Jürgen Ponto

Jürgen Ponto

Jürgen Ponto (* 17. Dezember 1923 in Bad Nauheim; † 30. Juli 1977 in Frankfurt am Main) war Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Der Bankier wurde von Mitgliedern der Rote Armee Fraktion ermordet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie verbrachte er durch die Handelsgeschäfte der Familie einige Kindheitsjahre in Lateinamerika. Er war der Neffe des Schauspielers Erich Ponto.

Er schloss 1942 sein Abitur am Wilhelm-Gymnasium Hamburg ab. Nachdem er in den letzten Kriegsjahren zur Wehrmacht eingezogen worden war, erlitt er im Russlandfeldzug schwere Verwundungen, die 1944 seine Entlassung zur Folge hatten.

Ponto begann nach 1945 ein Studium der Rechtswissenschaften, das er mit beiden Staatsexamina abschloss. Im Anschluss daran war er kurze Zeit als Anwalt tätig. Eine Tätigkeit als Hausjurist für die Dresdner Bank folgte ab 1950, die durch ein Auslandsstudium an der Universität Seattle (USA) vorübergehend unterbrochen wurde.

1950/51 absolvierte Ponto im Rahmen seines Jurastudiums ein halbjähriges Referendariat in der von Joachim Entzian geleiteten Rechtsabteilung. Entzian gab Ponto eine gute Beurteilung und stellte ihn 1951 als Volontär ein. Auch in der Folge förderte er ihn. 1959 wurde Ponto als Chefsyndikus der Dresdner Bank AG, Hauptverwaltung Hamburg, zum Nachfolger von Entzian ernannt.[1]

In den folgenden Jahren leitete Ponto in der Dresdner Bank das Ressort Geld und Kredit. 1969 löste er den bisherigen Chef der Dresdner Bank, Erich Vierhub, als Vorstandssprecher ab. Der bisher eher unbekannte Bankier machte sich in der Folge durch die Umwandlung der Dresdner Bank in eine internationale Geschäftsbank einen Namen. Aufgrund seiner wachsenden öffentlichen Anerkennung als Bank- und Finanzexperte war Pontos Rat zunehmend auch in der Politik gefragt.

Der künstlerisch interessierte Ponto gründete 1972 zusammen mit Herbert von Karajan eine Stiftung der Dresdner Bank zur Unterstützung junger Musiktalente. Außerdem rief er eine Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des deutschen Musiklebens ins Leben.

Zusätzlich fungierte Ponto als Berater des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Seine herausragende Stellung in der deutschen Bankenlandschaft nebst führender Posten in der Wirtschaft rückte ihn in das Visier der RAF.

Hintergründe der Ermordung

Am 29. Juli 1977 wurde Susanne Albrecht von ihren Eltern für den nächsten Tag um halb fünf zu einem Besuch im Haus der Pontos in Oberursel angekündigt.[2] Albrecht war die Tochter eines ehemaligen Studienfreundes von Ponto und die Schwester von Pontos Patenkind. Dem Bankier war bekannt, dass Susanne Albrecht politisch sehr weit links eingestellt war, er ahnte jedoch nichts von ihren Kontakten zur RAF.

Am Samstag, dem 30. Juli, saßen Jürgen Ponto und seine Frau Ignes auf der Terrasse ihrer Villa. Die beiden wollten am Abend nach Südamerika fliegen. Susanne Albrecht, Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar erschienen um 17:05 Uhr – eine halbe Stunde später als angekündigt. Peter-Jürgen Boock wartete draußen im Fluchtwagen. Nichts ahnend begrüßte Ponto die drei Besucher, bat sie auf die Terrasse und wollte eine Vase für die von Susanne Albrecht mitgebrachten Rosen holen. In unbemerkter Gegenwart von Pontos Frau teilte Klar ihm mit, er solle von der RAF entführt werden. Als Ponto sich zur Wehr setzte, schossen Klar und Mohnhaupt mehrere Male auf Ponto, der schwer verletzt zu Boden sank. Danach stürzten Klar, Mohnhaupt und Albrecht aus dem Haus und flohen mit dem von Boock gesteuerten Ford Granada. Jürgen Ponto erlag später in der Universitätsklinik Frankfurt seinen Verletzungen.[3]

Die „Befreiungsbewegung“ Aktion Roter Morgen bekannte sich am nächsten Tag zu der Tat. Später wurden für dieses RAF-Kommando verurteilt (wegen Mordes bzw. Beihilfe zum Mord): Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann und Susanne Albrecht. Das Verfahren gegen Adelheid Schulz wurde wegen der Verurteilung in anderen Fällen eingestellt. Pontos Ermordung stellte nach der von Siegfried Buback einen weiteren Teil der sogenannten Offensive 77 dar, die wenig später im Deutschen Herbst ihren Höhepunkt erreichte.

Die Terroristen gaben an, es habe bei der versuchten Entführung ein Gerangel gegeben. So gingen auch die Gerichte zunächst davon aus:

  • Der Zweite Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart schrieb in seinem Urteil von 1984: „Während sich Jürgen Ponto so heftig wehrte, löste sich aus dieser Waffe ein Schuss. …“[4]
  • Der Fünfte Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart stellte 1985 fest: „Angesichts des entschlossenen Widerstandes von Ponto erkannten die Täter, dass die beabsichtigte Entführung unmöglich geworden und die ‚Aktion‘ gescheitert war.“[5]

Doch Susanne Albrecht berichtete nach ihrer Festnahme 1990 von drei Geheimnissen in der zweiten Generation der RAF gegenüber Gruppenmitgliedern und Unterstützern. Das erste sei die Ermordung Pontos ohne jeglichen Widerstand des Opfers, das zweite die Selbstmorde von Stammheim und das dritte die Drogensucht von Peter-Jürgen Boock.

Im Gerichtsverfahren von Susanne Albrecht, die zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, stellte der fünfte Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart fest, dass zwischen Ponto und den RAF-Terroristen kein Gerangel stattfand.[6]

Gemäß einer von der Witwe Pontos im Jahr 2009 gemachten Aussage soll es aber tatsächlich zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Ponto und Klar gekommen sein, in deren Verlauf Ponto von der dazukommenden Brigitte Mohnhaupt erschossen worden sein soll. Dieses bestätigt wiederum die Erkenntnisse aus den Verhandlungen gegen Klar und Mohnhaupt.

Der Bankier hinterließ seine Frau Ignes, sowie zwei Kinder.[7] Nach dem Attentat zogen diese in die USA.

Ponto Grabstätte befindet sich auf dem alten Waldfriedhof von Sensbach im Odenwald.

In Andenken an Jürgen Ponto wurden auf dem Oberurseler Rathausplatz ein Brunnen und in Frankfurt a. M. ein Platz in der Innenstadt nach ihm benannt.

Nach dem Erscheinen des Spielfilms Der Baader Meinhof Komplex im September 2008 kritisierte Witwe Ignes Ponto die fehlende historische Authentizität bei der Darstellung der Ermordung ihres Mannes im Film. So seien die laut hörbaren Schüsse im Film in Wirklichkeit mit Schalldämpfern abgegeben worden, Ponto völlig anders als im Film gezeigt auf den Boden gestürzt, der Raum dunkel anstatt lichtdurchflutet gewesen und sei sie während der Tat nicht auf der Terrasse gesessen, sondern im Nachbarraum gewesen. Ignes Ponto strengte deswegen eine Klage gegen die Produktionsfirma Constantin Film an um zu erreichen, dass die Szene nicht mehr gezeigt werden darf.[8] Zuvor hatte Ignes Ponto aus Protest gegen den Film ihr Bundesverdienstkreuz an Bundespräsident Horst Köhler zurück geschickt.[9] Die Zivilkammer des Kölner Landgerichts wies schließlich die Klage der Bankierswitwe im Januar 2009 ab und stellte fest, dass ihre Persönlichkeitsrechte durch den Film nicht verletzt wurden, durch die Szene weder das Lebensbild Pontos verfälscht noch seine Person entwürdigt wurde und die kritisierte Szene im Film auch durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit gedeckt sei.[10]

Veröffentlichungen

  • Strukturprobleme der Kapitalmärkte in internationaler Sicht, 1968
  • Die Rolle der Banken in der Welt von morgen, 1970
  • Banken und Staat im Konflikt. In: „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“, 1973
  • Wirtschaft auf dem Prüfstand, 1975
  • Mut zur Freiheit, 1977

Literatur

  • Julia Albrecht und Corinna Ponto: Patentöchter: Im Schatten der RAF – ein Dialog.[11] Kiepenheuer & Witsch, 2011, ISBN 978-3462042771.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dresdner Bank AG (Hrg.): Jürgen Ponto: Kurzbiographie. Eugen-Gutmann-Gesellschaft e.V., Historisches Archiv der Dresdner Bank. (abgerufen am 16. Januar 2011.)
  2. „Du kennst ja den Herrn Ponto“ von Julia Jüttner, Spiegel Online 28. Juli 2007, abgerufen 29. Juli 2010
  3. „Das Killerkommando mit dem Rosenstrauß“ von Jens Bauszus, Focus Online, 30. Juli 2007, abgerufen 29. Juli 2010
  4. Zweiter Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart: 7. Mai 1984-2-2-StE 5/81 [Boock], Seite 54
  5. Fünfter Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart: 2. April 1985-5-1 StE 1/83 [Mohnhaupt/Klar], Seite 63
  6. Fünfter Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart: 3. Juni 1991-5-StE 4/90 [Albrecht]
  7. Thomas Seythal: Mord an Jürgen Ponto: Die Mörder hatten Blumen dabei, 29. Juli 2007, Zugriff am 20. Februar 2008
  8. Ponto-Witwe geht gerichtlich gegen RAF-Kinofilm vor 1. November 2008
  9. Ponto-Witwe gibt Verdienstkreuz zurück 7. Oktober 2008
  10. Ponto-Witwe scheitert mit Klage gegen RAF-Film 9. Januar 2009
  11. Buch der Woche: Patentöchter – Im Schatten der RAF in: der Freitag, abgerufen am 20. März 2011

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