Kabelpilotprojekt

Kabelpilotprojekt

Die Kabelpilotprojekte waren Großversuche zur Erforschung der Auswirkungen der möglichen Programmvermehrung von Hörfunk und Fernsehen per Kabelfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren. Die Durchführung dieser rund 140 Millionen DM teuren Projekte war bereits 1976 von den Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossen worden. Als Projektorte sind Berlin, Dortmund, Mannheim/Ludwigshafen und München ausgesucht worden. Zur Vorbereitung wurde in diesen Städten ab 1982 der Ausbau der Kabelnetze durch die Deutsche Bundespost begonnen, zunächst beschränkte sich die Programmbelegung jedoch auf die ortsüblich empfangbaren Sender. Die Projekte starteten dann 1984 bzw. 1985 in Form von Einspeisung von bis zu 26 Fernsehprogrammen sowie zusätzlicher Hörfunkprogramme, darunter sowohl neue Angebote öffentlich-rechtlicher, ausländischer Programme, als auch erstmals in der Bundesrepublik produziertes Privatfernsehen. Für die Zulassung privater Hörfunk- und Fernsehveranstalter mussten die bestehenden Landesrundfunkgesetze geändert werden, da bisher Privatrundfunk nicht erlaubt war. Als erstes Land änderte Niedersachsen im Mai 1984 das Landesgesetz hierzu.

Finanziert wurden sie durch eine am 11. Mai 1978 beschlossene Erhöhung der Rundfunkgebühr, den sogenannten „Kabelgroschen“ im Umfang von monatlich 0,20 DM.

Im Rahmen der Projekte wurden verschiedene neuartige Techniken und Dienste getestet, deren Akzeptanz und Auswirkungen in umfangreichen Begleitstudien dokumentiert wurde. Die Studien sollten eine Grundlage für die politische Entscheidung über den weiteren Ausbau der Kabelnetze und die Zulassung des Privatfernsehens bilden. Allerdings waren diese Medien bei Projektende bereits bundesweit etabliert. In Werbeaussagen der Deutschen Bundespost wurde auch in Bildmontagen darauf hingewiesen das ein Fernsehempfang mit der Hausantennen durch einen Kabelempfang wegfallen würde und somit auch das Erscheinungsbild der Häuser einer Stadt und Gemeinde verschönere.

Inhaltsverzeichnis

Die Projekte

Ludwigshafen

Das Projekt wurde als erstes gestartet und bildete damit den Start des Kabelfernsehens und des privaten Fernsehens und Hörfunks in Deutschland. Es startete, betrieben durch die Anstalt für Kabelkommunikation (AKK), am 1. Januar 1984 um 9:45 Uhr in einem Kellerstudio in Ludwigshafen am Rhein-Nördliche Innenstadt und war zunächst auf zwei Jahre ausgelegt. Aufgrund der großen Akzeptanz in der Bevölkerung wurde der private Rundfunk im Fernseh- und Hörfunk-Bereich jedoch weitergeführt und ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Helmut Kohl sowie Leo Kirch waren an der Erstellung des „Gesetzes über den Versuch mit Breitbandkabel“ mit ihrer Unterstützung beteiligt.

Bis März 1984 waren 2.600 Haushalte in Ludwigshafen an das Kabelnetz angeschlossen und es wurden 11 bestehende Fernsehsender darunter auch Auslandssender sowie 20 Hörfunkprogramme über das Kabelnetz verbreitet. Der erste Privatsender war die PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfunk), die Vorgängerin von Sat.1, die durch Fernsehwerbung ihr Programm finanzierte. Die Werbung durfte maximal nur 20 Prozent des Gesamtprogramms ausmachen und nur in zwei Blöcken zwischen einzelnen Sendungen ausgestrahlt werden. Den ersten Satz ("Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland") sprach um 9:58 Uhr der damalige Geschäftsführer der Frankfurter PKS und später auch des Nachfolgers Sat.1 Jürgen Doetz zusammen mit Irene Joest.

Berlin

Das Berliner Kabelpilotprojekt startete mit der IFA am 26. August 1985 mit der Einspeisung von 26 Fernsehprogrammen und einer Anzahl zusätzlicher Hörfunksender, darunter ein Offener Kanal.

München

In München beteiligten sich bei Sendebeginn ab April 1984 etwa 700 Haushalte und das Kabelpilotprojekt wurde von der Münchener Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation (MPK) betrieben. Ende 1984 ist die Stadt München, die zu 10 Prozent an der MPK beteiligt war, ausgestiegen, mit der Begründung, dass es den Charakter eines Versuchs verloren hätte und eine fundierte wissenschaftliche Begleitforschung nicht gewährleistete.

Kabelprogramme im Münchener Pilotprojekt im April 1984
Fernsehen Hörfunk
ARD Bayern 1
ZDF Bayern 2 (Bayern)
Bayerisches Fernsehen (BR) Bayern 3
ORF 1 (Österreich) Bayern 2 (München)
ORF 2 (Österreich) Bayern 4
MPK (Münchener Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation) Ö1 (Österreich)
Bayerisches Fernsehen "Jugend-Spiel-Sport" Ö2 (Radio Salzburg)
ZDF 2 (zeitversetzes ZDF-Satellitenprogramm) Ö2 (Radio Oberösterreich)
Movie Channel 1 (Kinokanal von Artur Brauner, nur bis Mai 1985) Ö3 (Österreich)
Kabelmedia (Music Box) American Forces Network (AFN)
ZDF-Musikkanal (ab Dezember 1984: 3sat SDR 1
Bayerisches Fernsehen "TV-Kultur-Club" SDR 2
Sky Channel (englischsprachiges Satellitenprogramm) SDR 3
TV5 (französisch-belgisch-schweizerisches Satellitenprogramm) DRS 1 (Schweiz)
S 3 (Südwest 3) DRS 2 (Schweiz)
SRG 1 (Schweiz) Deutschlandfunk (DLF)
Unser kleines Theater (bayerisches Volkstheater) Radio Brenner (privater Hörfunksender aus Südtirol)
Teleclub Zürich (schweizerisches Satellitenprogramm) Bayern 4 (München)
ECS-TV (Satellitenprogramm war noch nicht vergeben) M 1 - Studio München (lokaler privater Sender und
Ableger des aus Südtirol stammenden Piratensenders "M 1")
Telespiele Deutscher Medien Club
Kabelzeitung (betrieben durch Zeitungsverleger) City Welle München
Radio Aktiv (privater Hörfunksender in München)
Sendeplatz für die christlichen Kirchen

Kosten für die Teilnehmer an Pilotprojekten

Nach dem Stand von Mai 1984 entstanden folgende Kosten:

  • 250 bis 300 DM für die Verlegung der Kabel innerhalb eines Hauses,
  • 120 DM Kabelanschlußkosten, 3 Monate nach der Verkabelung eines Gebietes betrugen diese 250 DM,
  • 200 DM für einen Konverter mit Abruftechnik für den Rückkanal des Kabelanschlusses (ein Ferngesteuertes Adressierbares Teilnehmer-Konverter-System (FAT) der Antennenbaufirma Fuba) zum Empfang für geplante Pay-TV-Programme. Alternativ konnte dieser auch für 2,50 DM monatlich gemietet werden.
  • 6 DM monatliche Postgebühren,
  • sowie Gebühren der Träger des Pilotprojektes. Bei der Münchener Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation (MPK) lag diese monatlich bei 10,25 DM und bei der Anstalt für Kabelkommunikation Ludwigshafen (AKK) monatlich 5,00 DM.

Vorgänger

In Altenholz soll 1978 die erste Kopfstelle in Betrieb gegangen sein, 1983 auf dem Kieler Fernsehturm die erste Satellitenempfangsanlage (SEE). Die Unterlagen über diese Anlagen liegen bei der Deutschen Telekom, die die damaligen Vorgänge allerdings nicht öffentlich dokumentiert, weswegen eine Rekonstruierung schwierig ist. Sollten diese Daten tatsächlich Fakten sein, wäre in Westdeutschland die Geburtsstunde des Kabelfernsehens nicht in Ludwigshafen sondern in Kiel zu finden. Der private Rundfunk mit Fernsehen und Radio ist allerdings weiterhin mit Geburtsort in Ludwigshafen vorzufinden. In der DDR gab es bereits Ende der 1970er Jahre private kleinere Kabelnetze, die auch den Empfang von westdeutschen Programmen ermöglichten.

Siehe auch

Weblinks


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