfrische, Wandern und gute Wintersport-Infrastruktur) eine Chance für Prosperität.

Wandern ist besonders eindrucksvoll, wenn bei „mitteleuropäischem Wetter“ noch alles grünt und blüht (Ende April bis Mitte Juni). Neben Hochwanderungen ist die Wanderung durch das Vouraikos-Hochtal und dann durch die Schlucht (entlang der Bahntrasse) lohnend.

Der Ort ist von Athen über Straßen oder per Bahn erreichbar. Seit Eröffnung der modernen Bahnverbindung vom Airport Athen nach Korinth im Jahr 2005 mit Direktanschluss an die meterspurige Schmalspurbahn Korinth-Diakopto-Patras ist Diakopto per Bahn schneller als per Straße zu erreichen.

Geschichte

Der Ort Kalavrita ist besonders durch zwei geschichtliche Ereignisse bekannt.

Am 25. März 1821 segnete der Metropolit (Bischof) Germanos von Patras im nahegelegenen Kloster Agia Lavra die Fahne der Befreiungskämpfer. Seitdem ist das Kloster ein Nationalheiligtum und der 25. März inzwischen Nationalfeiertag.

Während der deutschen Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg kam es Mitte Oktober 1943 zur Gefangennahme von rund 80 deutschen Soldaten durch Partisanen der Griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS. Die Partisanen hatten im Raum Kalavrita eine starke Position, obwohl die überwiegend konservativ eingestellte Bevölkerung ihnen gegenüber als distanziert galt. Es ist aus den zahlreich vorhandenen Dokumenten der Wehrmacht nicht feststellbar, ob die Forderung der Partisanen nach Austausch der gefangenen Soldaten gegen in deutscher Hand befindliche griechische Geiseln ernsthaft erwogen wurde. Ende November war der Befehl für das „Unternehmen Kalavrita“ (Vernichtung der „Banden“ (Banden=Partisanen) und eine Vergeltungsaktion) schon ergangen. Die folgenden vermehrten Truppenbewegungen in das Gebiet von Kalavrita konnten den Partisanen nicht entgangen sein. Am 7. Dezember, rund 2 Monate nach der Festnahme, wurden die deutschen Soldaten getötet und am 8. Dezember von den Besatzern tot aufgefunden.

Daraufhin erging der Befehl zur „schärfsten Form der Sühnemaßnahmen“. Die unter dem Kommando des Generals der Gebirgstruppe Karl von Le Suire stehende 117. Jägerdivision begann am folgenden Tag, dem 9. Dezember, mit der Zerstörung von Kalavrita und 25 Dörfern. Auch das oben genannte Nationalheiligtum Kloster Agía Lávra wurde völlig zerstört (was die Empörung der Griechen noch steigerte und bis heute nachwirkt). Am 13. Dezember wurden alle Dorfbewohner zur Schule befohlen. Dort blieben die Frauen und Kinder zurück. Alle Männer wurden oberhalb des Ortes geführt und dort mit Maschinengewehrfeuer hingerichtet. 13 Männer überlebten das Massaker, weil sie von den Deutschen für tot gehalten wurden. Der Ort wurde in Schutt und Asche gelegt.

Zitate aus der unten genannten in allen Einzelheiten vor Ort und wissenschaftlich recherchierten Publikation von E. Rondholz:

„Kampfgruppenführer Ebersberger meldete 674 Erschossene. In der Abschlussmeldung an das General-Kommando des LXVIII. Armeekorps ist von 695 erschossenen Griechen im Verlauf des gesamten ‚Unternehmens Kalavryta‘ die Rede. (..) die Griechen gehen ihrerseits bis heute von einer wesentlich höheren Zahl von Toten aus“ (S. 144).

Der mit der Wehrmacht kollaborierende griechische Ministerpräsident Ioannis Rallis schrieb in einem im Ton devoten Brief an den Militärbefehlshaber Griechenland, General Wilhelm Speidel, sechs Tage nach dem Massaker:

„Gestern erhielt ich Nachrichten, nach denen fast die gesamte männliche Bevölkerung der Stadt Kalavrita Massenhinrichtungen (...) zum Opfer fielen. Wenn meine Informationen richtig sind, betrugen die Opfer der Massenhinrichtung mehr als 650.“ (Rondholz, S. 157).

Oberhalb des Ortes wurde eine Gedenkstätte errichtet. In hohe Betonwände sind die Namen aller Ermordeten eingegossen. Ein großes weißes Kreuz ist von jeder Position des Tals und des Ortes aus sichtbar. In der Mitte der Anlage befindet sich eine Betonskulptur, die eine trauernde Mutter zeigt. Auf dem Gelände sind mit großen weißen Steinlettern die Inschriften „OXI ΠIA ΠOΛEMOI“ (Nie wieder Krieg) und „ΕΙΡΗΝΗ“ (Frieden) gelegt. Am 1. April 2000 besuchte der deutsche Bundespräsident Johannes Rau Kalavrita und legte am Mahnmal einen Kranz nieder.

Der Völkerrechtler Norman Paech schrieb 2000 in Der juristische Schatten...:

„Trotz Hunderten von Ermittlungsverfahren wurde wegen Kriegsverbrechen in Griechenland nur ein Hauptverfahren vor dem Landgericht Augsburg eröffnet. Es ging um die Erschießung von sechs Zivilisten auf Kreta. Das Gericht übernahm den Standpunkt der Wehrmacht, (...), so qualifizierte das Landgericht diese Hinrichtungen als ‚völkerrechtliche Notwehr‘ und sprach den angeklagten Hauptmann frei...Alle Bundesregierungen einschließlich der jetzigen haben sich bisher geweigert, mit der griechischen Regierung in Verhandlungen über die ungelöste Frage der Entschädigung für die Opfer der damaligen Massaker einzutreten.“

In Griechenland waren Klagen von Angehörigen der Opfer auf Wiedergutmachung von Gerichten mit der Begründung abgewiesen worden, die Bundesrepublik Deutschland genieße als souveräner Staat Immunität (d.h. ein Staat - die Bundesrepublik - kann nicht vor einem Gericht eines anderen Staates - Griechenlands - verklagt werden[1]). Am 15. Februar 2007 wies auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg Schadensersatzansprüche an Deutschland wegen dieses Massakers der Wehrmacht ab. Die Kläger hatten versucht, ihre Ansprüche juristisch auf ein EU-internes Übereinkommen über die Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen aus dem Jahre 1968 zu stützen, das der Gerichtshof aber in seinem Urteil für diesen Fall als nicht anwendbar ansah.[2]

Persönlichkeiten

  • Thrasivoulos Zaimis (*1822, Kalavryta; †1880). Griechischer Politiker und Ministerpräsident Griechenland (1869 bis 1870 und 1871 bis 1872).

Einzelnachweise

  1. beck-online
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 2007, S.1

Literatur

  • Eberhard Rondholz: Schärfste Maßnahmen gegen die Banden sind notwendig ... – Partisanenbekämpfung und Kriegsverbrechen in Griechenland. Aspekte der deutschen Okkupationspolitik 1941–1944. in: Repression und Kriegsverbrechen, die Bekämpfung von Widerstands- und Partisanenbewegungen gegen die deutsche Besatzung in West- und Südeuropa. Hrsg.: Ahlrich Meyer; Berlin 1997
  • Von Lidice bis Kalavryta: Widerstand und Besatzungsterror; Studien zur Repressalienpraxis im Zweiten Weltkrieg. Hrsg: Droulia, Loukia und Fleischer, Hagen; Berlin, 1999
  • Norman Paech: Der Juristische Schatten der Wehrmachtsverbrechen in Griechenland. in: www.hwp-hamburg.de/fach/fg_jura/dozentinnen/paech/Wehrmachtsverbrechen.htm (2000?)
  • Frank Hermann Meyer: Von Wien nach Kalavryta. Die blutige Spur der 117. Jäger-Division durch Serbien und Griechenland. Mannheim/Möhnesee 2002, ISBN 3-933925-22-3

Weblinks

38.03083333333322.1086111111117Koordinaten: 38° 2′ N, 22° 7′ O


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