Analogie (Recht)

Analogie (Recht)

Eine Analogie in der Rechtswissenschaft ist die Übertragung der für einen Tatbestand im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand.

Die Analogie kann vorgenommen werden, wenn für einen bestimmten Sachverhalt keine Rechtsnorm existiert (Regelungslücke). Diese Regelungslücke darf vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen, sondern muss planwidrig sein (Planwidrigkeit). Denn wenn es für einen Sachverhalt keine Regelung im Gesetz gibt, so ist vom Rechtsanwender auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Gesetzgeber eben diesen Fall gerade nicht regeln wollte. In diesem Fall ist es ihm in der Regel verwehrt, diese vom Gesetzgeber beabsichtigte Regelungslücke durch eine Analogie zu schließen. Ob die Regelungslücke im Gesetz planwidrig ist oder nicht ist letztlich immer durch Auslegung der Norm zu ermitteln.

Soweit die Interessenlage vergleichbar ist und das Fehlen einer passenden Rechtsnorm Folge einer planwidrigen Regelungslücke ist, kann die andere Norm entsprechend, also analog auf den Sachverhalt angewendet werden. Eine Regelungslücke liegt vor, wenn der Sachverhalt nicht unter das Gesetz subsumierbar ist. Sie ist planwidrig, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung eines Komplexes schlicht übersehen hat, eine Regelung zu treffen. Oft lässt sich aus den Wertungen der Verfassung oder der Generalklauseln ableiten, dass eine Lücke planwidrig sein muss, weil sich der Gesetzgeber sonst in Widerspruch zu grundsätzlichen Wertungen gesetzt hätte. Die Interessenlage ist vergleichbar, wenn beispielsweise aus Sicht des Betroffenen vom Zufall abhängt, ob eine einschlägige Norm vorhanden ist oder nicht (z. B. der Zeitpunkt der Erledigung eines Verwaltungsaktes bei der Fortsetzungsfeststellungsklage).

Sofern das Gesetz die entsprechende Anwendung von anderen Vorschriften vorsieht, handelt es sich um eine gesetzliche Analogie.

Im materiellen Strafrecht darf die Analogie zu Ungunsten des Angeklagten nicht angewandt werden (siehe Analogieverbot). Eine Analogie zu Gunsten des Täters wird jedoch auch in diesem Gebiet als zulässig erachtet.

Aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes im Verwaltungsrecht sind auch dort Analogien als Grundlage für Grundrechtseingriffe durch die Verwaltung grundsätzlich verboten.

Die Rechtsfigur der Analogie geht auf die Glossatoren zurück, die bei den einzelfallbezogenen Abschnitten der Pandekten jeweils prüften, ob die Rechtssätze auf ähnliche Fälle anwendbar seien.

Das Gegenstück zur Analogie ist die teleologische Reduktion, bei der der Tatbestand einer Norm im Nachhinein nicht ausgeweitet sondern beschränkt wird.

Doppelte Analogie

Auch die Möglichkeit, eine Regelung doppelt analog zu nehmen, besteht. Dies erfolgt, wenn eine gesetzliche Regelungen wegen zwei verschiedenen Aspekten nicht unmittelbar anwendbar ist. Dies ist z. B. in einer Situation im Verwaltungsprozess nötig, bei der sich ein begehrter Verwaltungsakt vor Klageerhebung der Verpflichtungsklage z. B. wegen Zeitablaufs erledigt hat. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO wird in dieser Situation doppelt analog herangezogen. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO ist grundsätzlich nur auf die Anfechtungsklage anwendbar, wenn der Verwaltungsakt sich nach Klagerhebung erledigt hat. Im beschriebenen Fall liegt aber eine Verpflichtungsklage und eine Erledigung vor Klageerhebung vor und erfordert so die doppelte Analogie.

Siehe auch

Literatur

  • Elmar Bund: Juristische Logik und Argumentation. 1983.
  • Arthur Kaufmann: Analogie und Natur der Sache. 2. Auflage. 1982.
  • Thorsten Ingo Schmidt: Die Analogie im Verwaltungsrecht. In: VerwArch. 97 (2006), S. 139–164.
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